Bringe ihn herein in deine Wohnung, daß er mit uns bete:
Gib, daß er das Land der Unvergänglichkeit suche mit der Sehnsucht der Goetheschen Priesterjungfrau, die da sagte:
daß er einst mit der sterbenden Blume des Dichters singe:
und ihm die Antwort werde:
Hatte er dermaßen wohlklingend und nicht selten mit wirklich feuchten Augen, von seinem Galimathias selbst aufgeregt, geendet, so geschah es häufig, daß auf dem Kirchwege die Zuhörer herbeieilten und ihm dankend die Hände drückten, und an den wohlbesetzten Mittagstafeln wurde er aus schönem Munde gefühlsbedürftig gepriesen, von klugen Männern gelobt, daß man jetzt auch wieder einmal kirchlich und christlich sein könne, ohne sich dem Verdachte der Beschränktheit und des Zurückbleibens auszusetzen.
Zu den also bescholtenen Gleichgültigen und Indifferenten gehörte auch Jukundus. Er war der neuen Kirche nicht feindlich gesinnt und wünschte ihr nichts in den Weg zu legen, wohl wissend, daß alle Dinge in der Welt ihren Verlauf haben müssen. Allein mit seiner naiven Wahrheitsliebe war es ihm unmöglich, den Schein einer solchen wenigstens für gedankengeübte Männer unwahren Kirchlichkeit mit zu tragen, und machte von dem Rechte seiner persönlichen Freiheit ohne Geräusch und Prahlen Gebrauch. Er tat dies umso hartnäckiger, als dieses Gebiet fast das einzige war, auf welchem er seine volle Unabhängigkeit von der Sorge wie von der Liebe noch bewahrte.
Der Pfarrer aber, welcher die Frau Justine zu seinen Hauptstützen zählte, da sie mit ihrem Ansehen fast für einen Kirchenältesten gelten konnte, mochte nicht gerne leiden, daß deren Mann die Sache durch sein Fernstehen nicht zu billigen und so über derselben stehen zu wollen schien. Er empfand alles solches Fernstehen als einen stillen Vorwurf gegen sich selbst und eine schweigende Kritik seines Tuns, und er hatte daher einen Groll gegen Jukundus gefaßt und predigte gegen ihn. Denn auch diese Untugend hatten einige der neuen Priester von den alten herübergenommen, daß sie auf der Kanzel, wo sie allein das Wort führten und niemand erwidern durfte, aussprachen, was sie irgend persönlich bedrückte, und nach Gutdünken anklagten und anzeigten. Jener wußte aber hievon nichts, weil er nicht viel achtgab auf der Leute Reden und dem Sinne undeutlicher Anspielungen nicht nachfragte.
Als Jukundus am späteren Abend also auf den Pfarrhof kam, um seine Frau versprochenermaßen abzuholen, hatte der Pfarrer seinen Vortrag über die gegenseitige Verjüngung der Kirche und der schönen Künste vor einigen Freunden eben beendigt. Jukundus mußte noch ein wenig Platz nehmen.
»Wenn Sie mir gegönnt hätten, meine kleine Arbeit mit Ihrem Mitanhören zu beehren,« sagte der Pfarrherr, »so würden Sie vielleicht einen Ausgleichspunkt gefunden haben in dem Gedanken, daß jetzt die Zeit da ist, wo die Kunst ihr Dasein der Religion danken und der guten reichen und doch jetzt so armen Mutter vergelten kann! Sie würden vielleicht selbst einige Befriedigung in der Aussicht finden, wenigstens in einem bedeutenden Tonwerk etwa einst in Gemeinschaft mit uns Ihr Herz aussingen zu können, möchten Sie auch dabei denken, was Sie wollten, und uns überlassen, das gleiche zu tun!«
Justine schaute bei diesen Worten ihren Mann hoffnungsvoll an. Es war ihre schönste Erinnerung, in dem ersten Jahre ihrer Ehe mit ihm in einer größeren Stadt an einem musikalischen Feste mitgewirkt zu haben. Bei der Aufführung eines mächtigen biblischen Oratoriums hatten sie sich, jedes bei seiner Stimme, so nahe gestanden, daß sie in den Pausen einander die Hand geben konnten. Am Abend hatte Jukundus seine Frau zärtlich in die Arme geschlossen und ihr gestanden, daß er trotz allem Erlebten noch nie so glücklich gewesen sei wie heute, da er in dem wohltönigen Sturme der Musik und des Gesanges mitgesungen und dabei neben sich noch ihre liebe Stimme mitgehört habe.
Allein jetzt erwiderte er dem Geistlichen, schon in trüber Stimmung gekommen und durch dessen Gewaltsamkeit nicht aufgeheitert, etwas trocken: »Ich bin nicht Ihrer Ansicht, daß die Religion die Kunst hervorgebracht habe. Ich glaube vielmehr, daß die Kunst für sich allein da ist von jeher und daß sie es ist, welche die Religion auf ihrem Wege mitgenommen und eine Strecke weit geführt hat!«
Der Pfarrer wurde ganz rot; er ertrug im Kreise seiner engsten Gemeinde solchen Widerspruch nicht leicht und sagte: »Nun, wir wollen die Sache nicht weiter verfolgen; Sie sind wohl in mehr als einer Beziehung ein Laie, sonst würde Ihnen bekannt sein, daß wir Theologen heutzutage manche Kreise des Wissens in unsere theologische Wissenschaft hereingezogen haben, die ihr sonst nicht verpflichtet waren und deren Übersicht Ihnen in Ihrer Lebensstellung fehlt!«
Jukundus versetzte etwas hart: »Dieses Bedürfnis mögt Ihr Theologen fühlen; ich glaube aber nicht, daß Eure Theologie dadurch den Charakter einer lebendigen Wissenschaft wiedergewinnt, so wenig als die ehemalige Kabbalistik, die Alchimie oder die Astrologie noch eine solche genannt werden könnte!«
Hierdurch in seinem Innersten getroffen und beleidigt, rief der Geistliche: »Ihr Haß gegen uns macht Sie blind und töricht! Aber es ist genug, wir stehen über Ihnen und Ihresgleichen, und Ihr werdet in Eurem verblendeten Dünkel die Köpfe an unserem festen Bau einrennen!«
»Immer gleich das Gefährlichste!« sagte Jukundus, der inzwischen ganz ruhig geworden war; »wir rennen gegen keine Wand! Auch handelt es sich nicht um Haß und nicht um Zorn! Es handelt sich einfach darum, daß wir nicht immer von neuem anfangen dürfen, Lehrämter über das zu errichten, was keiner den anderen lehren kann, wenn er ehrlich und wahr sein will, und diese Ämter denen zu übertragen, welche die Hände danach ausstrecken. Ich als einzelner halte es vorläufig so und wünsche Euch indessen alles Wohlergehen; nur bitte ich, mich vollkommen in Ruhe zu lassen; denn hierin verstehe ich keinen Scherz!«
Er hatte diese letzten Worte mit fester Stimme gesprochen, und diese Stimme zerriß seiner Frau, die seinen Arm zum Weggehen ergriffen hatte, das Herz. Sie hatte in der neuen Kirchenkultur, die ihr so freisinnig, so gebildet, so billig schien, zuletzt fast den einzigen Halt gegen den geheimen Kummer gefunden, der sie drückte; nun war ihr Mann in offener Auflehnung dagegen ausgebrochen. Denn sie hielt ihn dem Pfarrer gegenüber für unwissend und unzulänglich, für einen Unglücklichen! Das Unheil eines Glaubenszwiespaltes in Verbindung mit einem beginnenden häuslichen Unglück war plötzlich da, mitten in der so erleuchteten und wohlredenden Kirchenwelt.
Kaum auf die Straße gekommen, ließ Justine den Arm ihres Mannes fahren und ging wie taumelnd neben ihm her, leise weinend. Da es herbstlich stürmte und regnete, so glaubte Jukundus, sie wolle bequemer allein gehen und achtete nicht auf ihren Zustand. Bis sie zu Hause angekommen, hatte sie sich äußerlich gefaßt; inwendig aber zitterte sie vor Aufregung und Entrüstung.
Jukundus, den Vorfall schnell vergessend und von anderen Sorgen erfüllt, wollte mit ihr jetzt die gemeinsame Lage besprechen und ihr darstellen, wie er glaube, daß sein rechter Platz nicht in diesem Hause sei, daß er doch versuchen müsse, auf eigenen Füßen zu stehen, wozu wohl noch schöne Zeit sei; daß sie ihm in die Hauptstadt folgen sollte, wo er gute Verbindungen und Freunde habe. Wenn sie einige Mittel von den Eltern mitnehmen könnte für den Anfang, nur so viel, als sie etwa für den Kirchenkultus und die anderen Lieblingssachen schon ausgegeben habe, so wäre ihm für die Zukunft nicht bange.
Er berührte diesen letzteren Punkt nur kleinlaut, weil er für sich nichts zu bedürfen glaubte und nur die Scheu Justines vor aller Mittellosigkeit ins Auge faßte.
Kaum war er aber hier angelangt, so schwieg sie nicht länger; die rauhe Ursprünglichkeit der emporgekommenen Volksfamilie, welche die Männer zuweilen überfiel, brach mit aller Herbigkeit auch bei ihr unversehens zu Tage. Leidenschaftlich und rücksichtslos und ebenso unbesonnen rief sie, er möge gehen, wohin er wolle, sie werde ihm nicht folgen, wenn er in ihrem Hause nicht zu gedeihen vermöge, wo es ihm an nichts und an keinem Entgegenkommen gemangelt habe. Weder den Ihrigen noch ihr selbst fiele es ein, noch das geringste Opfer an ein solch verlorenes Leben zu wagen und das Geld einem solchen ... nachzuwerfen.
Sie brauchte dabei einen Ausdruck, den sie kaum je im Munde geführt, und welchen, ohne daß es gerade ein eigentliches Schimpfwort war, doch kein rechter Mann von seiten seiner Frau erträgt.
Kaum war das Wort ihrem Munde entflohen, so erblaßte Justine, und sie schaute ihren Mann mit großen Augen an, der schon vorher erbleicht war und jetzt schweigend hinausging.
Justine eilte, ihre Mutter zu suchen; die war aber noch im Hause eines der Brüder, und jene ging daher dorthin, um Rat und Zuflucht zu finden.
Jukundus aber weckte seine eigene Mutter, welche ermüdet schon zu Bette gegangen war, hieß sie sich ankleiden, packte dann das Notwendigste zusammen, holte in der Nacht selbst einen Mietwagen herbei und fuhr unbemerkt in der stürmischen Regennacht mit seiner Mutter davon, versehen mit dem wenigen Gelde, das er noch von dem Verkaufe jenes alten Eichbaums übrig behalten und aufbewahrt hatte.
Von diesem Augenblicke an war aus dem Gesichte der beiden Ehegatten jenes anmutige und glückliche Lachen verschwunden, so vollständig, als ob es niemals darin gewohnt hätte.
In dem dunkeln Wagen, neben der alternden Mutter, die in Ergebung und Schlaftrunkenheit wieder eingeschlummert war, sah Jukundus das schöne Gesicht Justines vor sich, wie es ihn zum ersten Male angelacht hatte. Dieses Lächeln, sagte er sich bitter, sind die Künste eines Muskels, der gerade so und nicht anders gebildet ist; durchschneidet ihn mit einem kleinen leichten Schnitt und alles ist vorbei für immer!
In der Morgendämmerung stand Justine, die nicht zu Bette gegangen war, vor einem Spiegel und sah ihre starren, bleichen Lippen; sie versuchte schmerzlich zu lächeln über den schönen, schlimmen Traum des entschwundenen Glückes. Allein ihr Mund und beide Wangen waren starr und unbeweglich wie Marmor, der Mund blieb von nun an verschlossen, und vom Morgen bis zum Abend und einen Tag wie den andern.
Jukundus hatte sich nach der Landeshauptstadt begeben, wo es seine erste Sorge war, die vor Schreck und Kummer erkrankte Mutter zu pflegen und zu begraben; denn sie erholte sich nicht mehr, weil sie keine Hoffnung mehr barg, daß es dem Sohne noch wohlgehen und das, was sie nicht gesponnen und gewebt, vorhalten könne.
Auf dem Rückwege von ihrem Grabe begegnete er einem militärischen Vorgesetzten, der ihn wohl kannte, aber lang nicht gesehen hatte. Der fragte ihn nach seinen jetzigen Umständen, und als er dieselben, soweit sie mitteilbar waren, kennen gelernt, sagte er zu Jukundus, er wäre gerade der Mann, den er suche, um in seinem ausgebreiteten Handels- und Unternehmungswesen eine bestimmte Lücke auszufüllen. Er suche einen zuverlässigen ruhigen Mann, von dem er wisse, daß er seine Obliegenheiten kurzweg und pünktlich erfülle, nicht nach rechts oder links schaue, ohne die Wachsamkeit zu verlieren, und hauptsächlich keine eigenen Spekulationen betreibe.
Jukundus verband sich mit dem Manne und übernahm sofort die ihm zugedachte Stelle, und es ging vom erstem Augenblicke an gut. Die ihm angewiesene Tätigkeit war der Art, daß er weder selbst zu täuschen und zu lügen, noch die Lügen anderer zu glauben brauchte. Er hatte nicht nötig zu überfordern oder zu unterbieten, zu feilschen oder zu überlisten und Überlistungen abzuwehren. Was darüber hinaus an Menschenkenntnis und deren Anwendung erfordert wurde, ward ihm geläufig, wie ehedem, da ihm mit der verschwundenen Befangenheit es wie Schuppen von den Augen fiel.
So flossen seine Tage ernst und still dahin, und nicht die kleinste Freude erhellte seine Augen. Mit Justine lebte er ohne jede Verbindung; er erwartete vergeblich ein Zeichen von ihr, daß sie die geschehene Beleidigung bereue und zurückzunehmen wünsche, während sie hieran von den Ihrigen verhindert wurde, welche fanden, es sei besser, die Dinge einstweilen liegen zu lassen, wie sie lägen, und das weitere Glück des Jukundus abzuwarten, ob dasselbe auch Bestand habe. Sie hatten nicht unrecht, es ein Glück zu nennen; denn das Finden seiner selbst in dunkeln Tagen ist meistens mehr Glückssache, als die Menschen gewöhnlich eingestehen wollen, und hier hatte es vielleicht einzig von der zufälligen Begegnung mit dem erfahrenen und einsichtigen fremden Manne abgehangen.
