Rudolf II.

Rudolf II. folgte 1576 seinem Vater Maximilian II. auf dem Kaiserthron nach, aber anders als sein Vater schlug er wieder einen gegenreformatorischen Kurs ein – sofern er sich überhaupt um die Staatsgeschäfte kümmerte. 1608 musste er aufgrund seiner Untätigkeit zugunsten seines Bruders Matthias auf die habsburgischen Länder Ungarn, Österreich und Mähren verzichten und 1611 auf Böhmen; die Kaiserkrone behielt er bis zu seinem Tod 1612, hatte aber faktisch keine Macht mehr.

Bereits unter Ferdinand setzte mit Schwerpunkt in Süddeutschland und Österreich die © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

 

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Gegenreformation ein; ihre Träger waren zunächst vor allem die Jesuiten, die sich unter der Führung von Petrus Canisius in Süddeutschland etablierten. Unter Rudolf II. (1576-1612), der am spanischen Hof streng katholisch erzogen worden war, verschärfte sich, vom Kaiser gefördert, die Gegenreformation und bediente sich zum Teil gewaltsamer Mittel: Im Kölnischen Krieg (1582-1584) wurden spanische Truppen eingesetzt, um die Einführung der Reformation in Köln zu verhindern, und 1607 führte der bayerische Herzog Maximilian I. die Reichsstadt Donauwörth gewaltsam zum Katholizismus zurück. Gegen diese und ähnliche Maßnahmen schlossen sich 1608

unter kurpfälzischer Führung die protestantischen Reichsstände zur Union zusammen; 1609

bildete sich unter bayerischer Führung die katholische Liga. Rudolf verlor im Reich zusehends an Durchsetzungskraft, so dass die Kurfürsten beschlossen, den Kaiser noch zu Lebzeiten durch seinen Bruder Matthias (1612-1619) zu ersetzen; es kam jedoch erst nach Rudolfs Tod zum Thronwechsel.

Der Jülich-Klevesche Erbfolgestreit (1609-1614), im Grunde die Auseinandersetzung zwischen einigen Reichsfürsten um das klevesche Erbe, wurde aus konfessionellen Gründen zu einer internationalen Angelegenheit; aber noch konnte verhindert werden, dass diese territorialpolitisch-konfessionelle Auseinandersetzung in einen großen europäischen Krieg umschlug, u. a. dank der Bemühungen des nach Ausgleich strebenden Matthias. Die zunehmende Polarisierung zwischen den konfessionellen Parteien konnte er jedoch nicht mehr abwenden.

DREISSIGJÄHRIGER KRIEG UND WESTFÄLISCHER FRIEDE (1618-10 1648) Keystone Pressedienst GmbH

Merian: Die Belagerung von Magdeburg

Im Mai 1631, während des Dreißigjährigen Krieges, belagerten kaiserliche Truppen unter Tilly Magdeburg, das sich 1524 für den Protestantismus entschieden hatte, eroberten die Stadt und legten sie fast vollständig in Schutt und Asche. Zeitgenössischer Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren im Theatrum Europaeum.

Ferdinand II. (1619-1637) betrieb erneut eine rücksichtslose Rekatholisierungspolitik, sowohl in Österreich als auch in Böhmen, wo er seit 1617 König war. Er verletzte damit die von Rudolf II.

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den böhmischen Ständen im Majestätsbrief von 1609 garantierte Religionsfreiheit und trug so zum Ausbruch des Böhmischen Aufstands bei, der den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) einleitete.

Der Krieg, der als Glaubenskrieg begann, schlug bald in einen europäischen Machtkampf zwischen den Habsburgern, Spanien, Frankreich und Schweden um, denen sich jeweils deutsche Fürsten anschlossen, und wurde zum größten Teil auf deutschem Boden ausgetragen. Bei Kriegsende war Deutschland in regional unterschiedlichem Maße verwüstet und die Bevölkerung im Vergleich zum Vorkriegsstand um fast die Hälfte dezimiert.

dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH

Westfä lischer Friede

Die Gesandten von Kaiser bzw. Reich auf der einen sowie von Frankreich und seinen Verbündeten auf der anderen Seite handeln 1648 im Rathaussaal zu Münster den Westfälischen Frieden zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges aus. Kupferstich nach einem Gemälde von Gerard Terbroch.

Der Westfälische Friede von 1648 verkleinerte das Reich um die nördlichen Niederlande und die Schweiz, die beide endgültig aus dem Reichsverband ausschieden, um Teile des Elsass, das an Frankreich ging, und um die Oder- , Weser-und Elbemündung, die an Schweden fielen, aber weiterhin im Reichsverband blieben; zugleich schrieb der Friedensvertrag die territorialen Veränderungen innerhalb des Reiches, die vor allem zugunsten Kurbrandenburgs gingen, fest.

