Zentrales und einziges Organ des Deutschen Bundes war der Bundestag in Frankfurt am Main. Er setzte sich aus den Gesandten der einzelnen Staaten zusammen und stand unter der Präsidentschaft und politischen Führung Österreichs, repräsentiert durch den Außenminister und späteren Staatskanzler Klemens Wenzel Fürst von Metternich. Vorrangiges Ziel Metternichs war die Restauration, die Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der alten monarchischen Ordnung.
Den aufkeimenden nationalen Bewegungen und liberalen Bestrebungen vor allem im Bürgertum und in der Studentenschaft ( siehe Burschenschaften) begegnete der Deutsche Bund auf Betreiben Metternichs mit den Karlsbader Beschlüssen (1819) und den Demagogenverfolgungen. Die Forderungen nach konstitutionellen Verfassungen und Mitwirkung des Bürgertums an der Politik wurden dadurch vorerst weitgehend unterdrückt; nur wenige deutsche Staaten führten in Form von Volksvertretungen Frühformen konstitutioneller Systeme ein.
Die industrielle Revolution, von Großbritannien ausgehend, fasste Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland Fuß. Sie brachte neben dem wirtschaftlichen Aufschwung, mit dem der Aufbau eines umfassenden Verkehrs-und Eisenbahnnetzes sowie eines einheitlichen Marktes einherging, auch große soziale Probleme mit sich ( siehe soziale Frage). Um die wirtschaftspolitische Zersplitterung in Deutschland zu überwinden und wirtschaftliche Hemmnisse und Zölle im Interesse des Wirtschaftsaufschwunges abzubauen, wurde 1834 unter preußischer Führung der Deutsche Zollverein gegründet, dem sich die meisten deutschen Staaten mit Ausnahme Österreichs anschlossen.
Durch die Julirevolution von 1830 in Frankreich erhielten die nationalen und liberalen Kräfte in © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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Deutschland neuen Auftrieb. Die zunehmend revolutionäre Stimmung des Vormärz entlud sich schließlich, gefördert von der Februarrevolution in Frankreich, in der Märzrevolution von 1848. Die Märzrevolution führte sowohl im Deutschen Bund als Ganzem wie auch in Österreich zum Sturz des Systems Metternich; der Bundestag des Deutschen Bundes wich 1848 der Frankfurter Nationalversammlung, der ersten demokratisch gewählten verfassunggebenden Nationalversammlung in Deutschland.
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Fürst von Metternich
Auf dem Wiener Kongress zur Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleons gelang es Metternich, seit 1809 Außenminister von Österreich, sein später so genanntes „ System Metternich&rdquo durchzusetzen, d. h.
die Restauration bzw. Verfestigung der vorrevolutionären monarchischen Ordnung. Ein wesentliches Merkmal dieses Systems war die rigorose Unterdrückung jeglicher liberaler, nationaler und demokratischer Strömungen. In den zwanziger Jahren verlor Metternich jedoch zunehmend an Einfluss, und im Zuge der Märzrevolution 1848 musste er zurücktreten.
Die Debatte um die Verfassung des Staatenbundes wurde bald dominiert von der Auseinandersetzung zwischen Großdeutschen, die auf der Einbeziehung Österreichs in den Staatenbund bestanden, und Kleindeutschen, die einen Staatenbund ohne Österreich unter preußischer Führung forderten. Die Kleindeutschen konnten sich knapp durchsetzen. 1849
verabschiedete die Nationalversammlung eine liberale Verfassung und wählte den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum „ Kaiser der Deutschen” . Mit der Ablehnung der Verfassung durch die beiden deutschen Großm ächte Preußen und Österreich und mehrerer anderer deutscher Staaten und mit der Weigerung Friedrich Wilhelms, die Kaiserkrone anzunehmen, war der Versuch, einen konstitutionellen Nationalstaat zu errichten, und damit die Revolution von 1848, gescheitert.
