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       Schwere Vorwürfe gegen Bistum Trier und Staatsanwaltschaft im Fall
       Dillinger
        
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       #  Sexualisierte Gewalt Schwere Vorwürfe gegen Bistum und
       Staatsanwaltschaft
        
       Stand: 07.05.2024 14:30 Uhr
        
       **In den 1960ern wurde der Seelsorger Dillinger erstmals wegen eines
       sexuellen Übergriffs aktenkundig. Ein Bericht wirft dem Bistum Trier
       nun vor, nicht angemessen reagiert zu haben. Auch bei der
       Staatsanwaltschaft gab es demnach Versäumnisse.**
        
       Am Ende umfasst der dritte und vorläufig letzte Bericht noch einmal 96
       Seiten. Die ehemaligen Staatsanwälte Ingo Hromada und Jürgen Brauer
       hatten im Auftrag einer unabhängigen Aufklärungskommission ein Jahr
       lang drei Ermittlungsakten von Staatsanwaltschaften, mehr als 4.000
       Fotos, mehrere Tausend Seiten Aufzeichnungen und Publikationen von
       Edmund Dillinger durchforstet. Sie folgten den meist vagen Hinweisen
       durch Westdeutschland, nach Frankreich, nach Afrika.
        
       50 Betroffene hatten Hromada und Brauer interviewt - Zeugen, die
       Dillinger als Studentenseelsorger, als Pfarrer, als Religionslehrer
       oder im Rahmen der Afrikahilfe kennengelernt hatten.
        
       ## Mindestens 19 Opfer sexualisierter Gewalt
        
       Konkret sind die Hinweise jedoch selten, oft handelt es sich um eine
       Charakterbeschreibung. Dillinger gelte als egozentrisch und habe mit
       seinem Kontakten zu Prominenten und hohen kirchlichen Würdenträgern
       geprahlt. Zeugen beschreiben ihn als "stockkonservativ". Er habe
       Homosexualität verteufelt, sie aber selbst freizügig ausgelebt.
        
       "Sehr viele, nach ihrer Anzahl aber nicht annähernd zu beziffernde
       Personen" seien von einem sexuell motiviertem Verhalten Dillingers
       betroffen gewesen. Sie seien in sexualisierten Posen fotografiert und
       berührt worden, hätten Annäherungsversuche abwehren müssen.
        
       Bei 19 Personen spricht der Bericht konkret von "sexuellem Missbrauch
       in verschiedenen Schweregraden". Acht Betroffene konnten jedoch nicht
       eindeutig identifiziert werden - auch weil viele Zeugen keine Namen
       nennen wollten. Die Taten sollen zwischen 1961 und 2018 stattgefunden
       haben.
        
       1964 wurde Dillinger zum ersten Mal beim Bistum Trier aktenkundig,
       nachdem er zwei Jungen am Oberschenkel berührt haben soll. 1970 soll
       er sich dann bei einer Romreise an einem 15-Jährigen vergangen haben.
       Er soll Fotos des Geschlechtsteils des Jugendlichen gemacht und es
       daraufhin auch angefasst haben.
        
       1972 soll er einen weiteren jungen Mann in offensichtlich
       sexualisierter Pose fotografiert und das Foto an eine Agentur verkauft
       haben. Gegen den Willen des Opfers wurde das Bild schließlich in einer
       Erotik-Zeitschrift für Homosexuelle abgedruckt.
        
       ## Harte Kritik an Bistum und Staatsanwaltschaft
        
       In den aktenkundigen Fällen habe das Bistum Trier aber nicht
       angemessen reagiert, die Taten seien sogar vertuscht worden, so der
       Bericht. Man habe keinen Kontakt zu den Opfern gesucht, keine
       Aufklärung betrieben. Die Strafe, darunter zwei Wochen Kloster und die
       Versetzung ins Erzbistum Köln, sei nicht angemessen gewesen.
        
       Dillinger sei nach den ersten Vorwürfen zudem nicht ausreichend
       kontrolliert worden, obwohl eine Wiederholungsgefahr bestand. Hromada
       und Brauer kritisieren auch die "bedenkliche" Aktenführung des
       Bistums. Man habe acht Konvolute von unterschiedlichen Stellen der
       Bistumsleitung auswerten müssen. Die Dokumente sind dabei oft nicht
       mal chronologisch geführt worden.
        
       Der Bericht sieht auch schwerwiegende Versäumnisse bei der
       Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Die Behörde hatte im Juli 2023 große
       Teile der im Wohnhaus von Dillinger gefundenen Beweismittel, darunter
       akribisch geführte Kalender und Notizbücher aus mehreren Jahrzehnten,
       voreilig verbrennen lassen. Und das, obwohl Hromada und Brauer noch
       Tage zuvor ein Gesuch auf Akteneinsicht gestellt hatten. Der Antrag
       sei von der Staatsanwaltschaft aber "bewusst übergangen" und die
       Aufarbeitung "in weiten Teilen" vereitelt worden, so das Fazit der
       Ermittler.
        
       ## Aktive Untersuchung eingestellt
        
       Mit dem Abschlussbericht sind die Recherchen in Deutschland nun
       abgeschlossen - "vorbehaltlich noch eingehender Nachmeldungen von
       Zeugen". Eine Hoffnung, auf die sich gerade auch die Ermittlungen in
       Afrika stützen.
        
       Dillinger gründete in den 1970er-Jahren einen Verein, die CV Afrika-
       Hilfe, und reiste mehrfach nach Kamerun und Togo - offenbar sogar
       unter dem Alias-Namen Eric Delay. Im Gegenzug nahm er junge
       afrikanische Studenten mit nach Deutschland oder nach Rom.
        
       Bei der Suche nach Zeugen und möglichen Opfern werden Hromada und
       Brauer vor allem von kirchlichen Einrichtungen unterstützt, etwa
       missio Aachen. Anfragen und Hilfsgesuche an das Auswärtige Amt seien
       hingegen mehrfach ignoriert worden.
        
        
        
        
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