___ __ / __|_ _ _ __ _ __ ___ _ _ ___ / _| \__ \ || | ' \| ' \/ -_) '_| / _ \ _| |___/\_,_|_|_|_|_|_|_\___|_| \___/_| _ _ ___ ___ ___ | | _____ _____ / / _ \/ _ \ __| | |__/ _ \ V / -_) | \_, /\_, /__ \ |____\___/\_/\___| |_|/_/ /_/|___/ von Martin "Venty" Ebnöther Ja, es war 1995 um Juni oder Juli, als ich meiner Queen- und anderer Rock-CDs langsam überdrüssig wurde. Da waren meine beiden Kollegen Omni und vorallem Breschi, die beide damals voll auf Techno abfuhren. Als Ohrenmensch habe ich mir dann mal eine oder zwei CDs ausgeliehen, ich glaube Adamski war drunter oder war es The Prodigy und habe diese durchgehört. Im Radio LoRa wurde damals auf die bald stattfindenden Street Parade 1995 bereits mit "120 Stunden hors-sol" Techno nonstop ohne Gefasel und ohne Werbung gesendet. Kurzum, ich war begeistert. So habe ich mir dann meine ersten paar CDs gekauft. Rave Base 3 war mit Sicherheit die erste überhaupt, eine Compilation im Stil der Bravo-Hits, aber eben mit Techno-Grössen wie Kenny Larkin, AWex oder auch Sven Väth drauf. Den ganzen Happy Hardcore Kram brauchte ich damals eigentlich nicht, aber naja, gehörte wohl dazu. Mehr haben mich aber dabei vorallem die eigentlich unmelodiösen Tracks mit möglichst viel synthetischem Krimskrams drin angesprochen, allen voran AWex "It's our Future" mit der blubbernden Roland TB-303 drin. Natürlich liess ich mir die bald stattfindende Street Parade 1995 nicht entgehen. Es war herrlich. 120'000 Leute auf einem Haufen und alle hatten sie einfach Freude an der Musik. Natürlich gab es die exotischen Kostüme damals schon, aber es war egal, ob Du nun im Bikini, in der Federboa, mit Jeans, Smiley-Shirt und Kopftuch oder im weissen Overall mit Mundschutz daher kamst, hauptsache es machte Dir Spass. Und Spass hatten alle. Es ist einfach diese spezielle Erfahrung, wenn Du in der Menge hinter dem Mobile stehst und der DJ zieht den Beat weg, die Leute kreischen, die Drum-Roll setzt ein, vielleicht kommt ein Rave-Signal ("Blääääp! Bläääp!"), die Menge zählt im Kopf und im Bauch den Rhythmus mit und dann kommt der Beat zurück und alle rufen und schreien. In diesem Moment lebst Du nur für die Musik, vor Deinem inneren Auge entfaltet sich Reverbia, das Land zwischen Bass-Drum und Kick-Snare, dein persönliches, akustisches Nirvana. Dieses Gefühl ist es, was Du nur hast, wenn Du live dabei bist. Am Fernsehen geht das einfach nicht. Am Abend der Parade war ich so gegen 21:00 Uhr zu Hause, kaputt aber glücklich. Nächstes Jahr musste ich wieder hin. Aber erstmal schaltete ich LoRa wieder ein. Die sendeten weiter ihren Mix. DRS3 übertrug live von der Energy 1995, wo kurze Zeit später ein Interview mit Cosmic Baby gesendet wurde. Warum und wieso weiss ich nicht mehr genau, jedenfalls habe ich es auf Tape aufgenommen gehabt und inzwischen liegt ein MP3 auf dem Gopherserver davon herum. Darin wurde darauf hingewiesen, dass Cosmic Baby auch ein Konzert geben würde, was übertragen werde, auch davon existiert inzwischen ein MP3 auf dem Gopher. Cosmic Baby war gegenüber den harten 4-To-The-Floor Rhythmen von damals eigentlich ein Exot mit seinem, ich nenne es mal Electronica. (Trance ist es nicht, aber Trance ist wie House ein überstrapazierter und IMHO negativ behafteter Begriff.) Sehr interessante Klangsphären, die sich da auftun. Nicht umsonst heisst eines der Stücke darin "Talking Drums". Soweit die Anfänge. Seither habe ich manche Techno-CD, egal ob Rave, Gabber, Drum & Bass, House (jaja), Trance (jaajaa) und Anderes gehört und gekauft. Unter http://www.semmel.ch/bri/ sind auch ein paar Stücke des Bassline Research Institutes, wo ich mitgearbeitet habe zum freien Download als MP3 verfügbar. Und wenn ich auch oft gegen Vorurteile rund um Techno oder elektronische Musik allgemein ankämpfen musste (und immer noch muss), so sage kann ich doch nur wie immer Cosmic Baby zitieren: "Es wird immer 100 Leute geben, die Geige spielen, 100 Leute, die Gitarre spielen und 100 Leute, die mit Synthesizern Musik machen, es wird überall einige wenige geben, die Dich zum Lachen, zum Weinen oder zu wasauchimmer mit ihrer Musik bringen werden." So ist es. Die 1995er Paraden-CD ist mir irgendwann, zusammen mit dem geliebten AWex-Album geklaut worden und Peer-to-Peer hin oder her, sowas bekommst Du da einfach nicht, weils zu alt ist. Itunes und der ganze Kram kennt das sowieso nicht. Techno? Was istn das? In Zeiten, in denen Dudelfunksender mit "S'Bescht vo de 90er" Werbung machen und dann DIE BEDEUTENDSTE MUSIKRICHTUNG dieser Dekade einfach vergessen, was willst Du da erwarten? Ja, Radio NRJ und Radio 24, Euch geht das an! Immerhin ist "Time for house" von den Wax Scientists auf der Energy 1995 CD das erste und jeweils auch letzte Stück (so möglich), was in meinen Autos läuft. Das ist einfach ein Ritual, fragt nicht warum, es muss so sein. Zuerst einmal nach Reverbia, dann auf die Strasse damit und am Ende seines Lebens schliesst sich dieser Kreis, danach wird das Autoradio ausgebaut. Wie ich grad auf dieses Thema komme? Nun, einerseits ist der Sommer 2006 da, die Temperaturen klettern auf über 30°C und bald ist es wieder Zeit für die Street Parade. Andererseits habe ich neulich mal auf Amazon nach diesem und jenem gesucht und habe mir die Energy - Streetparade 1994, Street Parade 1995 und auch das AWex Album bestellt. Damit fing alles an. Meiner Meinung nach ist die 1995er CD nebst der Live-CD von 1998, wo man im Hintergrund die johlende Menge hört die beste Paraden-CD. Die beste Hymne ist aber die von 1996, nämlich "Parade" von "1000 People", die mit der Kirchenglocke und dieser unglaublichen Synthie-Fläche im Intro. Und so für Autofahrten nach 02:00 Uhr morgens gibt es noch von den DJ Fridge Remix der 2001er Hymne "Love, Freedom, Tolerance". Das ist Track 4 auf der Single mit dem Klavier in dieser weiten Halle. Der Track klingt einfach so, es ist tief in der Nacht nach der Party, eigentlich ist es zu Ende, aber wir geben noch einmal Gas. Ganz sanft fängt er an mit eben diesem Klavier, dann kommt der Synthie rein, dann der Beat dazu und schon läuft noch einmal für ein paar Minuten die Parade ab, um dann wieder sanft auszuklingen und einen zurückzulassen, wartend auf die Parade nächstes Jahr. Ich freue mich jetzt schon darauf.