Jukundus’ kalte und bittere Ruhe dauerte aber nicht lange. Während er in seiner Geschäftsstellung sich täglich brauchbarer erwies und bald über die anfänglich angewiesene Stufe hinausgehoben wurde, fast ohne jemandes Zutun, so daß der früher so schwer erreichbar erschienene reichere Erwerb und die gegründete Aussicht auf Besitz sich wie von selbst einstellten, trat im öffentlichen Leben eine Bewegung ein, in welche er mehr seiner verbitterten Gemütsstimmung als eigentlicher Neigung gemäß leidenschaftlich hineingezogen wurde.
In der Republik waren seit der letzten jener politischen Umgestaltungen, durch welche das Volk sich verlorene Rechte erneuert oder vorhandene erweitert, vierzig Jahre verflossen, und es war im jüngeren Geschlechte der Wille einer neueren Zeit reif geworden, ohne daß die noch herrschenden Träger der früheren Gestaltung denselben kannten oder anerkennen wollten. Sie hielten die Welt und den Staat, wie sie gerade jetzt bestanden, für fertig und gut und wiesen ihre Mitwirkung zu jeder erheblichen Änderung mit einem beharrlichen Nein von sich, indem sie sich auf eine ununterbrochene Tätigkeit in der mählichen Ausbildung des Bestehenden, einst so Gepriesenen zurückzogen. Durch diesen Widerstand erwarben sie sich das Aussehen von Stehenbleibenden, ja Feinden des Fortschrittes, und erweckten eine je länger je heftiger gereizte Stimmung gegen sich. Da sie aber die Geschäfte sachlich und redlich besorgten und alle Mühe auf allerlei Dinge verwendeten, welche an sich keineswegs wie Rückschritt aussahen, so war der Anfang zu einer großen Aktion schwer zu finden. Denn wenn das Volk hiebei nicht den Anstoß zu gewaltsamen Ereignissen gewinnt, woraus an einem Tage von selbst das Gewünschte sich gestaltet, so bedarf es einer ungeheuren moralischen Aufregung, um auf dem Wege der gesetzlichen Ordnung zu seinem Ziele zu gelangen und eine selbstgegebene Verfassung, selbstgewählte Vertreter zu beseitigen und an deren Stelle das Neue zu setzen.
Diese Aufregung, welche bei der gewaltsamen Umwälzung durch einige Tropfen rauchenden Blutes hervorgebracht wird, erreicht das Volk auf dem anderen Wege, um schlüssig zu werden, nur dadurch, daß es das erste Unrecht begeht mittels einer falschen Anschuldigung und sodann getreu dem Satze, daß der Unrechttuende den leidenden Teil mit wachsendem Hasse verfolgt, nicht mehr ruht, bis der Stein des Anstoßes hinweggeräumt und der neue Rechtsboden, den es will, errungen ist.
Aber auch zu einer vollen runden Hauptanschuldigung, welche für solch eine allgemein um sich greifende Gemütsbewegung ausgereicht hätte, fand sich keine rechte Handhabe vor. Jedes einzelne der unerfüllten Begehren war nicht eine Frage der Unehrlichkeit oder des Volksbetruges, sondern nur eine Frage der Zweckmäßigkeit, welche bestritten war.
Da aber ein Volk oder eine Republik, wenn sie durchaus Händel suchen mit ihren Führern und Verwaltern, nicht auf die Dauer wegen des Anfanges verlegen sind und immer neue Mittel erfinden, so stellte man sich zuletzt einfach vor die Personen hin und sagte: Euere Gesichter gefallen uns nicht mehr.
Dies geschah mittels einer dämonisch seltsamen Bewegung, welche mehr Schrecken und Verfolgungsqualen in sich barg, als manche blutige Revolution, obgleich nicht ein Haar gekrümmt wurde und kein einziger Backenstreich fiel.
Es entstand zuerst ein Ausspotten einiger nicht bedeutender Personen an irgend einem Punkte, dann ein Verhöhnen einiger anderer, die schon mehr Bedeutung hatten, wegen halb lächerlicher, halb unzukömmlicher, immerhin entstellter Eigenschaften. Eine spott- und verfolgungslustige Laune verbreitete sich mehr und mehr, es bildeten sich Anführer und Virtuosen im Hohn und der Entstellung aus, und bald verwandelte sich der lustige Spott in grimmige Verleumdung, welche umherraste, die Häuser ihrer Opfer bezeichnete und das persönliche Leben auf das Straßenpflaster hinausschleifte.
Nachdem diese Opfer in einen Teig von Lächerlichkeit, bestehend aus erfundenen körperlichen Gebrechen und Gewohnheiten, meist nur etwa linkischen Gebärden, eingeknetet waren und so herumgestoßen wurden, legte man ihnen plötzlich längst begangene geheime Verbrechen, einen abscheulichen Lebenswandel, eine Niedrigkeit der Denk- und Handlungsweise zur Last, welche durch das Ansehen, das sie bisher genossen, nur umso greller und unerträglicher hervorgehoben wurden. Zwar wurden die Anschuldigungen bestimmter Übeltaten, welche sofort einem Kriminalverfahren nach allen Seiten hin rufen mußten, beim ersten Aufschrei der Betroffenen lächelnd fallen gelassen. Allein der Abscheu blieb an den Personen haften und aller übrige gestaltlose Unfug wurde festgehalten durch die Ratlosigkeit der Verfolgten, und bei dem allgemeinen Schrecken und Widerwillen entstand eine förmliche Straflosigkeit, zumal jede Prozeßverhandlung zu einem Feste für die Verfolger zu werden begann und mit den schwersten Drohungen begrüßt wurde.
So eilten denn aus allen Ritzen und Schlupfwinkeln die Teilnehmer an dem allgemeinen Reichstage der Verleumdung und der Beschimpfung herbei. Personen, deren eigene physiognomische Beschaffenheit, Lebensarten und Taten sie selbst zum Gegenstande der Schilderung, des Unwillens und des Spottes zu machen geeignet waren, stellten sich gerade in die vorderste Reihe und erhuben als rechte Herzoge der Schmähsucht und der Verleumdung ihre Stimme, und je lauter der grimmige Lärm war, desto stiller und kleinlauter wurden die Geschmähten. Ein für die Betroffenen furchtbarer Gemeinplatz wurde von den gedankenlosen Gaffern ausgesprochen. Wenn nur der hundertste Teil der Anschuldigungen wahr wäre, so würde das mehr als genug sein! hieß es, und sie bedachten hiebei nicht, daß ja jeder von ihnen einen solchen hundertsten Teil auf den Schultern trüge, wenn gerecht gemessen würde.
Neben den Angesehenen und Bekannten im Lande wurde wohl auch etwa in irgend einem Winkel ein armer Unbekannter vernichtet, daß es anzuhören war wie das Schreien eines Hühnchens, das ein Marder nächtlicherweise einsam erwürgt. Oder es fielen ein paar der Herzoge unter den reißenden Tieren einander selbst an auf irgend einem besonderen Wechselplatz, kehrten aber mit zerbissenen und blutigen Schnauzen zum allgemeinen Reichstage zurück, ohne daß es ihnen dort etwas geschadet hätte. Sie beleckten sich die zerzausten Bälge und nahmen frech wieder das Wort.
Die ganze Erscheinung war so neuer und eigentümlicher Art, daß der Geschichtsfreund sie mit keiner vorangegangenen zu vergleichen wußte, wo doch auch mehr als einmal aus einem ungerechten Anlaß oder unwahren Vorwand die Staatsveränderung und die Erweiterung der Freiheit hervorgegangen war.
Männer, die in ihrer entstellten Gestalt mitten in der Not und Verfolgung standen, in der doch kein Tropfen Blut floß und kein Arm berührt wurde, sahen sich von alten Freunden verlassen, die unentschlossen ihren Unschuldsbeteurungen zuhörten und für sich selber darum nicht umso besser fuhren.
Andere, die ein entscheidendes Wort des Mutes hätten sprechen können, schwiegen still, um nicht vor der Braut oder der Gattin eine infame Beschmutzung erleiden zu müssen, und wiederum andere schwiegen aus Sorge für den Frieden und die Unschuld ihrer unmündigen Kinder. Mancher dankte nur Gott, daß er bis jetzt verschont geblieben, wenn er bedachte, daß diese oder jene menschliche Schwäche, die ihn vielleicht schon angewandelt, dem Unheil einen Angriffspunkt bieten könnte, und er hielt sich mäuschenstille. Dicht dabei stand ein offenkundiger Bösewicht ebenso stille, der doch zu notorisch war, um sich zu den Verfolgern gesellen zu können, und nun mit stechenden Augen gewärtigte, was an ihn kommen wolle. Auch der blieb verschont, nicht nur, weil er als gefährlicher Bösewicht von den Verleumdern gefürchtet war, sondern weil die merkwürdige Bewegung bei aller scheinbaren Maßlosigkeit ein gewisses Gesetz der Ökonomie innehielt und keine Opfer verlangte, die ihr nicht gerade im Wege standen.
Übrigens war nicht zu verkennen, daß das Bewußtsein, es sei eigentlich nur ein großer, etwas grober Spaß, nicht fehlte. Denn während die Menge kein Bedenken trug, das Land als von der Schlechtigkeit unterfressen, angefüllt und beherrscht vor aller Welt darzustellen, blieb die wirkliche unterirdische Schicht der Niedertracht, die in keinem Lande fehlt, unangefochten in ihrer Ruhe, wo sie nicht freiwillig ans Licht emporstieg, um auch an den Reichstag zu kommen und die verhaßte Ehrbarkeit ausplündern zu helfen. Der aktive Lügnerhaufen glich der volkstümlichen Dorfklätscherin, welche in ihrem Humor es für selbstverständlich hält, daß jeder zusehe, was er glauben wolle, und daß jeder Angeschwärzte ihr den Spaß nicht allzu übelnehme.
Von diesem Humor war nun Jukundus nicht. In der Verfassung, in der er sich befand, war er doppelt aufgelegt, alles zu glauben, wenn er auch nicht sonst schon durch seine einfache Natur darauf angelegt gewesen wäre. Während er im Geschäftsleben schon vorsichtiger geworden war, wurde er von dieser Bewegung überrascht wie ein Kind und glaubte jede Schändlichkeit, die man vorbrachte, wie ein Evangelium, über die Maßen erstaunt, wie es also habe zugehen können und was in einer Republik möglich sei.
Seine besonderen Mitbürger, die Seldwyler, hatten von Anfang an diese Ereignisse wie ein goldenes Zeitalter begrüßt. Nichts Lustigeres konnte es für sie geben als das Auslachen und Heruntermachen so vieler betrübter langer Gesichter, die so lange besser hatten sein wollen als andere Leute. Sie taten sich nicht gerade hervor in der Erfindung von Abscheulichkeiten, waren aber umso tätiger im Aufbringen von Lächerlichkeiten. Immer kamen einige oder ganze Gesellschaften von ihnen nach der Hauptstadt, um zu sehen, was es Neues gäbe, und an der täglich höher gehenden Bewegung teilzunehmen. Weil Jukundus die beste Gestalt unter ihnen war, so machten sie ihn zu ihrem Häuptling, und er ging im tiefsten Ernste vor der lachenden und stets zechenden Zunft der Seldwyler her, traurig und bekümmert, aber auch entrüstet und straflustig.
Denn er hatte die Welt noch nie in diesem Lichte gesehen; es war ihm zu Mut, als ob der Frühling aus derselben entflohen und eine graue, heiße, trostlose Sandwüste zurückgeblieben wäre, an deren fernem, verschleiertem Saume der Schatten seiner Frau einsam entschwinde. Wenn er in den Klubs und Versammlungen neben handfesten und bekannten Agitatoren allerlei aus dunkeln Löchern hervorgekrochene Gesellen sah, die langjährigen Unstern in der allgemeinen Sündflut mit schmutzigen Händen zu ersäufen suchten oder die obere Schicht wie mit Feuerhaken zu sich herunterzureißen bestrebt waren, so sah er wohl, daß es keine Oberkirchenräte waren, die ihm die Hand drückten. Aber er empfand jetzt eher ein tiefes Mitleid mit solchen Heiligen, die er als die Opfer einer Welt betrachtete, von der er auch ein Lied singen zu können glaubte. Wie die heilige Elisabeth eine Vorliebe für unreinliche Kranke und Elende bezeigte und sich sogar in das Bett eines Aussätzigen legte, so hegte auch Jukundus eine wahre Zärtlichkeit für seine Räudigen und ging täglich mit Leuten, die er früher, wie man zu sagen pflegt, nicht mit einem Stecklein hätte anrühren mögen.
Er tat dies, während die Volksbewegung schon über den Anfangsstrudel hinaus war und das Volk, auf seine Ziele zusteuernd, jene Schattengestalten laufen ließ und seine neuen Rechte feststellte, wie man glänzende Farben und Wohlgerüche aus dunklen Stoffen und Schmutz hervorbringt und diesen wegwirft. Er merkte kaum, daß er mit dem verlorenen Haufen schon seitwärts der Heerstraße stand, und als er es einzusehen begann, überfiel ihn neues Mitleiden mit den armen Propheten, die wiederum betrogen sein sollten. Es half nichts, daß einige klügere Seldwyler ihm zuraunten, die Verleumder und Ehrenfeinde seien bereits nicht mehr Mode, man halte sich jetzt an das rein Politische und Staatsmäßige, und er solle sich nicht bloßstellen; man brauche eben auch wieder einen Staat mit Einrichtungen und Ehrbarkeiten, wo man mit Lügnern und Schubiaken nicht kutschieren könne. Er glaubte den Armen und Verstoßenen, und nicht jenen Warnern.
Um seinen Mut offenkundig zu bewähren und zu zeigen, daß er sie beschütze, lud er eines Tages eine schöne Auswahl seiner Freunde zu einem Festmahle ein, das er ihnen in einem Gasthause gab, und bewirtete sie so reichlich, daß sie in die allerbeste Laune versetzt wurden.