Von größter Bedeutung für das Reich waren die verfassungs-und religionspolitischen Bestimmungen des Westfälischen Friedens, die bis zum Ende des alten Reiches 1806 die Grundlage der Reichsverfassung bildeten: Er erkannte die Gleichberechtigung der drei Konfessionen Katholizismus, Luthertum und Calvinismus an, legte den konfessionellen Besitzstand auf der Grundlage des „ Normaljahres” 1624 fest und untersagte in Religionsfragen Mehrheitsbeschlüsse des Reichstages. Er bestätigte die Zersplitterung des Reiches in beinahe 300 Einzelstaaten und gestand den Landesherren nahezu volle Souveränität zu, d. h. auch das Recht, Bündnisse mit ausländischen Mächten zu schließen, sofern sie nicht gegen das Reich gerichtet waren. Der Kaiser wurde in seinen Rechten weiter beschränkt und bei allen Entscheidungen, die das Reich betrafen, an die Zustimmung der Reichsstände gebunden. Aufgrund © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

 

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seiner verfassungsrechtlich festgeschriebenen Territorialisierung blieb das Reich bis zu seinem Ende 1806 ein Machtvakuum.

VOM WESTFÄLISCHEN FRIEDEN BIS ZUM WIENER KONGRESS

11 (1648-1815)

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Heiliges Römisches Reich nach dem Westfä lischen Frieden Vordringliches Ziel nach dem Abschluss des Westfälischen Friedens war in Deutschland die Überwindung der katastrophalen Folgen des Dreißigjährigen Krieges. Vor allem mussten der Bevölkerungsverlust ausgeglichen und Handel, Gewerbe und vordringlich die Landwirtschaft wieder belebt werden. Maßnahmen hierzu waren auf der Ebene der Landesherrschaften eine gezielte und systematische Bevölkerungs-und Wirtschaftspolitik. In Wechselwirkung mit dieser Politik bildeten sich merkantilistische und kameralistische Wirtschaftsformen sowie absolutistische Fürstenstaaten heraus, wobei diese Entwicklung allerdings in den einzelnen deutschen Staaten teilweise sehr unterschiedlich verlief.

Musterbeispiel des modernen absolutistischen, zentralistischen Staates war Brandenburg unter Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten (1649-1688), aber auch z. B. Österreich, Bayern, Hannover und Sachsen-Weimar folgten der Tendenz zum zentral verwalteten dynastischen Fürstenstaat. Die Landstände verloren jedoch zusehends an Einfluss, u. a. bei der Steuerbewilligung, die nun zu einem staatlichen Hoheitsrecht wurde. Die Herausbildung eines modernen Steuersystems schuf die Voraussetzungen für eine systematische Wirtschaftslenkung und für die Finanzierung zweier wesentlicher Instrumente der absolutistischen Herrschaft: der Beamtenschaft und des stehenden Heeres.

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Friedrich I. von Preuß en

Am 18. Januar 1701 krönte sich Friedrich, seit 1688 unter dem Namen Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg, als Friedrich I. zum König in Preußen. Das Einverständnis des Kaisers mit seiner Rangerhöhung hatte Friedrich dadurch erwirkt, dass er dem Kaiser seine Unterstützung im Spanischen Erbfolgekrieg zusagte. Die Königswürde galt jedoch nur für Preußen, das nicht Teil des Heiligen Römischen Reiches war.

Auf der Ebene des Reiches war die Entwicklung zu einem straff organisierten Staat moderner Prägung durch die Beschlüsse des Westfälischen Friedens faktisch unmöglich; und anders als die Landstände in den Einzelstaaten gewann der Reichstag, der sich 1663 in Form eines ständigen Gesandtenkongresses als der so genannte immerwährende Reichstag in Regensburg etablierte, zunehmend an politischem Einfluss.

Innerhalb des Reiches bahnte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bereits der preußisch- österreichische Dualismus an: Brandenburg-Preußen (das Herzogtum Preußen war nach dem 1. Nordischen Krieg 1660 aus der polnischen Lehnshoheit entlassen worden) stieg unter dem Großen Kurfürsten nicht zuletzt dank seines schlagkräftigen stehenden Heeres zur Vormacht in Norddeutschland auf, 1701 nahm Kurfürst Friedrich III. als Friedrich I. (1701-1713) den Titel eines Königs in Preußen an, und nach dem 2. Nordischen Krieg erwarb Brandenburg-Preußen 1719/20

schließlich noch den größten Teil Vorpommerns.

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Chodowiecki: Friedrich der Groß e

Auf dem Tempelhofer Feld bei Berlin besichtigt Friedrich der Große das erste Bataillon seines Leibgarderegiments. Zeitgenössisches Aquarell von Daniel Nikolaus Chodowiecki.

Österreich etablierte sich nach seinem Sieg über die Türken in der Schlacht am Kahlen Berg 1683

( siehe Belagerungen von Wien) und durch den Gewinn von Ungarn, Siebenbürgen sowie großer Teile Slawoniens und Kroatiens im Frieden von Karlowitz 1699 nach dem Großen Türkenkrieg als europäische Großmacht; im Frieden von Rastatt/Baden, der den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) beendete, erhielt Österreich die Spanischen Niederlande, Mailand und Neapel und konnte durch diesen Zugewinn seine Großmachtstellung noch bedeutend ausbauen.

Neben Friedrich I. von Preußen erlangten noch zwei weitere deutsche Fürsten die Königswürde: 1697 wurde der sächsische Kurfürst August der Starke zum polnischen König gewählt (die polnisch-sächsische Personalunion bestand bis 1763), und 1714 bestieg der Kurfürst Georg Ludwig von Hannover gemäß dem Act of Settlement als Georg I. den englischen Thron (die britisch-hannoveranische Personalunion dauerte bis 1837).

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