In der Folge versuchte Preußen ohne Erfolg, die kleindeutsche Lösung in Form eines freiwilligen Staatenbundes doch noch zu verwirklichen ( siehe Erfurter Unionsparlament). Unterdessen berief der neue österreichische Ministerpräsident Felix Fürst zu Schwarzenberg den alten Bundestag wieder ein und brachte mit russischer Unterstützung Preußen in der Olmützer Punktation 1850 zu einem Verzicht auf seine kleindeutschen Pläne und zur Anerkennung des Bundestages.
Der preußisch- österreichische Dualismus prägte nun zunehmend die Bundespolitik und stand jeglichem Versuch, die Bundesverfassung zu reformieren, hemmend im Wege. Preußen reklamierte, gestützt auf seine militärische und wirtschaftliche Macht, die Führung innerhalb des Bundes, verlor aber zugleich auch die kleindeutsch-preußische Lösung der deutschen Frage nicht © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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aus den Augen. Nach einer Phase der Reaktion war in dem konstitutionell verfassten Preußen unter dem Prinzregenten bzw. König Wilhelm I. (seit 1861) eine liberale Ära eingeleitet worden, die jedoch durch den preußischen Verfassungskonflikt 1862 jäh unterbrochen und durch die Rückkehr zu einer konservativ-obrigkeitsstaatlichen Regierungsweise abgelöst wurde: Die Auseinandersetzung zwischen der liberalen Landtagsmehrheit und der Regierung um die Heeresreform – in erster Linie eine Heeresverstärkung, die die Liberalen mit einer Abschaffung der dreijährigen Dienstpflicht verknüpft wissen wollten – löste Wilhelm I., indem er Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten berief und ihn die Heeresreform ohne die Zustimmung des Landtages umsetzen ließ.
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Einzug der Abgeordneten in die Paulskirche Am 18. Mai 1848 zogen die Abgeordneten der Nationalversammlung in einer feierlichen Prozession zu ihrer konstituierenden Sitzung in die Frankfurter Paulskirche ein. Die Frankfurter Nationalversammlung war das erste gesamtdeutsche, frei gewählte und verfassunggebende Parlament.
Ähnlich kompromisslos behandelte Bismarck einen von Österreich eingebrachten Vorschlag zur Reform des Bundes: Den Frankfurter Fürstentag, der im August 1863 die österreichischen Reformvorschläge beraten sollte, ließ er scheitern, indem er zum einen Wilhelm I. von einer Teilnahme abriet und zum anderen für Österreich unannehmbare, weil die preußische Position innerhalb des Bundes stärkende Reformvorschläge einbrachte. Zugleich näherte sich Preußen außenpolitisch u. a. durch die Alvenslebensche Konvention an Russland an, das seit dem Krimkrieg in Konflikt mit Österreich lag.
1864 fanden sich die beiden deutschen Großm ächte Österreich und Preußen noch einmal zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammen, und zwar gegen Dänemark um die Herzogtümer Schleswig und Holstein ( siehe schleswig-holsteinische Frage). Nach dem 2. Deutsch-Dänischen Krieg, den Preußen und Österreich ohne Beteiligung des Bundes gegen Dänemark geführt und gewonnen hatten, musste Dänemark die beiden Elbherzogtümer abgeben und der gemeinsamen Verwaltung ( „ Kondominium” ) durch Österreich und Preußen überlassen.
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Bereits im folgenden Jahr teilten sich Österreich und Preußen auf Grund zunehmender Spannungen in der Gasteiner Konvention die Verwaltung – Österreich erhielt Holstein, Preußen erhielt Schleswig –, doch auch diese Regelung hatte nicht lange Bestand. Bismarck, der offenbar seit seinem Amtsantritt die Auflösung des Deutschen Bundes und die Schaffung eines neuen kleindeutschen Staatenbundes unter preußischer Führung anstrebte, ließ unter dem Vorwurf, Österreich habe die Gasteiner Konvention gebrochen, 1866 Holstein besetzen und erklärte, nachdem der Bundestag die Mobilisierung der nichtpreußischen und nichtösterreichischen Truppen beschlossen hatte, am 14. Juni 1866 die Bundesverfassung für aufgehoben.
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