Verkommene Winkeladvokaten, ungetreue und bestrafte kleine Amtsleute, betrügerische Agenten, müßiggängerische Kaufleute und Bankerottierer, verkannte Witzlinge und Sandführer verschiedener Art saßen um ihn geschart und jubelten und sangen, als ob das tausendjährige Reich da wäre. Aber je lustiger sie wurden, desto ernster sah Jukundus aus, und nicht das leiseste Lächeln überflog sein trauriges Gesicht; er gedachte der Tage, wo er auch froh gewesen und harmlos sich des Lebens gefreut, und alles war dahin! Als nun der Wein den fröhlichen Gesellen immer mehr die Zungen löste und die Besonnenheit ersterben ließ, fingen sie an, ihre Schicksale und Taten zu besprechen und das Unrecht zu erzählen, das sie erduldet. Es erhob sich jedoch da oder dort ein Widerspruch des einen gegen den andern, oder die Auflehnung eines dritten, die Einsprache eines vierten, die nähere Erläuterung eines fünften, woraus ein wirrer Lärm gegenseitiger Vorwürfe und Anschuldigungen wurde und für den unbefangenen Zuhörer sich ergab, daß es sich um ein ziemlich ausgebreitetes und verknotetes Gewebe von geringen wenig rühmlichen Verrichtungen handelte, wegen welcher alle sich gegenseitig die ausgezeichnetsten Spitzbuben schalten, und zwar in einer so künstlichen Durch- und Überkreuzung, daß wenn man, etwa nach Art der Chladnischen Klangfiguren, ein sichtbares Bild davon hätte machen können, dieses die schönste Brüsseler Spitzenarbeit dargestellt hätte, oder das zierlichste Genueser Silberfiligran, so wunderbar und mannigfaltig sind Gottes Werke.
Jukundus bemühte sich, zuerst aus Liebe, dann von Verwunderung bewegt, das Gewebe zu verstehen und zu entwirren, und sein Gesicht wurde immer ernsthafter, je deutlicher und gewisser ihm seine abermalige Leichtgläubigkeit wurde. Als das bedenkliche Kreuzgespräch immer lauter und drohender wurde und an verschiedenen Punkten in Tätlichkeiten überging, so daß mehrere Paare sich schon an den Kehlen gepackt hielten oder sich an den Bärten zerrten, immer hinter dem Tische sitzend, schritt der kundige Wirt mit einem sichern Mittel ein, den ausbrechenden Sturm zu beschwören. Er besetzte hurtig den Tisch mit einem bereit gehaltenen zweiten Essen, welches aus groben, aber reichlichen Salatspeisen bestand, gemacht von Ochsenfüßen, von Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln, Heringen und Käse. Kaum erblickten die Streitenden diese Erquickungen, so beruhigten sie sich und setzten sich in tiefstem Schweigen, welches nicht eher gebrochen wurde, als bis alles aufgezehrt war.
Dann aber erfolgte eine feierliche allgemeine Versöhnung, wie nach einem geistlichen Liebesmahl, und alle beklagten die Torheit, sich dergestalt einander selbst angefallen zu haben, während Eintracht so nottue.
Viel besser und zweckmäßiger wäre, hieß es, wieder einmal über einen Volksfeind und Unterdrücker Gericht zu halten und eine lustige Jagd nach einem solchen einzuleiten. Noch mancher laufe ungebeugt und trotzig herum oder halte sich geduckt, in der Meinung, daß das Wetter an ihm vorübergehe. Allein Zeit sei es, ihn jetzt hervorzuziehen, und Zeit sei es, den Schrecken zu erneuern.
Ein solches Vorgehen wurde im Grundsatz beschlossen und sodann zur Benennung der einzelnen Opfer geschritten, welche um Glück und Ehre gebracht werden sollten. Es waren bald zwei oder drei Namen solcher Personen gekürt, welche diesem oder jenem aus der Gesellschaft irgend einmal in den Weg getreten und deshalb von ihm gehaßt waren. Wie man aber die Art und Weise des Angriffes und die anzugreifenden Schwächen und Vergehen der Betreffenden festsetzen wollte, wußte die Versammlung sich nicht zu helfen, entweder weil die Erfindungsgabe nicht mehr lebendig genug war oder weil die natürliche Klugheit der Ratschlagenden in der späten Nachtstunde etwas Not gelitten hatte. Nachdem manches Vergebliche und Gehaltlose vorgeschlagen und verworfen worden, rief endlich einer: da muß das Ölweib wieder helfen, es geht nicht anders!
Jukundus, der immer aufmerksamer wurde, fragte, wer oder was das Ölweib sei? Das sei eine alte Frau, wurde ihm erklärt, die man so nenne nach der biblischen Witwe mit dem unerschöpflichen Ölkrüglein, weil ihr der gute Ratschlag und die üble Nachrede so wenig ausgehe, wie jener das Öl. Wenn man glaube, es sei gar nichts mehr über einen Menschen vorzubringen und nachzureden, so wisse diese Frau, die in einer entlegenen Hütte wohne, immer noch ein Tröpflein fetten Öles hervorzupressen, denselben zu beschmutzen, und sie verstehe es, in wenig Tagen das Land mit einem Gerüchte anzufüllen.
Jukundus anerbot sich, die Mission zu übernehmen und zu dem alten Ölweib zu gehen, was ihm fröhlich gewährt wurde. Er ließ sich die Namen der Opfer, welche fallen sollten, deutlich vorsagen. Es betraf, soviel ihm bewußt war, rechtliche Leute, die noch nicht viel von sich reden gemacht, und er schrieb sie genau und sorgfältig in sein Taschenbuch.
Hierauf bestellte er eine neue Ladung guten Wein, um die Gesellschaft zu weiterer Redseligkeit anzufeuern, und lehnte sich seufzend zurück, um zuzuhören.
Allein die Herren waren jetzt der ernsteren Arbeit müde und wieder mehr zum Singen geneigt, und sie sangen mit hoher Stimme die ersten Verse aller ihnen bekannten Lieder.
Der Saal, in welchem sie sich befanden, war groß, aber sehr niedrig und mehr dunkel als hell, und seltsam verziert. Denn der Wirt hatte aus einem größeren Hause eine abgelegte Tapete gekauft und seinen Saal damit austapeziert.
Dieselbe stellte eine großmächtige und zusammenhängende Schweizerlandschaft vor, welche um sämtliche vier Wände herumlief und die Gebirgswelt darstellte mit Schneespitzen, Alpen, Wasserfällen und Seen. Da aber der Saal, für welchen dieses prächtige Tapetenwerk früher bestimmt gewesen, um die Hälfte höher war, als der Raum, in welchen es jetzt verpflanzt worden, so hatte zugleich die Decke damit bekleidet werden können, also daß die gewaltigen Bergriesen, nämlich die Jungfrau, der Mönch, der Eiger und das Wetterhorn, das Schreck- und das Finsterarhorn, sich in ihrer halben Höhe umbogen und ihre schneeigen Häupter in der Mitte der niedrigen Zimmerdecke zusammenstießen, wo sie jedoch von Dunst und Lampenruß etwas verdüstert waren. An der Wand hingegen thronten die grünen Alpen mit roten und weißen Kühen besäet, weiter unten leuchteten die blauen Seen, Schiffe fuhren darauf mit bunten Wimpeln, auf Gasthofterrassen sah man Herren und Damen spazieren in blauen Fräcken und gelben Röcken und mit altmodischen hohen Hüten. Auch standen Soldaten gereiht mit weißen Hosen und schönen Tschakos; bei einer ganzen schnurgeraden Reihe war das linke rote Wänglein ein wenig neben die gehörige Stelle abgesetzt oder gedruckt durch den Tapetendrucker, was der kommandierende Oberst mit seinem großen Bogenhut und ausgestrecktem Arm eben zu mißbilligen schien; denn die halbwegs neben den leeren Backen stehenden roten Scheibchen waren anzusehen, wie der aus der Mondscheibe tretende Erdschatten bei einer Mondfinsternis.
Auf dem ganzen gemalten Lande herum ging jedoch in der Höhe eines sitzenden Mannes eine dunkle Beschmutzung von den fettigen Köpfen der Stammgäste, die sich im Verlaufe der Zeit schon daran gerieben hatten.
Plötzlich entdeckte ein bleicher Genosse, der vorzugsweise als der Idealist bezeichnet wurde, das gemalte nächtliche Tapetenvaterland und benutzte es sofort zu einem feurigen Trinkspruche auf das herrliche, teure, das schöne Vaterland, das den Verein wackerer Eidgenossen hier so recht als engere Heimat umschließe. Und da auch diese Armen im Geiste und an Glück das Vaterland liebten, so fand er einen lauten Wiederhall und es wurden alle bekannten Vaterlandslieder angestimmt. Nur einige ungerührte Gesellen machten sich nichts daraus und schleuderten, da sie eben Heringe aßen, die Heringsseelen geschickt an die ewigen Eisfirnen empor, die über ihren Häuptern hingen, daß jene dort kleben blieben.
Hierüber murrten die andern und der ideale Redner verwies den Übeltätern ihre gemeine Gesinnung und rief, sie hätten ihre eigenen Heringsseelen dem Vaterlande ins Angesicht geschleudert und die reinen Alpenfirnen beschmutzt. Doch jene lachten nur und riefen: »Selbst Heringsseelen!« so daß es abermals Streit und Lärmen gab.
Jukundus legte die Arme auf den Tisch und den Kopf darauf und seufzte tief.
Jetzt ertönte mitten in dem Tumulte die dünne Fistelstimme eines gewesenen Gemeindesäckelmeisters, der vergeblich jenes Lied zu singen suchte, welches Jukundus auf dem Wege zum Gesangfeste durch den Wald gesungen hatte; endlich besann sich der Sänger auf die Schlußworte und kreischte in schrillem Tone:
Da erinnerte sich Jukundus des schönen und glücklichen Tages, an dem er Justinen zum ersten Male gesehen hatte, und verbarg sein Gesicht noch tiefer, indem er mit Mühe bittere Tränen zurückhielt.
Inzwischen gedachte auch Justine mit größerer Sehnsucht der Tage, wo sie dem Jukundus zuerst begegnet war, und sie hätte ihn gern aufgesucht und ihr Unrecht gut gemacht, wenn nicht immer die Verhältnisse dazwischen getreten wären. Vorerst war sein Anschluß an die Volksbewegung und sein besonderer Umgang mit dem verlorenen Häuflein das Hindernis, weil ihre ganze Familie und Freundschaft auf der anderen Seite stand und man dort nur die düstersten Anschauungen von der Sache hegte.
Sie hatte sich daher, um ihre Gedanken zu beschäftigen und ihr Gemüt zu befriedigen, mit erneutem Eifer dem Pfarrer und der kirchenpflegerischen Tätigkeit hingegeben und ihr Wirken auch auf weltliche Dinge ausgedehnt. Sie wurde Vorsteherin nach allen möglichen Richtungen hin und brauchte jetzt viele und gute Schuhe, die sie sich stärker als früher anfertigen ließ, da sie stets auf der Straße zu sehen war von Schule zu Schule, von Haus zu Haus, von Sitzung zu Sitzung. Bei allen Zeremonien und Verhandlungen, öffentlichen Vorträgen und Festlichkeiten saß sie auf den vordersten Bänken, aber ohne daß sie Ruhe gefunden hätte oder das leiseste Lächeln auf ihr blasses Gesicht zurückgekehrt wäre. Die Unruhe trieb sie selbst wieder in einen musikalischen Verein, den sie seit lange verlassen, und sie sang ernsten Gesichtes und mit wohltönender Stimme, ohne jedoch die mindeste Fröhlichkeit zu erreichen. Der Arzt wurde sogar bedenklich und sagte aus, der melodisch vibrierende Klang ihrer Stimme lasse auf beginnende Brustkrankheit schließen und man müsse zusehen, daß sie sich schone.
Alle fühlten wohl, was ihr fehle, wußten ihr aber nicht zu helfen und wurden unversehens selber hilfsbedürftig; denn es brach eine jener grimmigen Krisen von jenseits des Ozeans über die ganze Handelswelt herein und erschütterte auch das Glorsche Haus, welches so fest zu stehen schien, mit so plötzlicher Wut, daß es beinahe vernichtet wurde und nur mit großer Not stehen blieb. Schlag auf Schlag fielen die Unglücksberichte innerhalb weniger Wochen und machten den stolzen Menschen die Nächte schlaflos, den Morgen zum Schrecken und die langen Tage zur unausgesetzten Prüfung. Große Warenmassen lagen jenseits der Meere entwertet, alle Forderungen waren so gut wie verloren und das angesammelte Vermögen schwand von Stunde zu Stunde mit den hochprozentigen Papieren, in welchen es angelegt war, so daß zuletzt nur noch der Grundbesitz und einiges in alten Landestiteln bestehende Stammvermögen vorhanden war. Aber auch dieses sollte dahingeopfert werden, um die eigenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, welche im Augenblicke des Sturmes bei dem großen Verkehre gerade bestanden.
Die Männer rechneten und sprachen miteinander bleich und still Tage und Nächte lang, und die Hausordnung schien erstarrt zu sein. Die Dienstboten arbeiteten ohne Befehl und bereiteten das Essen, aber niemand aß oder wußte, was er aß. Die Uhren liefen ab und wurden kummervoll aufgezogen, nachdem sie tagelang still gestanden. Die Zeit mußte dann zusammengesucht werden, wie man in der Finsternis ein Lichtlein am andern anzündet, um sehen zu können. Einige junge Kätzchen, welche bis zum Tage des Unglücks der Zeitvertreib und das Spiel von alt und jung gewesen waren, wurden plötzlich gar nicht mehr gesehen und zogen sich mit ihren kleinen Sprüngen schüchtern in einen Winkel zurück, und als nach geraumer Zeit einige Seelenruhe wieder in das Haus gekommen war, wunderten sich alle, daß die Katzen unter ihren Augen auf einmal groß geworden seien.
Als es hieß, daß, wenn die Ehre des Hauses gerettet und alle Schulden bezahlt sein werden, nicht eines Talers Wert mehr im Besitze der Familie bleibe und sie, gänzlich verarmt, von neuem anfangen müßten, stand die Frau Gertrud, die Stauffacherin, und schlotterte an ihrem ganzen Leibe; sie mußte niedersitzen.
Justine dagegen, Schreck und Furcht vor der Armut im Herzen, faßte sogleich Gedanken der Selbsthilfe. Sie wollte mit ihren Kenntnissen augenblicklich in die Welt hinaus und nicht nur sich selbst, sondern auch Vater und Mutter erhalten, und sie entwarf abenteuerliche Pläne mit fiebriger Hast.
Allein nun trat die Mutter wiederum auf und erklärte, daß sie einen guten Teil des Vermögens als Weibergut beanspruche, um das Haus zu retten und ein ferneres Bestehen möglich zu machen. Die Männer sollen mit den Gläubigern ein Abkommen treffen, wie das fast an allen Orten jetzt geschehe.
Die Männer schüttelten finster die Köpfe und sagten, das könnten und wollten sie nicht tun; lieber wollen sie arm werden und auswandern und in anderm Lande Tag und Nacht arbeiten, um wieder zu etwas zu kommen.
Doch die Stauffacherin hatte jetzt ihre Kraft und Beredsamkeit wieder gewonnen; sie bestand auf ihrer Meinung und zeigte an mehreren Beispielen, wie durch solch ein besonnenes Verfahren der Sturm überstanden, die Zukunft gerettet und später auch jede billige Verpflichtung noch gelöst und zu Ehren gezogen worden sei.
Alles dieses war gewissermaßen noch das Geheimnis des Hauses. Die vielen Arbeiter kamen nach wie vor mit ihren Geweben und Gespinsten und erhielten ihren Lohn und neue Arbeit, weil jede Entschließung angstvoll hinausgeschoben wurde. Mit jedem Tage längerer Zögerung wankten die Männer mehr in ihrem Vorsatze strenger Pflichterfüllung, bei welcher sie als wahrhaft Freie vor niemandem die Augen niederzuschlagen brauchten. Schon war die Stauffacherin im Begriffe, obzusiegen und in der festen Überzeugung, daß sie nur im besten Rechte handle, denn sie besaß ein Weibergut; da stiegen aber die Alten vom Berge herunter, der Ehgaumer und seine Frau, um gegen die Machenschaft aufzutreten und sie zu verhindern. Der Alte konnte nicht sprechen, weil er von dem den Kindern widerfahrenen Unheil, selber stark am Besitze hängend, angegriffen war. Er setzte sich hustend auf einen Stuhl und hieß die Alte reden.
Diese legte ein Bündel vergilbter Pfandbriefe auf den Tisch und sagte, da brächten sie, die Alten, was sie erhauset, um den guten Namen retten zu helfen; aber es müßten alle Schulden bezahlt werden und keine Machenschaft mit dem Frauenvermögen dürfe stattfinden. Sie sprach mit so beredten und starken Worten, daß sie in ihrer weißen Zipfelhaube die wahre Stauffacherin zu sein schien und die letztere sich weinend ans Fenster stellte.
Solcher Kleinmut wurde ihr von der Alten verwiesen, die aber gleichzeitig bemerkte, daß in dem wohleingerichteten Zimmer, wo die ganze Familie sich eben befand, das Klavier und die Spiegeltische mit Staub bedeckt waren; und unverweilt begann sie, denselben mit ihrem Schnupftuche abzuwischen.
Die Familie entschloß sich zu der strengen, gegen sich selbst harten Handlungsweise und blieb in Frieden und Ansehen. Der freie Grundbesitz wurde verpfändet und der Geschäftsverkehr nicht unterbrochen; allein zur Zeit waren alle Glieder des Hauses arm, wie die Kirchenmäuse, und keines hatte einen Franken für etwas Unnötiges oder für eine Liebhaberei auszugeben.
So fiel auch die Vorsteherschaft und der Glanz Justinens in Kirche und Gesellschaft dahin und sie hielt sich still und beschämt im verborgenen. Sie ertrug aber diese gänzliche Mittellosigkeit nicht und verschaffte sich im geheimen, nach Art verarmter Frauen aus der oberen Schicht, allerlei feine weibliche Handarbeit, um einiges Taschengeld zu verdienen. Sie wußte dabei nicht, daß sie der ganz hilflosen Witwe, der verlassenen Waise, die sich auf gleiche Weise kümmerlich nährte, das Brot vor dem Munde wegnahm, um ihrem Triebe nach Besitz genug zu tun. Je merklicher sich die bescheidenen Geldsümmchen vermehrten, welche sie so erwarb, desto eifriger und fleißiger war sie bei der Arbeit, die sie mit ihrer Energie und Geschicklichkeit in beträchtlicher Menge an sich zog und bewältigte, also daß die Leute, welche die Ware bestellten und verkauften, ihr von derselben kaum genug zuwenden konnten und sie anderen entziehen mußten.
Die unausgesetzte Beschäftigung war ihr umso lieber, als sie während der Arbeit ihren schweren Gedanken entweder nachhängen oder dieselben zerstreuen, die schwachen Hoffnungen auf ein wiederkehrendes Glück erwägen konnte. Die Mutter war mit im Geheimnis; sie hatte in ihrem Stolze zuerst dagegen angekämpft; doch als sie in Justinens Erwerb für sich selbst auch die Mittel fand, manche Nebenausgabe zu bestreiten, für die sie die Kasse der ängstlich und verdrossen arbeitenden Männer nicht mehr anzusprechen wagte, fügte sie sich leicht dem Sinne der Tochter.
Allein Vater und Brüder wurden endlich aufmerksam; sie wunderten sich, wo die vielen Stickereien und Strickarbeiten eigentlich blieben, die unaufhörlich zu stande kamen und gerieten schließlich hinter das Geheimnis. Nun wollten sie aber, während sie sich alle Entbehrungen auferlegten und ihre Wagen, Luxuspferde und dergleichen alles verkauft hatten, doch nicht für Leute gelten, die nicht mehr vermöchten, ein paar Weiber zu erhalten, und fanden es ungehörig, daß diese selber um Handarbeit ausgingen, indessen arme Arbeiterinnen solche im Hause suchten und fanden.
Die Sache wurde daher mit Entschiedenheit unterdrückt, Justine angewiesen, für ihre Bedürfnisse, wie früher, das Nötige zu verlangen und sich keinen Zwang anzutun; denn sie wisse ja, daß sie um diesen Preis nicht feil sei. Justine jedoch konnte in ihrem gefangenen Sinn nicht über die Frage hinwegkommen. Sie verfiel immer mehr in die kranke Sucht nach Selbständigkeit, welche die Frauen dieser Zeit durchfiebert wegen der etwelchen Unsicherheit, in welcher die Männer die Welt halten. Sie grübelte und brütete und entwarf zuletzt den Plan, anderwärts als Lehrerin ein Unterkommen zu suchen. Wenn sie dabei an die Hauptstadt mit ihren zahlreichen Schulanstalten dachte, so wirkte die stille Hoffnung mit, dort eher ihrem Manne wieder begegnen zu können als im Elternhause, wo jetzt härter über ihn geurteilt wurde als früher, obwohl bekannt war, daß es ihm nun gut gehe.
Kaum war dieser Entschluß gefaßt, so zögerte sie nicht, ihn auszuführen, und begab sich zu dem Pfarrer, um dessen Rat und Vermittlung zu finden. Erst auf dem Wege nach dem Pfarrhof fiel ihr ein und auf, daß der geistliche Herr, der sonst ein Freund des Hauses gewesen, seit dem Unfall, der es betroffen, nie mehr in demselben erschienen war, daß er auch niemandem gemangelt und niemand daran gedacht hatte, sich ihm mitzuteilen und seinen Trost zu hören.
Eine fröstelnde Empfindung durchschauerte sie, als sie ferner plötzlich bedachte, daß sie selber seit mehreren Monaten nicht mehr in der von ihr geschmückten Kirche gewesen sei. Sie stand still und suchte sich den seltsamen Zustand zurechtzulegen, aber es gelang ihr nicht in der Schnelligkeit. Umso rascher eilte sie wieder vorwärts, wie um Licht zu gewinnen.
Im Pfarrgarten traf sie die Gattin des Geistlichen, eine unbeachtete Frau, welche gelassen Petersilie pflückte, und vernahm von ihr, daß er soeben vom Besuche eines Sterbenden zurückgekehrt sei und etwas unwohl scheine. Doch möge Justine nur hinaufgehen, ihr Besuch werde ihn gewiß freuen. Unverweilt eilte sie nach seinem Studierzimmer und trat, wie sie gewohnt war, nach kräftigem Klopfen rasch ein.
Er saß erschöpft und bleich in seinem Lehnstuhl und stützte den Kopf auf die Hand. Als er sich wandte und aufstand, schien er ihr auch abgemagert und leidend zu sein.
»Sie sehen,« sagte der Pfarrherr, nachdem er Justinen begrüßt, »daß ich auch nicht in guten Schuhen stecke, und das mag Ihnen erklären, warum ich mich so lange nicht habe blicken lassen. Ich bin in der Tat, mehr als Sie denken, im gleichen Spitale krank, wie Sie und die Ihrigen!«
Als Justine sich verwundert eine deutlichere Auskunft erbat, fuhr er fort: »Ich habe reich werden wollen und habe daher im Umgange mit den Ihrigen, in Ihrem Hause, gelauscht und mir gemerkt, auf welcherlei Weise die Vermögenssummen dort verwendet werden; ich habe mir die Handelspapiere aufgeschrieben, von welchen der größte Gewinn erwartet wurde, und ich habe die Operationen, die ich machen sah, im geheimen nachgeäfft mit dem mäßigen Vermögen meiner Frau, und als ich ahnte, daß das Haus Glor erschüttert war, wußte ich zugleich, daß ich selbst alles verloren und das Erbe meiner Gattin und ihrer Kinder vergeudet und verspielt hatte. Sie weiß es noch nicht und ich darf es niemandem sagen, wenn ich nicht meinen Stand verunehren will. Aber Ihnen gegenüber, da Sie mir so unversehens erscheinen, drängt es mich zur Offenheit!«
Justine war erschrocken; dieser neue Verlust machte ihr aufrichtigen Ärger und Verdruß, und sie sagte daher etwas unwillig: »Aber was in aller Welt hat Sie denn gezwungen, in Handelsgeschäften zu wagen, da Sie ein Pfarramt und Einkommen besitzen?«
»Ich habe Ihnen gesagt,« erwiderte der Pfarrer mit Traurigkeit, »daß ich meinen Stand nicht bloßstellen dürfe durch das Eingestehen meiner lasterhaften Torheit, und ich gehöre diesem Stande innerlich nicht einmal mehr an, ich habe ihn verlassen und darum reich werden wollen, um unabhängig leben zu können! Nach jenem Unglücksabend, an welchem ich hier mit Ihrem Manne gestritten hatte, war mir ein Stachel im Herzen geblieben, den ich vergeblich hinausreden und wegtrotzen wollte. Ich sah, wie Jukundus bei allem Un- und Mißgeschick religiös so unbeirrt und unbescholten dahin wandelte, und ich konnte nicht umhin, alles zu überdenken und zu prüfen, was ich leider mit Beziehung auf die sittliche Seite der Sache in Ansehung des eigenen Herzens seit Jahren nicht mehr getan hatte. Ich fand, daß ich nicht religiös oder christlich mehr lebe und kein Priester mehr sei!
»Ich mußte mir gestehen, daß ich jahraus, jahrein, sobald ich allein war, nicht den leisesten Trieb fühlte, des gekreuzigten Mannes zu gedenken, dessen Namen mein Lebensberuf trug und der mich ernährte, daß mein Herz und alle meine Sinne nur an der Welt und ihren Annehmlichkeiten, wenn Sie wollen, auch an ihren Mühen und Pflichten hing, aber ohne daß der leiseste Schauer eigener persönlicher Andacht, die geringste Furcht vor dem, den wir handwerksmäßig als unsern Herren und Erlöser verkündeten, an mich herantrat, sei es Tag oder Nacht gewesen.
»Ja, wenn ich zuweilen noch, ohne vom Berufe dazu veranlaßt zu sein, der von mir für so geheiligt ausgegebenen Person Christi in der Einsamkeit gedachte, so geschah es mehr mit dem hochmütigen Sinn eines Schutzherrn, der sich etwa eines armen Teufels annimmt und ihm im Vertrauen sagt: »Lieber, du machst mir viele Mühe!«
»Ich empfand endlich, daß ich ein beifallsdurstiger Wohlredner und Schwätzer geworden sei, ohne es zu merken; daß ich, wenn ich nicht den goldenen Schlüssel eines wirklichen jenseitigen Gotteswortes besaß, vom Geheimnis meines Nebenmenschen nicht mehr verstand und nicht mehr Gewalt über sein Gemüt hatte, als ein Kind, ja, daß ich wegen der Halbwahrheit und des Doppelsinns meiner Worte auch einem Kinde gegenüber in schlimmer Lage war.
»Ich fing an, mich des gedankenlosen Beifalls zu schämen, der mir entgegengetragen wurde; dazu war es mir des Handwerks wegen unmöglich, meine Gedanken für mein stilles Inneres, für den eigenen Frieden zu ordnen, weil sich das mit der lauten Gewaltsamkeit und den Anforderungen des Standes nicht vertrug, und darum wollte ich ihn verlassen und meinen fadenscheinigen Reformatorenrock an den Nagel hängen.
»Das ist mir nun unmöglich geworden, wenigstens für jetzt, weil ich mich, indem ich auf dem Wege des Reichtums fliehen wollte, sogar der Mittel beraubt habe, eine nährende Existenz mit einiger Sicherheit zu gründen.«
Justine saß wie versteinert; sie war gekommen, Rat und Beistand zu holen, und sah wieder eine Stütze, einen Lebensinhalt dahinsinken; denn wie ein Blitz leuchtete es in sie hinein, wie es mit diesen Dingen stand und warum sie selbst im Unglück ihre bunte Kirche nicht gesucht hatte. Eine bittere Qual stieg in ihrer arbeitenden Brust auf; aber sie konnte derselben nicht nachgeben, weil ein noch stärkeres Mitgefühl jetzt gefordert wurde, als der Geistliche in Tränen ausbrach und sagte:
»Heute ist mir nun das Äußerste widerfahren, ich bin von einem Sterbebette hinweggewiesen worden! Eine zähe Greisin ringt seit vielen Stunden mit dem Tode, welche eigensinnig alle ihre Kinder wiederzusehen hofft, besonders ihren im Elend gestorbenen ältesten Sohn. Ich komme hin, voll Sorgen und zerstreut, und halte, indem ich mich anschicke, meine selbstverfaßten, wie Sie wissen, etwas pantheistisch klingenden Sterbegebete zu verrichten, auf ihre an mich gerichteten Fragen nach der Gewißheit des ewigen Lebens haltlose, unsichere Reden, so daß die Sterbende mir den Rücken kehrt und die Umstehenden, vom Arzte unterstützt, mich zur Seite führen und leise ersuchen, meine seelsorgerische Funktion hier einzustellen.«
Diesen Vorgang erzählte der Pfarrer mit abgebrochenen Worten und bedeckte am Schlusse das Gesicht mit seinem Taschentuche. Er war so erschüttert, weil keiner auch von einer unbeliebten Berufsart sich gerne nachsagen läßt, daß er sie nicht nach den Regeln der Kunst auszuüben verstehe.
Auf die entsetzte Justine machte die Szene einen Eindruck, als ob sie einen Berg einstürzen sähe. Was ihr einen felsenfesten Bestand zu haben schien, sah sie wanken und vergehen mit dem Selbstvertrauen dieses Priesters und beim Anblick seiner Tempelflucht. Sie empfand wohl die drückende Wucht, welche in dem unscheinbaren, noch verborgenen Vorgang lag, der da, dort, an hundert Punkten vielleicht bald sich wiederholte, aber sie verstand dessen allgemeine Bedeutung nicht und fühlte nur den schmerzlichen Druck.
Verwirrt, ratlos ging sie fort, ohne ihr Anliegen, das sie hergeführt, vorzubringen oder den Pfarrer mit Trostreden beruhigen zu wollen. Erst auf der Straße, je mehr sie die Äußerungen des Geistlichen überdachte und mit frühern vereinzelten Worten und Vorfallenheiten zusammenhielt, fing es sie recht an zu frieren. Sie ward inne, daß sie zunächst keine Kirche mehr hatte, und in ihrem Frauensinne, durch die Macht der Gewohnheit wurde es ihr zu Mut wie einer verirrten Biene, welche in der kalten Herbstnacht über endlosen Meereswellen schwebt. Vom Manne verlassen, das Gut verloren, und nun auch noch ohne kirchliche Gemeinschaft: das alles zusammen schien ihr einer fast ehrlos machenden Ächtung gleich zu kommen.
Die Kirchenlosigkeit, so äußerlich ihre Kirchlichkeit gewesen, schien ihr alle übrige Mißwende einzuschließen und zu besiegeln, und merkwürdigerweise glaubte sie jetzt dem Pfarrer aufs erste Wort, daß nichts in seinem Tabernakel sei, während sie ihres Mannes Anschauungen nie hatte annehmen wollen, eben weil er keine geistliche Autorität für sie besaß.
Sie wandelte lautlos nach Hause, nahm dort, um die nächste Stunde zuzubringen und auszufüllen, ein Strickzeug und setzte sich damit an ein Gartentor dicht an die Straße, wie um zu zeigen, daß sie noch da sei und sich nicht zu scheuen brauche. Aber sie sprach mit niemandem und sah bleich auf ihre Arbeit, während ihre Lippen mechanisch die Strickmaschen zählten.
Der Abend nahte heran, auf dem still glänzenden See fuhren Schiffe heimwärts und auf der Straße wanderten Arbeitsleute vorüber, ohne daß Justine aufblickte, bis ein steinaltes Weiblein, welches mühselig daher gepilgert kam, vor ihr stillstand, um auszuruhen und Atem zu holen. Das Wesen trug einen hohen gelben Strohhut auf dem Kopfe, einen kurzen roten Rock und solche Strümpfe, auf dem gekrümmten Rücken ein weißes Säcklein und in der Hand einen Stab und stellte sich so als eine Pilgerin dar, die aus ferner Gegend kommend nach dem berühmten Wallfahrtsorte wanderte, der wenige Stunden weiter im Gebirge gelegen war.
Als Justine sah, daß das Mütterchen kaum mehr stehen konnte, hieß sie dasselbe zu ihr auf die Bank sitzen. »Das will ich gern tun, wenn Ihr’s erlaubt, schöne Frau!« sagte die Pilgerin und säumte nicht, sich neben ihr niederzulassen. Auch kramte sie sogleich in ihrem Reisesack und zog ein Stück Brot hervor, indem sie sich nach einem Brunnen umsah, der ihr einen Trunk Wasser dazu böte. Justine holte aber ein Glas guten alten Weines im Hause und gab es ihr, und sie labte sich vergnüglich daran.
»Warum geht Ihr in Eurem Alter so allein auf der heißen, harten Straße, während alle andern Wallfahrer auf der Eisenbahn und den Dampfschiffen reisen und bequemlich beieinander sitzen?« fragte Justine.
»Ei, das wäre ja kein Verdienst und kein Opfer für mich arme Sünderin!« antwortete die Pilgerin; »die andern, die reisen heutzutage mehr zur Lust und aus Vorwitz und verrichten allenfalls am Gnadenort ein nützliches Gebet. Ich aber wandere auf meinen alten Füßen zur allerseligsten Maria Mutter Gottes, und da bin ich nicht nur vor ihrem heiligen Altare bei ihr, sondern auf dem ganzen langen Wege begleitet sie mich auf jedem Schritt und Tritt und hält mich aufrecht, wenn ich sinken will, wie eine gute Tochter ihre alte schwache Mutter! Eben jetzt hat sie mir durch Eure weiße Hand diesen stärkenden Trunk gereicht! Wenn Ihr wüßtet, wie süß und lieb sie ist, wie schön, wie glänzend! Und welche Macht besitzt sie, welche Klugheit! Für alles weiß sie Rat und alles kann sie!«
Während solcher Lobpreisung ließ das Mütterchen seinen Rosenkranz nicht einen Augenblick aus der Hand. Neugierig sah ihr Justine zu, wie sie fortwährend mit den Kugeln spielte, und verlangte zu wissen, in welcher Weise man ihn gebrauche und um die Hand wickle. Die Alte zeigte es ihr sogleich und wand ihr die ärmliche Kugelschnur um die Hände. Justine hielt diese einige Augenblicke nachdenklich gefaltet und schaute so in Gedanken verloren vor sich hin; dann schüttelte sie aber langsam den Kopf und gab der Pilgersfrau ihren Rosenkranz zurück, ohne ein Wort zu sagen.
Das Pilgerweiblein wollte nun nicht länger ruhen, sondern noch ein gutes Stündlein weiter gehen, ehe es die Herberge aufsuchte, und so bedankte es sich, versprach für die gute schöne Frau ein Gebet zu verrichten, ob sie es wolle oder nicht, und wanderte auf den schwachen Füßen in den dämmernden Abend hinaus, so wohlgemut und sicher, wie wenn es zu Hause in seiner Stube herumginge.
Justine lehnte sich zurück und sah der roten, schwankenden Gestalt nach, bis sie in dem blauen Schatten des Abends verschwand.
»Katholisch!« rief sie, sich selbst vergessend, und versank wieder in tiefe suchende Gedanken; und sie schüttelte abermals das Haupt.
Aber ihre obdachlose Frauenseele suchte fort und fort; sie ging ungegessen zu ihrem Lager und brachte schlaflos die Nacht zu. Sie konnte jetzt nicht einmal mehr sagen, sie sei arm wie eine Kirchenmaus, da sie nur mehr eine wilde Feldmaus war. In dieser Not erinnerte sie sich einer kleinen armen Arbeiterfamilie, einer Witwe mit ihrer Tochter, welche im Rufe einer ganz eigentümlichen Frömmigkeit standen und unter den armseligsten Umständen einer vollkommenen Zufriedenheit und Seelenruhe genossen, so daß der Pfarrer selbst, obgleich sie einer wie er sagte törichten und unwissenden Sekte angehörten, von ihnen geurteilt hatte, sie könnten ganz gut einen Begriff von den Urchristen der ersten Zeit geben. Die beiden Personen hatten früher in Schwanau gelebt und die Tochter hatte in den Glorschen Fabriksälen gearbeitet. Justine, welche eine gewisse Zuneigung zu den Leutchen empfunden, war zu verschiedenen Malen von dem Vorsatze, dieselben zu bekehren und für ihre artig eingerichtete und verständige Kirche zu gewinnen, unwillkürlich abgestanden, sobald sie an die Ausführung hatte gehen wollen; dann waren Mutter und Tochter aus der Gegend weg und in die Nähe der Hauptstadt gezogen, und jetzt beschloß die schlaflose Justine, sie aufzusuchen und das Geheimnis ihres Friedens und ihres Glaubens zu erforschen und ihrer Glückseligkeit teilhaftig zu werden, wenn es möglich wäre. Sie beschloß auch, das schon am nächsten Tage ins Werk zu setzen.
Am Morgen, der einen schönen Tag ansagte, stand Justine denn auch in aller Frühe auf und rüstete sich zum Wandern; denn sie wollte, obschon sie beinahe drei Stunden weit zu gehen hatte, demütig zu Fuß pilgern, angeregt ohne Zweifel von dem wallfahrenden Mütterchen und weil sie so am ehesten ihren Gedanken überlassen war. Sie zog ein Paar ihrer ehemaligen starken Vorsteherinnenschuhe an, welche ihr jetzt trefflich zu statten kamen, und belud sich auch mit einem Korbe, in welchem sie für die guten Urchristen eine Gabe barg, eine Flasche guter reiner Sahne, ein frisches Weizenbrot, ein Dütchen Schnupftabak für die Mutter, welche, wie sie wußte, trotz ihrer Weltentsagung gerne ein Prischen nahm, wenn sie es haben konnte und für die Tochter ein Paar gute neue Strümpfe. So schürzte sie ihr Kleid und begab sich auf den Weg, statt des Pilgerstabs freilich einen Sonnenschirm in der Hand, der ihr nebst dem breitrandigen Strohhut genugsam Schatten gab.
Sie überlegte sich während des Gehens noch alles, was sie von den Frauen wußte, und befreundete sich immer mehr mit dem gefaßten Vorsatze.
Die Mutter Ursula war als arme Dienstmagd in die Gegend gekommen und hatte still und brav ihrer Pflicht gelebt. Allein sie liebte damals, wie sie sagte, die Welt und gab einem Sohn wohlhabender Landleute, gerührt von seiner Gutmütigkeit und Herzenseinfalt, Gehör, also daß sie sich zusammentaten, arm wie die Tierlein des Feldes, und ein Paar wurden. Denn der Mann wurde sofort von den Seinigen verstoßen und verlassen, und sie gaben ihm nicht einmal einen leeren Holzkorb mit. Sie lebten nun kümmerlich als Tagelöhner in einer elenden entlegenen Hütte und waren verlassener, als alle Robinsone auf ihren Inseln. Sie lenkten mit ihrer Einfalt und Geduld alle Hartherzigkeit der Menschen auf sich, mitten in einer reichen und christlich milden Landschaft, wie der Magnet das Eisen; alles, was von hochmütigem Mißverstand ringsum vorhanden war, schien sich vereinigt gegen die Armen zu richten, so daß einer den andern am Helfen hinderte und sie noch dazu lachten; und niemand wußte warum, wie es in der Welt so gehen kann.
Das Frauchen war aber immer noch von Weltlust erfüllt. Sie lockte eine dicke Bauernkatze, die in der Nähe der Hütte im Felde schlich, zog ihr das Pelzröcklein aus und sott sie im Wasser, um den schwarzen Hunger zu stillen; auch nahm sie sorglich das Fett ab zum Kochen einiger Wassersuppen für den Fall, daß ein wenig Mehl oder Brot ins Haus käme. Allein diese Gewalttat wurde entdeckt und die Geldbuße, welche der Frau dafür auferlegt wurde, nahm den Lohn eines ganzen Monats hinweg, welchen der Mann endlich nach langem Suchen bei einem Straßenbau hatte erwerben können. Deshalb trank derselbe in seiner gutmütigen Einfalt, auf den Rat anderer, vom nächsten Lohn sogleich einen Rausch, ehe man ihm das Geld nehmen konnte, und wurde dabei von einer unterhöhlten Erdlast erschlagen, da er nicht rechtzeitig vor dem Sturze floh. Damit war aber auch die Zeit der Sünde und der Weltlust für die Frau Ursula vorüber.
Um jene Zeit waren ärmliche namenlose Prediger erschienen, welche unter dem geringen Volke für irgend eine Sekte Anhänger suchten und die bekehrten Leute tauften. Sie lehrten das reine ursprüngliche Christentum, wie es nach ihrer Meinung ohne jede Gelehrsamkeit in der Bibel zu finden war, wenn man nur jedes Wort ganz buchstäblich und zwar in der deutschen Übersetzung, die ihnen zu Gebote stand, auffaßte. Die Hauptsache war, daß in Tat und Wahrheit ein neues geheiligtes Leben geführt werden müsse zu jeder Stunde des Tages und an jedem Orte, und daß ferner die Gläubigen unter sich einen festen Verband der Liebe und der gegenseitigen Anhänglichkeit bilden, um sich für die große Stunde des verheißenen Weltgerichtes, das bald kommen werde, zu stärken und bereit zu halten.
Diese Prediger sammelten bald eine Gemeinde um sich, bestehend aus hilfsbedürftigen dunklen Seelen, aus natürlichen Kopfhängern, aus schwachen Hochmütigen, welche selbst an ihrem geringen Orte einen Standpunkt suchten, von welchem aus sie besser sein konnten, als der Nachbar, aus guten Herzen, die ihre Liebe trieb, aus Unglücklichen, die einen Trost zu finden hofften, der ihnen anderwärts nirgends blühte. Einige von ihnen, wenn sie katholisch gewesen wären, hätten sich einfach in ein Kloster gemacht, andere, wenn es ihre Lebensverhältnisse mit sich gebracht hätten, wären Freimaurer geworden, wiederum andere, wenn sie bemittelt und gebildet gewesen wären, hätten sich irgend einem gemeinnützigen oder wohltätigen Verein oder einer gelehrten, oder einer musikalischen Gesellschaft angeschlossen, um sich aus dem Staube des gemeinen Lebens zu erheben. Alles dies ersetzte ihnen nun die stille gläubige Genossenschaft; da fanden sie nicht nur die Heiligkeit und das ewige Leben, sondern auch Kurzweil und Unterhaltung zur Genüge in fortwährendem Reden, Lehren, Disputieren, Beten und Singen.
Allein sie waren keineswegs geschätzt und beliebt, sondern von allen Seiten verfolgt und verlacht, von der Kirche, von den Freien, von den Orthodoxen, von den vornehmeren Frommen, vom Volke, von den Behörden. Besonders auf dem Lande wurden ihre Zusammenkünfte gestört und auseinandersprengt, und die Unduldsamkeit, welche sich bei ihnen selbst frühzeitig einnistete, wurde auch reichlich gegen sie geübt.
Am Orte, in welchem die arme Witwe wohnte, waren die Sektierer besonders heftig verfolgt worden, und sie durften nicht mehr im Gemeindebann sich versammeln. Sie hielten ihren Gottesdienst daher in einer Wildnis, in dem abgelegenen Gemäuer einer zerstörten Zwingburg, welche man die Teufelsküche nannte. Sie kehrten sich nicht an den neuen Spott, der hiedurch gereizt wurde, und predigten und sangen gar andächtig zwischen dem Gebüsch und Unkraut.
Ursula hörte in ihrer verfallenen Hütte eines Sonntag Abends die frommen Lieder durch die stille Luft herübertönen, just von daher, wo die goldenen Wolken über dem Walde standen. Es zog sie gar tröstlich, dem Glanz und dem Tone nachzugehen; sie nahm also ihr zweijähriges Töchterchen, das Agathchen, auf den Arm und ging, bis sie die verborgene Versammlung fand, setzte sich bescheiden auf ein Trümmerstück im Hintergrunde der Teufelsküche, das Kind auf dem Schoße in den Armen haltend, und lauschte aufmerksam auf jedes Wort, das gesprochen wurde. Verschiedene Prediger standen auf, welche neben der Verwaltung der Heilslehre jeder ein schlichtes Handwerk trieben und das Wort selbst auch ganz schlicht handhabten; denn noch kannten sie nicht einmal den theologischen Unterschied zwischen Peter und Paul, und niemand wußte hier so recht, wer eigentlich die Römer gewesen seien, deren Soldaten den Heiland gekreuzigt haben.
Im Anfang war die arme Witwe vom Schatten einer Haselstaude bedeckt; doch wie die Sonne tiefer sank, überstreute sie die Witwe und das Kind mit spielenden Lichtern, und zuletzt leuchtete das Bild ganz übergüldet aus dem feurigen Grün heraus. Dadurch fiel es dem Manne in die Augen, der eben predigte. Er unterbrach sich, als er die still aufhorchende Frau sah, und hieß sie mit lauter Stimme näher kommen und in dem Kreise der Gläubigen Platz nehmen, also daß die ganze Gemeinde den Kopf wandte und die Fremde wahrnahm.
Diese rührte sich aber nicht und blieb schüchtern sitzen, bis von einer Reihe von fünf oder sechs älteren Waschfrauen, die an hervorragender Stelle feierlich auf einem Baumstamme saßen, wie ebensoviel Bischöfe, eine sich erhob und das verlorene Schäflein mit seinem Jungen abholte und an der Hand herbeiführte.
So war sie nun in die Gemeinde aufgenommen und wuchs mit ihrem Kinde zu einem angesehenen Mitgliede derselben heran, eigentümlich und verschieden von allen andern, wie aus dem gleichen Erdreiche je nach ihrer Art die verschiedensten Pflanzen wachsen.
Die Waschfrauen zunächst einverleibten sie ihrem Verbande und verschafften ihr genügende Arbeit, so daß sie eine Wäscherin im Herren wurde, welche in den Häusern vierzig Jahre lang ohne Aufhören schaffte und sich abmühte Tag und Nacht, bis ihre Kräfte mehr als erschöpft waren. Während dieser Zeit hatte die Gemeinde sich längst Duldung errungen und zu einer gewissen Stattlichkeit entwickelt; die Glieder waren alle, durch gegenseitige Hilfe und geordnetes Leben emporgehalten, in einem behaglichen Zustande; die Prediger stellten sich schon mehr als Geistliche mit einiger Gelehrsamkeit dar und trugen bessere Röcke; die Versammlungen fanden in einem hellen freundlichen Betsaale statt, auch wurde der Landeskirche sowohl als andern sich ausbreitenden Sekten gegenüber schon eine kleine Kirchenpolitik getrieben.
Ursula aber und Agathchen, ihre Tochter, blieben sich immer gleich, verharrten in der Einfalt der ersten Zeit und wurden ohne ihr Wissen Musterbilder menschlicher Frömmigkeit. Die Tochter war schwach und kränklich von Körper; sie haspelte lange Jahre Seide in den Arbeitsräumen des Glorschen Hauses und lebte so mit ihrer Mutter zusammen, welche wusch. So lange sie so fortarbeiten konnten, erwarben sie zur Genüge, wessen sie bedurften, konnten ihren Religionsgenossen helfen und beisteuern, wo es not tat, und ließen sich nicht suchen; und darüber hinaus hatten sie immer noch kleine Mittel, sich freundlich und dankbar zu erweisen gegenüber der Welt, für jeden kleinen Dienst, für jede Freundlichkeit, die ihnen erwiesen wurden. Sie verstanden ohne Absicht die Kunst, in der Armut reich zu sein, allein durch die unaufhörliche Arbeit und die eigene Genügsamkeit und Zufriedenheit. Der einzige Krieg, welchen sie unter sich führten, bestand in dem gegenseitigen Wetteifer mit eben solchen Freundlichkeiten und Wohltaten, wie sie den Fremden erwiesen, weil jedes, sobald es empfangen sollte, sich dagegen wehrte und behauptete, das sei unnötig und übertrieben.
Sonst lebten sie im tiefsten Frieden mit aller Welt. Jede Kränkung verziehen sie im Augenblicke der Tat und erwiderten nie ein rauhes Wort im gleichen Tone, da sie aus ihrer Frömmigkeit eine Selbstbeherrschung schöpften, welche sonst nur durch Geburt und Erziehung erworben wird. In gleichem Sinne unterdrückten sie ohne Anstrengung unbescheidene Neugierde und Tadelsucht und wie alle die kleinen Gesellschaftslaster heißen, und gegen die Ungläubigen und Weltkinder waren sie umso wohlwollender und duldsamer, je sicherer sie zu wissen glaubten, daß dieselben tief unglücklich, wohl gar verloren seien.
Das Unrecht nahmen sie hin, ohne sich seiner gerade zu erfreuen, aber auch ohne es zu bestreiten. Brüder des verstorbenen Mannes und Vaters hatten sich emporgeschwungen und lebten scheinbar in Wohlhabenheit und Ansehen, ohne das kleine Erbe, das dem Kinde und seiner Mutter zukam, jemals herauszugeben oder ihnen auch nur einige Zinsen davon zu gönnen. Die Hochfahrenden waren eben stets in Geldsachen gedrückt und mochten die mäßigsten Summen nicht entbehren, das aber nicht eingestehen und stellten sich daher, als anerkennten sie das Recht nicht, so klar es war. Es hätte die zwei Frauen nur ein Wort gekostet, jene dazu zu zwingen und ihr öffentliches Ansehen bloßzustellen; allein sie waren selbst von ihren Glaubensgenossen nicht dazu zu bewegen und blieben, so lange sie lebten, die armen geduldigen Gläubiger der hochfahrenden ungerechten Verwandten, so daß in Wahrheit man sie die Reichen und diese die Armen nennen konnte.
Mit der Zeit nun waren sie älter und alt geworden; die Arbeit fing an ihnen beschwerlich, ein tägliches Leiden zu werden, ohne daß sie sich derselben entschlagen wollten, und die kränkliche Tochter strengte sich doppelt und dreifach an, um der Mutter wenigstens die nötigste Erleichterung verschaffen zu können, und bei alledem blieben sie heiter und gefaßt und gewährten eher immer noch anderen Trost und kleine Hilfsleistungen, als daß sie solche beanspruchten.
Um diese Zeit kam das große Unglück über das Haus Glor, wo die zahlreichen Arbeiter über Bedürfnis und Vermögen hinaus fort beschäftigt wurden. Während nun manche solcher Arbeiter, die Haus und Hof besaßen und von der Sachlage wohl stille Kenntnis hatten, ihren Verdienst ruhig weiter bezogen und die Ärmeren vollends ihr Auskommen wie eine Schuldigkeit nach wie vor forderten, machte sich das arme schwache Agathchen allein ein Gewissen daraus.
Sie und ihre Mutter sagten sich, daß die verunglückten Herren mit jedem Tagelohn, den sie weiter auszahlten, ein gezwungenes Opfer brächten, welches sie nicht annehmen dürften oder wollten; sie beschlossen, ohne alle Überhebung, sondern aus reiner Güte, diesem Opfer aus dem Wege zu gehen, und zogen wirklich aus der Gegend hinweg. Agathchen, das alternde Mädchen, hatte freilich dabei noch den geheimen Plan, die Mutter ihrer Kundschaft zu entführen, bei deren Bedienung sie anfing zusammenzubrechen, wenn die großen Waschfeldzüge eines Morgens um drei Uhr begannen und drei Tage hindurch dauerten. Sie dachte, ein Haspel- oder Windewerk ins Haus zu bekommen, wo sie dann die ruhende Mutter den ganzen Tag pflegen und zugleich für beide arbeiten könnte.
Sie fanden in der Nähe der Hauptstadt das gesuchte Unterkommen in einem kleinen Häuschen, welches ihnen der Seidenherr zum Wohnen gab. Dieses Gebäudchen befand sich in einem entlegenen Baumgarten und enthielt zwei kleine Gemächer in der Art, daß das eine nach dem Baumgarten hinausging und nur zu erreichen war durch das andere, welches an der Landstraße lag. Jenes war ein sonniger, freundlicher Aufenthalt im Grünen, da die Wiese mit den Bäumen dicht am Fenster lag. Dieses dagegen war ein dunkles unfreundliches Gelaß, dessen Eingang zugleich die Haustüre bildete und auf die staubige Landstraße ging. Neben der Türe gab es als Fenster nur noch ein kleines vergittertes Loch in der Mauer.
In diesem finstern Aufenthalt saß ein unzufriedenes und häßliches altes Weib, welches denselben hätte räumen sollen, aber auf Bitten der frommen Frauen dort gelassen worden war. Sie selbst wohnten in dem freundlichern Gemach. Zwar hatten sie dasselbe schon einmal mit dem dunkeln Loch vertauscht, als die böse Alte sich darüber beklagte und zankte, und diese in das helle Stübchen sitzen lassen; allein hier hatte sie wiederum nicht bleiben wollen, weil sie den Eingang nicht bewachen und nicht sehen konnte, was auf der Straße vorging. Die beiden Geduldüberinnen hatten also doch wieder nach hinten ziehen müssen, und sie wohnte wiederum im Loch, wo sie unaufhörlich schalt und drohte und die Ein- und Ausgehenden belauerte, ausfragte und gegen die guten Leutchen einzunehmen versuchte. Denn sie hatten allerlei Zuspruch von Freunden und solchen, welche eines friedlichen Wortes bedürftig waren. Sie teilten auch alle kleinen Liebesgaben, die sie etwa erhielten und mit aufrichtigem Danke annahmen, sogleich mit dem Ungetüm, das die Teilung jedoch unwirsch abmaß und grob zurückwies, wenn sie ihm nicht rasch und pünktlich genug schien.
Sie fürchteten aber das Unwesen keineswegs und lebten in dessen Nähe, wie etwa fromme Einsiedler in der Nachbarschaft eines wilden Tieres oder eines schreckhaften Dämons.
Dies Weib war nun jene Sibylle der Verleumdung, welche man das Ölweib hieß, und die Jukundus Meyenthal aufsuchen wollte, um dem Unheil auf den Grund zu kommen, das er in der fröhlichen Nacht entdeckt hatte.
Als Justine das Häuschen erfragt und jetzt hergewandert kam, saß das Ölweib vor der Türe an der Straße und scheuerte mürrisch ein Pfännchen.
Die Sage erzählt, daß zur Zeit, als Attila mit seinen Hunnen erschien, in der Nähe von Augsburg eine wegen ihrer abscheulichen Häßlichkeit verbannte Hexe wohnte, welche dem zahllosen Heere, als es über den Lech setzen wollte, ganz allein und nackt auf einem abgemagerten schmutzigen Pferde entgegengeritten sei und »Pack dich, Attila!« geschrieen habe, also daß Attila mit dem ganzen Heere voll Schrecken sich stracks gewendet und eine andere Richtung eingeschlagen habe, und so die Stadt von der verstoßenen Hexe gerettet und diese mit einem guten neuen Hemde belohnt worden sei. Aber diese Hexe hier verdiente um ihr Vaterland schwerlich ein neues Hemd.
Auch Justine wäre beinahe umgekehrt und entflohen, als sie das Ölweib vor der Türe sitzen sah mit dem großen viereckigen, gelblichen Gesicht, in welchem Neid, Rachsucht und Schadenfreude über gebrochener Eitelkeit gelagert waren, wie Zigeuner auf einer Heide um ein erloschenes Feuer.
Die Unholdin zischte die schöne und stattliche Justine an und fragte sie, indem sie sich aufrichtete, wohin sie wolle, was sie bei den Leuten zu tun habe; aber Justine faßte Mut und drang bei ihr vorbei durch die Finsternis und stand plötzlich bei den friedlichen Frauen im Sonnenschein, das frische Grün vor den Augen.
»Ei wie schön ist es hier!« rief sie, indem sie Korb und anderes abstellte, den Hut weglegte und sich setzte. Ursula und Agathe hingegen gerieten vom Erstaunen über die Überraschung in die herzlichste Freude hinein. Ursula saß gichtbrüchig in einem Lehnstuhle und konnte sich nicht erheben; Agathchen aber ließ ihr halbes Dutzend Haspelchen, die sich mit glänzend roter Seide in der Sonne drehten, stille stehen. Eine vornehme gelassene Herzlichkeit verklärte das bleiche Gesicht der Tochter, die doch keine vornehme Erziehung genossen hatte. Justine bemerkte, daß auch sie nicht ganz sicher auf den Füßen stand; Agathchen erklärte lächelnd, daß diese sie freilich etwas zu schmerzen anfingen und zuweilen ein bißchen geschwollen würden. Aber sie klagte, so wenig wie die Mutter, mit einem einzigen Wörtchen. Vielmehr beschrieben sie mit unschuldiger Heiterkeit die schnurrige Hexe vor der Türe, als Justine nach der unheimlichen Erscheinung fragte, und wie man Geduld mit der armen Kreatur haben müsse, welche von bösen Geistern bewohnt und gewiß leidend genug sei.
Wie erstaunten sie aber, als Justine ihre einfachen Geschenke hervorholte. Die Strümpfe hätten dem Agathchen nicht willkommener sein können; denn es gestand, daß es doch fast keine Zeit mehr finde zum Stricken, besonders seit die Augen des Nachts beim Lämpchen nicht mehr recht sehen wollten. Ihrerseits hatte die Mutter das Päcklein frischen Schnupftabak schon geöffnet und mit einer beinahe zu lebhaften Befriedigung ihr kleines Horndöschen damit gefüllt. Hier war der einzige Punkt, wo das Kind die Mutter ein wenig beherrschte, indem es ihr nicht ganz so viel von der schwärzlichen Weltlust zukommen ließ, wie sie vielleicht, im Rückfall in ihre Jugendsünden, zu verbrauchen im stande gewesen wäre. Doch lächelte jetzt Agathchen selbst gegen Justine hin, als die Mutter die frische Prise so fröhlich zu sich nahm.
Von der Sahne aber füllte Agathchen sogleich eine Schale und schnitt ein Stück von dem weißen duftigen Brot, um es dem armen Weib draußen zu bringen. »Nicht so rasch!« sagte die Mutter leise, »damit sie nicht überrumpelt wird, wenn sie wieder an der Türe horcht! Tritt ein bißchen laut auf mit den Füßen!«
»Ach, sie tun mir ja zu weh, wenn ich damit stampfe!« erwiderte die Tochter und lachte selbst zu dem harmlosen Betrug, welchen sie spielen sollte. Doch hustete sie, ehe sie die Türe aufmachte, ein weniges, und richtig sah man draußen in der Dämmerung des Vorraumes die unförmliche Gestalt des Weibes hinhuschen, behender als man von ihr erwartete.
Als es nun wieder stille war, wollten Mutter und Tochter doch wissen, auf welche Weise die junge Herrenfrau hieher gekommen sei und wohin des Weges sie gehe; denn sie bildeten sich nicht ein, daß sie nur zu ihnen allein so weit her habe kommen wollen.
Die Sonnenlichter, mit den Schatten der schwankenden Baumzweige vermischt, spielten auf dem Boden und an den Wänden des kleinen Stübchens; vor den offenen Fenstern summten die Bienen und ein grünes Eidechschen war von der Wiese heraufgeklettert und guckte neugierig in das Gemach; ein zweites gesellte sich dazu und beide schienen der Dinge gewärtig, die da kommen sollten. Justine sah alles und fühlte diesen Frieden; aber sie fand keinen rechten Mut, die Stille zu unterbrechen, bis sie zu weinen anfing und nun bedrängt und beklemmt den Frauen anvertraute und erzählte, daß sie religionslos geworden sei und bei ihnen Rat und Aufschluß suche, worin ihr Glück bestehe und woher ihr Seelenfrieden komme. Sie hoffte ein Neues, noch nicht Erfahrenes, Übermächtiges zu erleben, dem sie sich ohne weiteres Grübeln hingeben könne. Sogleich tat die Ursula ihr Tabaksdöschen weg und Agathe legte nieder, was sie eben in den Händen hatte; beide sahen sich erschrocken an, falteten unwillkürlich die Hände und Justine sah, wie jedes für sich leise betete und die Lippen bewegte, Agathchen mit rinnenden Tränen, die Mutter aber mit der ruhigeren Fassung des Alters. Keines getraute sich, ein Wort zu sagen; sie waren ganz erschüttert von der an sie herangetretenen Forderung, eine gelehrte und glänzende Person für das Heil zu gewinnen, und doch war die himmlische Fügung nicht zu verkennen und anzuzweifeln.
Ursula fing zuerst langsam an, einige Worte zu sprechen, während Agathchen einen Schemel zu Justinen hinschob, sich zu ihren Füßen setzte und ihre Hände ergriff und streichelte. Denn Justine war längst ihre geheime Liebe und der vornehmste Gegenstand all ihres Wohlwollens und ihrer Bewunderung gewesen.
Indessen kam die Sache in den gesuchten Gang, die Zungen lösten sich, und nun wetteiferten die beiden Wesen, dem Weltkinde die große Angelegenheit darzutun und einander das Wort abzunehmen und zu ergänzen, wie zwei Kinder, welche einem dritten das soeben von der Großmutter gehörte Märchen erzählen.
Aber es war nichts Neues und Unerhörtes, was sie vorbrachten, sondern die alte harte und dürre Geschichte vom Sündenfall, von der Versöhnung Gottes durch das Blut seines Sohnes, der demnächst kommen werde, zu richten die Lebendigen und die Toten, von der Auferstehung des Fleisches und der Gebeine, von der Hölle und der ewigen Verdammnis und von dem unbedingten Glauben an alle diese Dinge. Das alles erzählten sie wie etwas, das niemand so recht und gut wisse, wie sie und ihre Gemeinde, und sie brachten es vor nicht mit der menschlich schönen Anmut, die ihnen sonst innewohnte bei allem, was sie taten und sagten, sondern mit einer hastigen Trockenheit, eintönig und farblos, wie ein Auswendiggelerntes. Bei keinem Punkte wurden die Worte weicher und milder, nirgends die Augen wärmer und belebter, selbst das Leiden und Sterben Jesu behandelten sie wie einen Lehrgegenstand und nicht wie eine Gemüts- oder Gefühlssache. Es war eine wesenlose Welt für sich, von der sie sprachen, und sie selbst mit ihrem übrigen Wesen waren wieder eine andere Welt.
Dazu redeten sie, in einfältiger Nachahmung ihrer Prediger, unbeholfen und ungefällig, ja befehlshaberisch in Hinsicht auf das bei jedem zweiten Wort wieder geforderte Glauben.
Da sah Justine, daß die guten Frauen ihren Frieden wo anders her hatten, als aus ihrer Kirchenlehre, und ihn nicht mit dieser verschenken konnten; oder daß vielmehr nur sie mit ihrer besonderen Einrichtung auf diesem dürren Erdreich hatten wachsen können, weil sie die Nahrung aus den freien Himmelslüften zogen. Sie war vergeblich hergekommen; das Herz zog sich ihr zusammen, daß es beinahe still zu stehen drohte, und sie lehnte sich auf ihrem hölzernen Stuhle zurück, um sich zu erholen, während die Predigerinnen immer noch fortsprachen. Sie erholte sich auch nach und nach, war aber immer noch weiß, wie die getünchte Wand ringsumher, und suchte sich zu besinnen, wie sie, ohne die Frauen zu kränken, die Sache beendigen und fortkommen könne.
Plötzlich ertönte vor der Türe ein häßlicher Schrei, wie wenn einer Katze auf den Schwanz getreten würde. Erschreckt eilte Agathchen hin und öffnete die Türe, daß das volle Licht in die dunkle Vorkammer drang, und man sah einen schlanken hochgewachsenen Mann, welcher das Ölweib an der Kehle festhielt und ein weniges an die Wand drückte. Beschämt und verlegen ließ er die Hexe aber sogleich wieder frei, als das Licht auf die Szene fiel, und auch aus Ekel, weil sie ihm in der Angst und Wut auf die Hand geiferte, die er nun abwischte. Jetzt ließ sich aber ein wohltönender Ausruf hören von Seite Justinens her, welche in dem Manne den Herrn Jukundus Meyenthal erkannte; der kehrte sich zu ihr und sofort fielen sich beide Gatten um den Hals und hielten sich lange umfaßt. Dann betrachteten sie sich aufmerksam und sorglich die ernsten traurigen Gesichter und gingen endlich vorderhand in das Stübchen der Frauen hinein an das Sonnenlicht.
Jukundus war, während Justine ihren Glaubensunterricht empfing, zur guten Stunde in die Höhle der Hexe gekommen. Sie hatte zuerst boshaft und zufrieden gelächelt, weil sie glaubte, der hübsche Mann und die schöne Frau hätten ein verbotenes Stelldichein bei den frommen Weibern, und diese böten endlich ihre schwache Seite dar und ein ganzer Krug voll Rosenöl werde aus diesem Abenteuer zu gewinnen sein.
Als aber Jukundus sein Verzeichnis anzuschwärzender Biederleute hervorzog, ihr sagte, um was es sich handle, in wessen Namen und Auftrag er gekommen, und sie ziemlich trocken und kurz zu fragen begann, was sie von jedem wisse oder was sich tun lasse, um denselben als Bösewicht in das verdiente Gerücht zu bringen und zur Strafe zu ziehen, sagte sie mürrisch: »Den kenne ich nicht! Die haben mir nichts getan!«
Dieses Tier hat doch wenigstens den Instinkt, nur diejenigen zu beißen, die es berührt oder gestoßen haben! dachte Jukundus und fragte, was ihr denn dieser oder jener von den früher Angefallenen getan habe?
Sie lachte sogleich heiser, als sie die Namen jener Opfer hörte und sich des gewichtigen Anteils erinnerte, welcher ihr an der lustigen Hetzjagd vergönnt gewesen. Jedoch gab sie keine Antwort auf die Frage, sondern begann mit schwerfälliger Beredsamkeit zu schildern, wie sie bei dem Aufbringen und Ausbreiten der bösen Nachreden und Anschuldigungen verfahren sei. Da brauche es zuerst nur eine bestimmte, an sich unschuldige Eigenschaft, einen Zustand, ein Kennzeichen des Betreffenden, einen Vorfall, das Zusammenkommen zweier Umstände oder Zufälle, irgend etwas, das an sich wahr und unbezweifelt sei und für die zu machende Erfindung einen Kern von Wirklichkeit abgebe. Auch seien nicht nur Erfindungen zu verwenden, sondern man könne auch mit Vorteil die von dem einen verübten Vergehen und Abscheulichkeiten auf den andern übertragen mittelst jener äußeren wirklichen Zufälligkeiten, oder das, was man selbst zu tun immer Lust verspüre oder vielleicht schon ein bißchen getan habe, einem andern anhängen. Auf solche Weise das oft unbillige Schicksal auszugleichen und zu verbessern, gewähre ein gewissermaßen göttliches Vergnügen, wie zum Beispiel wenn man von zwei Menschen den einen wohl leiden möge, den andern hasse, der erste aber ein armer, böser mißlungener Schwerenöter, der letztere ein unerträglicher Rechttuer sei, der nichts an sich kommen lasse. Da fühle man sich dann so recht wie eine Vorsehung, wenn man die Unreinlichkeiten und Gebrechen des guten Freundes und Dulders diesem abzunehmen und dem widerwärtigen Rechthaber aufzubürden verstehe. Ja, es sei etwas Großes, mit einem ausgestreuten Wörtlein ein stolzes Haus in Schmach und Ungemach zu stürzen, größer, als wenn ein Zauberer einen Sturm erregen und Schiffe auf dem Meer untergehen lassen könne.
Bei diesen Reden verriet das Weib weit mehr Welt- und Personenkenntnis, als ihr ungefüges Äußere und die ärmliche Lage hätten erwarten lassen; aber alle diese Kenntnis war verkümmert und verkrüppelt und wucherte nur um die Oberfläche der Dinge herum, wie ein Moosgeflecht. Auch glich sie trotz ihrer Verschmitztheit zuweilen einem Kinde, welches in Unwissenheit mit dem Feuer spielt und dabei eine Stadt anzündet.
Den oft verworrenen Worten und Anspielungen war mit Mühe zu entnehmen, daß das Weib den eigenen Eltern oder Großeltern vorwarf, eine vornehme Herkunft verläppert und sie dem Elend und der Dunkelheit ausgesetzt zu haben, daß sie einst mit einem Schuster verheiratet gewesen, der lang mit ihr gerungen, sie aber zuletzt besiegt und fortgejagt hatte, und daß sie sich jetzt mit Hausieren ernährte, indem sie bald diese, bald jene Ware ausfindig machte, mit welcher sie, wenn sie aufgelegt war, in allen Gassen herumstreichen, von Haus zu Haus schleichen und ihrem finstern Treiben obliegen konnte.
Plötzlich unterbrach sich die Hexe in ihrer Rede und verlangte nochmals die Namen derjenigen zu sehen, die neuerdings verleumdet werden sollten, denn sie hatte über ihrem Reden unversehens Lust bekommen, wieder zu handeln und Vorsehung zu spielen.
Jukundus gab ihr den Zettel in die Hände, um zum letzten Überfluß noch zu sehen, wie sie im einzelnen zu Werke ging, nachdem er sich im allgemeinen schon überzeugt hatte, auf welcher Grundlage die große öffentliche Verfolgung aufgebaut sei.
Gleich beim ersten Namen, der einem ehrlichen Bürgersmann angehörte, rief sie: »Halt, den kenne ich doch! Wie konnte ich den übersehen? Das ist ja der saubere Herr, der mich einmal aus dem Hause gewiesen hat, als ich in seiner Küche mit den Dienstboten sprach! Der hat rasch hintereinander mehrere Erbschaften gemacht und ist reich geworden, während arme Verwandte am Hungertuch nagen! Der wird ein artiger Erbschleicher sein, wenn man die Sache näher untersucht und in einen vernünftigen Zusammenhang bringt. Denn ein paar alte Basen von ihm, die er beerbt hatte, sind unvermutet gestorben, ja, was sage ich? Sein eigener Vater ist vor ein paar Jahren gestorben, ohne daß er sehr alt oder krank war, höchst wunderlich!«
Jetzt erschrak aber Jukundus über die Folgen seines Tuns und er entriß der Alten den Zettel, indem er rief: »Schweigt still, abscheuliche Ölhexe! und untersteht Euch nicht, ein einziges Wort von alledem zu wiederholen, was Ihr da lügt, oder Ihr habt es mit mir zu tun!«
»Mit Euch?« erwiderte die Unholdin, die ihn plötzlich mit aufgerissenen Augen anglotzte und dann zischte: »Was ist’s mit Euch? was willst du eigentlich von mir, du Hund? Du verfluchter Spion? Willst du mich bestechen und zu Schlechtigkeiten mißbrauchen? Wart, dich wollen wir schön in die Mache nehmen! Man kennt dich schon! Man kennt dich schon, du erzschlechter Kerl!«
Von der häßlichen Wut des Weibes und dem ungeheuerlichen Gesicht, das sie zeigte, gereizt, packte Jukundus, der sich schon zum Gehen gewandt hatte, sie einen Augenblick, sich vergessend, am Kragen und entlockte ihr eben dadurch den Schrei, welcher das Wiedersehen mit Justinen herbeiführte, so daß er die Verletzung des morgenländischen Gebotes:
welches ihm nachher einfiel, schließlich doch nicht bereute.
Ursula und ihre Tochter waren von dem Zusammentreffen der getrennten Gatten in ihrer Wohnung gerührt und erfreut; sie betrachteten es als eine weitere Fügung Gottes, wobei ihnen zweifelhaft erschien, ob die begonnene Glaubenslehre ihren Fortgang haben werde; denn sie trauten dem Herrn Meyenthal nicht ganz. Sie stellten daher die Sache einem Höheren anheim und schwiegen jetzt bescheiden von derselben; sogleich nahm auch Ursula ihr Tabaksdöschen wieder zur Hand.
Jukundus und Justine sprachen indessen nicht viel und trachteten, ins Freie zu kommen. Nachdem sie über ihr Zusammentreffen an diesem Orte das Nötigste sich erklärt hatten, verabschiedeten sie sich von den guten Christinnen, die Jukundus noch wohl kannte, und versprachen ihnen weitere Nachricht und Teilnahme. Als sie durch das Gelaß des Ölweibes gingen, war dieses nicht zu sehen und mußte sich versteckt haben. Doch kaum waren sie auf der Straße, so erschien ihr Gesicht unter dem Gitterfensterchen, wo sie ihnen greuliche Schimpf- und Drohworte nachrief. Doch sie hörten nichts davon, da sie genügsam mit sich selber beschäftigt waren und mit einem neuartigen Glücksgefühl, doch immerfort in tiefem Ernste, nebeneinander hingingen.
Jukundus hatte in einem Gasthause ein Pferd stehen, auf welchem er die ziemlich weite Strecke hergeritten war; Justine hatte mit einem Bruder verabredet, auf einem aus der Stadt kommenden Dampfboote an der nächsten Landungsstelle zur gemeinsamen Rückfahrt zusammenzutreffen. Sie verabredeten daher, sich am nächsten Morgen wieder zu sehen und zwar bei den Großeltern auf dem Berge bei Schwanau, wohin Jukundus sich in aller Frühe aufmachen sollte. Dort wollten sie den ganzen Tag zubringen und sich aussprechen. So gingen sie für heute voneinander und blickten sich dabei treuherzig und innig in die Augen, aber immer im tiefsten Ernste.
Der folgende Tag war ein Sonntag, der mit dem schönsten Junimorgen aufging. Justine war mit der Sonne wach; sie rüstete und schmückte sich, als ob es zu einem Feste ginge, indem sie gegen ihre letzte Gewohnheit das Haar in reiche Locken ordnete, ein duftiges helles Sommerkleid anzog, auch den Hals mit etwelchem feinen Schmucke bedachte. So ging sie, ungesehen von den noch schlafenden Ihrigen, den Weg nach der Höhe, das Gesicht leicht gerötet und rüstigen Schrittes. Die Großmutter war über ihre jugendliche und reizende Erscheinung ganz verwundert und auch zufrieden mit der Wendung, welche das Schicksal zu nehmen schien. Sie zwang, da sie beim Frühstück saß, die Enkelin, die noch nichts genossen hatte, eine Schale Kaffee zu trinken. Doch ruhte Justine nicht lange, sondern brach wieder auf, um auf dem Bergwege, auf welchem Jukundus kommen mußte, ihm entgegen zu gehen. So wandelte sie in bänglich froher Erwartung in die Sonntagsmorgenstille hinein. Die Erde war überall, wo man hinsah, mit Blumen bedeckt, von den eben verblühenden Bäumen wehten die Blüten hinweg, wenn ein Lufthauch sich erhob. Jetzt begannen die Kirchenglocken in der Nähe und in der Ferne zu läuten, rings um den langhin gedehnten See, in den weißschimmernden Ortschaften; die tiefen vollen Töne der mächtigen Glocken flossen zusammen und erfüllten weit und breit die Luft wie ein unendliches Klangmeer, welches an das klopfende Herz Justines hinanschwoll und es in seine Tiefe zurückzuziehen drohte. Allein sie kehrte nicht zurück, sondern eilte, getragen von den tönenden Wogen, dem Manne entgegen, der jetzt im Scheine der Morgensonne raschen Schrittes herankam. Sobald sie einander gewahrten, kehrte das verloren gewesene Lachen in ihre Gesichter zurück, und sie umarmten und küßten sich herzlich.
Ohne darauf zu achten, wohin sie gingen, gerieten sie auf einen Waldpfad und bestiegen Arm in Arm die oberste Höhe des Berges, während sie in gegenseitigem Geplauder sich alles erzählten, was ihnen widerfahren und was sie gelebt und gedacht über die Zeit ihrer Trennung. Das Glockengeläute verlor sich indessen allmählich durch die hinter ihnen liegenden Waldungen, sowie durch das endliche Aufhören, und als der letzte Ton mit einem einzelnen Nachschlag verhallte, wurden sie doch der tiefen Stille inne, welche jetzt eintrat. Sie befanden sich am Rande einer geräumigen Waldlichtung, die eine schön gepflegte Baumschule umfaßte. In wohlgeordneten Reihen standen Tausende und wieder Tausende von winzigen Weißtännchen, Rottännchen, Fichtchen, Lärchlein, kaum drei bis vier Zoll hoch, die ihre hellgrünen Köpfchen emporstreckten und einer festlichen Versammlung vieler Kleinkinderschulen glichen. Dann standen die gereihten Scharen kniehoher, dann brusthoher Bäumchen, wie wackere Knabenschulen, bis ein Heer mannshoher Buchen-, Eichen- und Ahornjünglinge folgte und im Rücken derselben die schützende Gemeinde der alten Hochwaldbäume die Versammlung abschloß. Die ganze Pflanzschule war so sorgfältig und zierlich gehalten wie der Garten eines großen Herren, obwohl sie nur einer bäuerlichen Genossenschaft gehörte; die feierliche Stille erhöhte den überraschenden Eindruck, welchen der Anblick einer liebevollen Sorge hervorbrachte, die nicht mehr für das eigene Leben, sondern für ein kommendes Jahrhundert, für die Enkel und Urenkel waltete.
Im durchsichtigen Schatten junger Ahornstämmchen war von den Forstleuten eine Ruhebank angebracht worden, auf welche Jukundus und Justine sich niederließen, den tröstlichen Anblick schweigend und ruhevoll genießend.
»Siehst du,« sagte endlich Jukundus, indem er Justinens Hände ergriff, »so wie wir uns nur wieder gefunden haben, sehen wir gleich, daß die Welt überhaupt nicht so schlimm ist, als sie sich gerne stellen möchte. Alle diese hastigen und harten Selbstsüchtigen geben sich eigentlich doch alle ihre Mühe nur für ihre Kinder und erfüllen sogar Pflichten der Vorsorge für die ihnen unbekannten künftigen Geschlechter!«
»Hast du mich auch noch ein bißchen lieb?« erwiderte Justine, welche in diesem Augenblicke nur für sich sorgen mochte. Jukundus blickte in die Ferne und sah durch ein paar Tannenwipfel hindurch eine Spanne des blauen Horizontes mit einem länglichen weißen Gebäude schimmern, das mehr zu ahnen als zu erkennen war.
»Kannst du jenes weißglänzende Ding sehen?« sagte er, »es ist einst ein Kloster gewesen, das vor siebenhundert Jahren ein Rittersmann zum Gedächtnis seiner Frau gestiftet hat, als sie ihm gestorben war. Er selbst ging in das Haus hinein und verließ es in seinem Leben nicht wieder. So lieb bist du mir wie dem seine Frau war, obgleich ich in kein Kloster gehen würde, wenn ich dich verlöre. Aber der ganze glänzende und stille Weltsaal wäre für mich das Gotteshaus deines Gedächtnisses, deine Grabkirche! Doch laß uns nun den kleinen Ehrenhandel schlichten, der noch zwischen uns schwebt. Zur Buße und Sühnung sollst du mir jenes grobe Wort noch einmal sagen, das uns entzweit hat, du gröbliches Liebchen, aber mit lachendem Munde, damit es seinen bösen Sinn verliert! Schnell also, wie hieß es?«
Er legte hiebei den Arm um ihre Schultern und hielt mit der andern Hand ihr Kinn fest. Sie schüttelte aber den Kopf und verschloß, so dicht sie konnte, den Mund. Da klopfte er ihr sachte auf die Wangen, suchte ihr den Mund aufzumachen und sagte immer: »Schnell! heraus mit der Sprache, rühre dein Zünglein!« bis sie voll Zärtlichkeit und Scherz das Wort rasch, aber fast unhörbar hersagte: Lumpazi! worauf Jukundus sie küßte.
Wie sie nun so sich umfaßt hielten und eine Weile schwiegen, sagte Justine unversehens: »Jukundus, was wollen wir nun mit der Religion oder mit der Kirche machen?«
»Nichts,« antwortete er. Nach einigem Sinnen fuhr er fort: »Wenn sich das Ewige und Unendliche immer so stillhält und verbirgt, warum sollten wir uns nicht auch einmal eine Zeit ganz vergnügt und friedlich stillhalten können? Ich bin des aufdringlichen Wesens und der Plattheiten aller dieser Unberufenen müde, die auch nichts wissen und mich doch immer behirten wollen. Wenn die persönlichen Gestalten aus einer Religion hinweggezogen sind, so verfallen ihre Tempel und der Rest ist Schweigen. Aber die gewonnene Stille und Ruhe ist nicht der Tod, sondern das Leben, das fortblüht und leuchtet, wie dieser Sonntagsmorgen, und guten Gewissens wandeln wir hindurch, der Dinge gewärtig, die kommen oder nicht kommen werden. Guten Gewissens und ungeteilt schreiten wir fort; nicht Kopf und Herz oder Wissen und Gemüt lassen wir uns durch den bekannten elenden Gemeinplatz auseinanderreißen; denn wir müssen als ganze unteilbare Leute in das Gericht, das jeden ereilt!«
Justine schaute ihren Mann während dieser Reden unverwandt an und mit errötendem Gesicht, weil sie empfand, daß sie ihn längst so offen hätte zu ihr sprechen hören können, wenn sie sich eher ihm anvertraut hätte, als einem Kirchenmanne.
Mochten nun Jukundus’ Worte weise oder töricht sein, so gefielen sie ihr jedenfalls über die Maßen wohl, zum Beweise, daß sie jetzt ganz ihm angehörte.
»Amen!« sagte Jukundus, »ich glaube fast, ich fange auch an zu predigen!«
»Nicht Amen!« rief Justine, »fahre fort und sprich weiter! Denke, diese Baumschule sei deine Gemeinde und predige ihr, wie jener Heilige den Steinen oder ein anderer den Fischen!«
»Nein, die Kirche ist aus! hörst du das Zeichen?« antwortete Jukundus lachend, als wirklich in der Ferne hier und dort die Glocken die Beendigung des Gottesdienstes verkündeten.
Sie erhoben sich und gingen langsam nach der Wohnung der Großeltern, so daß es Mittag wurde, bis sie dort anlangten. Die Alten hatten aber, um ein rechtes Versöhnungsfest bei sich zu sehen, die ganze Familie aus Schwanau heraufbeschieden und ein einfach kräftiges Mahl nach ländlicher Art bereitet. Alles war versammelt, als das versöhnte schöne Paar kam. Es herrschte aber zuerst einige Spannung und Befangenheit; doch als man sah, daß das verlorene Lachen wiedergekehrt war, verbreitete sich der Sonnenschein des alten Glückes im ganzen Hause. Die Stauffacherin glänzte wie ein Stern und ergriff fest wieder das Steuer, um das wiederhergestellte Glücksschiff zu lenken.
Justine zog nun zu ihrem Mann nach der Stadt, wo er ohne Unterbrechung wohl gedieh und seine Leichtgläubigkeit in Geschäfts- und Verkehrssachen verlor, ohne deswegen selbst unwahr und trügerisch zu werden.
Sie bekamen einen Sohn und eine Tochter, welche sie Justus und Jukunde nannten und die blühende, lachende Schönheit weiter vererben werden.
Sie besuchten öfter die frommen Frauen Ursula und Agathchen, wenn sie einen Spaziergang machten, und ließen es ihnen an nichts fehlen. Das Ölweib war fortgezogen, da es die vollkommene Unschuld und Güte nicht vertrug.
Der Pfarrer, dessen schwache Stunde Justine gesehen hatte, kam zuweilen auch wieder herbei und vertraute sich dem Paare gerne an. Er führte mit schwerem Herzen noch eine Zeitlang seinen bedenklichen Tanz auf dem schwanken Seile aus und war dann froh, durch Jukundis Vermittlung in ein weltliches Geschäft treten zu können, in welchem er sich viel geriebener und brauchbarer erwies, als Jukundus selber einst in Seldwyla und Schwanau getan hatte; denn er, der Pfarrer, glaubte nicht leicht, was ihm einer vorgab.
Auflistung aller gegenüber dem Originaltext vorgenommenen Korrekturen:
Wenn die wörtliche Rede mehrere Absätze lang ist, werden neue Absätze, in denen die wörtliche Rede fortgeführt wird, im Original jeweils mit Anführungszeichen eingeleitet. Diese Anführungszeichen wurden in der Transkription entfernt.
***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE LEUTE VON SELDWYLA -- BAND 2***
******* This file should be named 28042-h.txt or 28042-h.zip *******
This and all associated files of various formats will be found in:
http://www.gutenberg.org/2/8/0/4/28042
Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed.
Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. They may be modified and printed and given away--you may do practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution.