# Das Nibelungenlied ## 16. Sechzehntes Abenteuer. Wie Siegfried erschlagen ward. Gunther und Hagen, · die Recken wohlgethan Gelobten mit Untreuen · ein Birschen in den Tann. Mit ihren scharfen Spießen · wollten sie jagen Schwein' Und Bären und Wisende: · was mochte Kühneres sein? Da ritt auch mit ihnen · Siegfried mit stolzem Sinn. Man bracht ihnen Speise · aller Art dahin. An einem kühlen Brunnen · ließ er da das Leben: Den Rath hatte Brunhild, · König Gunthers Weib, gegeben. Da gieng der kühne Degen · hin, wo er Kriemhild fand. Schon war aufgeladen · das edle Birschgewand Ihm und den Gefährten: · sie wollten über Rhein. Da konnte Kriemhilden · nicht leider zu Muthe sein. Seine liebe Traute · küsst' er auf den Mund: „Gott laße mich dich, Liebe, · noch wiedersehn gesund Und deine Augen mich auch; · mit holden Freunden dein Kürze dir die Stunden: · ich kann nun nicht bei dir sein.“ Da gedachte sie der Märe, · sie durft es ihm nicht sagen, Nach der sie Hagen fragte: · da begann zu klagen Die edle Königstochter, · daß ihr das Leben ward: Ohne Maßen weinte · die wunderschöne Fraue zart. Sie sprach zu dem Recken: · „Laßt euer Jagen sein: Mir träumte heunt von Leide, · wie euch zwei wilde Schwein Ueber die Haide jagten: · da wurden Blumen roth. Daß ich so bitter weine, · das thut mir armem Weibe Noth. „Wohl muß ich fürchten · Etlicher Verrath, Wenn man den und jenen · vielleicht beleidigt hat, Die uns verfolgen könnten · mit feindlichem Haß. Bleibt hier, lieber Herre, · mit Treuen rath ich euch das.“ Er sprach: „Liebe Traute, · ich kehr in kurzer Zeit; Ich weiß nicht, daß hier Jemand · mir Haß trüg oder Neid. Alle deine Freunde · sind insgemein mir hold; Auch verdient' ich von den Degen · wohl nicht anderlei Sold.“ „Ach nein, lieber Siegfried: · wohl fürcht ich deinen Fall. Mir träumte heunt von Leide, · wie über dir zu Thal Fielen zwei Berge, · daß ich dich nie mehr sah: Und willst du von mir scheiden, · das geht mir inniglich nah.“ Er umfieng mit Armen · das zuchtreiche Weib, Mit holden Küssen herzt' er · ihr den schönen Leib. Da nahm er Urlaub · und schied in kurzer Stund: Sie ersah ihn leider · darnach nicht wieder gesund. Da ritten sie von dannen · in einen tiefen Tann Der Kurzweile willen; · manch kühner Rittersmann Ritt mit dem König; · hinaus gesendet ward Auch viel der edeln Speise, · die sie brauchten zu der Fahrt. Manch Saumross zog beladen · vor ihnen überrhein, Das den Jagdgesellen · das Brot trug und den Wein, Das Fleisch mit den Fischen · und Vorrath aller Art, Wie sie ein reicher König · wohl haben mag auf der Fahrt. Da ließ man herbergen · bei dem Walde grün Vor des Wildes Wechsel · die stolzen Jäger kühn, Wo sie da jagen wollten, · auf breitem Angergrund. Auch Siegfried war gekommen: · das ward dem Könige kund. Von den Jagdgesellen · ward umhergestellt Die Wart an allen Enden: · da sprach der kühne Held, Siegfried der starke: · „Wer soll uns in den Wald Nach dem Wilde weisen, · ihr Degen kühn und wohlgestalt?“ „Wollen wir uns scheiden,“ · hub da Hagen an, „Eh wir beginnen · zu jagen hier im Tann: So mögen wir erkennen, · ich und der Herre mein, Wer die besten Jäger · bei dieser Waldreise sei'n. „Leute so wie Hunde, · wir theilen uns darein: Dann fährt, wohin ihm lüstet, · Jeglicher allein“ Und wer das Beste jagte, · dem sagen wir den Dank.“ Da weilten die Jäger · bei einander nicht mehr lang. Da sprach der edle Siegfried: · „Der Hunde hab ich Rath Bis auf einen Bracken, · der so genoßen hat, Daß er die Fährte spüre · der Thiere durch den Tann. Wir kommen wohl zum Jagen!“ · sprach der Kriemhilde Mann. Da nahm ein alter Jäger · einen Spürhund hinter sich Und brachte den Herren, · eh lange Zeit verstrich, Wo sie viel Wildes fanden: · was des erstöbert ward, Das erjagten die Gesellen, · wie heut noch guter Jäger Art. Was da der Brack ersprengte, · das schlug mit seiner Hand Siegfried der kühne, · der Held von Niederland. Sein Ross lief so geschwinde, · daß ihm nicht viel entrann: Das Lob er bei dem Jagen · vor ihnen allen gewann. Er war in allen Dingen · mannhaft genug. Das erste der Thiere, · die er zu Tode schlug, War ein starker Büffel, · den traf des Helden Hand: Nicht lang darauf der Degen · einen grimmen Leuen fand. Als den der Hund ersprengte, · schoß er ihn mit dem Bogen Und dem scharfen Pfeile, · den er darauf gezogen; Der Leu lief nach dem Schuße · nur dreier Sprünge lang. Seine Jagdgesellen, · die sagten Siegfrieden Dank. Einen Wisend schlug er wieder · darnach und einen Elk, Vier starker Auer nieder · und einen grimmen Schelk, So schnell trug ihn die Mähre, · daß ihm nichts entsprang: Hinden und Hirsche · wurden viele sein Fang. Einen großen Eber · trieb der Spürhund auf. Als der flüchtig wurde, · da kam in schnellem Lauf Alles Jagens Meister · und nahm zum Ziel ihn gleich. Anlief das Schwein im Zorne · diesen Helden tugendreich. Da schlug es mit dem Schwerte · der Kriemhilde Mann: Das hätt ein andrer Jäger · nicht so leicht gethan. Als er nun gefällt lag, · fieng man den Spürhund. Seine reiche Beute wurde · den Burgunden allen kund. Da sprachen seine Jäger: · „Kann es füglich sein, So laßt uns, Herr Siegfried, · des Wilds ein Theil gedeihn: Ihr wollt uns heute leeren · den Berg und auch den Tann.“ Darob begann zu lächeln · der Degen kühn und wohlgethan. Da vernahm man allenthalben · Lärmen und Getos. Von Leuten und von Hunden · ward der Schall so groß, Man hörte widerhallen · den Berg und auch den Tann. Vierundzwanzig Meuten · hatten die Jäger losgethan. Da wurde viel des Wildes · vom grimmen Tod ereilt. Sie wähnten es zu fügen, · daß ihnen zugetheilt Der Preis des Jagens würde: · das konnte nicht geschehn, Als bei der Feuerstätte · der starke Siegfried ward gesehn. Die Jagd war zu Ende, · doch nicht so ganz und gar, Zu der Feuerstelle · brachte der Jäger Schar Häute mancher Thiere · und des Wilds genug. Hei! was des zur Küche · des Königs Ingesinde trug! Da ließ der König künden · den Jägern wohlgeborn, Daß er zum Imbiß wolle; · da wurde laut ins Horn Einmal gestoßen: · so machten sie bekannt, Daß man den edeln Fürsten · nun bei den Herbergen fand. Da sprach ein Jäger Siegfrieds: · „Mit eines Hornes Schall Ward uns kund gegeben, · Herr, daß wir nun all Zur Herberge sollen: · erwiedre ichs, das behagt.“ Da ward nach den Gesellen · mit Blasen lange gefragt. Da sprach der edle Siegfried: · „Nun räumen wir den Wald.“ Sein Ross trug ihn eben; · die Andern folgten bald. Sie ersprengten mit dem Schalle · ein Waldthier fürchterlich, Einen wilden Bären; · da sprach der Degen hinter sich: „Ich schaff uns Jagdgesellen · eine Kurzweil. Da seh ich einen Bären: · den Bracken löst vom Seil. Zu den Herbergen · soll mit uns der Bär: Er kann uns nicht entrinnen, · und flöh er auch noch so sehr.“ Da lös'ten sie den Bracken: · der Bär sprang hindann. Da wollt ihn erreiten · der Kriemhilde Mann. Er kam in eine Bergschlucht: · da konnt er ihm nicht bei: Das starke Thier wähnte · von den Jägern schon sich frei. Da sprang von seinem Rosse · der stolze Ritter gut Und begann ihm nachzulaufen. · Das Thier war ohne Hut, ES konnt ihm nicht entrinnen: · er fieng es allzuhand; Ohn es zu verwunden, · der Degen eilig es band. Kratzen oder beißen · konnt es nicht den Mann. Er band es an den Sattel; · auf saß der Schnelle dann Und bracht es an die Feuerstatt · in seinem hohen Muth Zu einer Kurzweile, · dieser Degen kühn und gut. Er ritt zur Herberge · in welcher Herrlichkeit! Sein Sper war gewaltig, · stark dazu und breit; Eine schmucke Waffe hieng ihm · herab bis auf den Sporn; Von rothem Golde führte · der Held ein herrliches Horn. Von beßerm Birschgewande · hört ich niemals sagen. Einen Rock von schwarzem Zeuge · sah man ihn tragen Und einen Hut von Zobel, · der reich war genug. Hei! was edler Borten · an seinem Köcher er trug! Ein Vlies von einem Panther · war darauf gezogen Des Wohlgeruches wegen. · Auch trug er einen Bogen: Mit einer Winde · must ihn ziehen an, Wer ihn spannen wollte, · er hätt es selbst denn gethan. Von fremden Tierhäuten · war all sein Gewand, Das man von Kopf zu Füßen · bunt überhangen fand. Aus dem lichten Rauchwerk · zu beiden Seiten hold An dem kühnen Jägermeister · schien manche Flitter von Gold. Auch führt' er Balmungen, · das breite schmucke Schwert: Das war solcher Schärfe, · nichts blieb unversehrt, Wenn man es schlug auf Helme: · seine Schneiden waren gut. Der herrliche Jäger · trug gar hoch seinen Muth. Wenn ich euch der Märe · ganz bescheiden soll, So war sein edler Köcher · guter Pfeile voll, Mit goldenen Röhren, · die Eisen händebreit. Was er traf mit Schießen, · dem war das Ende nicht weit. Da ritt der edle Ritter · stattlich aus dem Tann. Gunthers Leute sahen, · wie er ritt heran. Sie liefen ihm entgegen · und hielten ihm das Ross: Da trug er an dem Sattel · einen Bären stark und groß. Als er vom Ross gestiegen, · löst' er ihm das Band Vom Mund und von den Füßen: · die Hunde gleich zur Hand Begannen laut zu heulen, · als sie den Bären sahn. Das Thier zu Walde wollte: · das erschreckte manchen Mann. Der Bär durch die Küche · von dem Lärm gerieth: Hei! was er Küchenknechte · da vom Feuer schied! Gestürzt ward mancher Keßel, · verschleudert mancher Brand; Hei! was man guter Speisen · in der Asche liegen fand! Da sprang von den Sitzen · Herr und Knecht zumal. Der Bär begann zu zürnen; · der König gleich befahl Der Hunde Schar zu lösen, · die an den Seilen lag; Und war es Wohl geendet, · sie hätten fröhlichen Tag. Mit Bogen und mit Spießen, · man säumte sich nicht mehr, Liefen hin die Schnellen, · wo da gieng der Bär; Doch wollte Niemand schießen, · von Hunden wars zu voll. So laut war das Getöse, · daß rings der Bergwald erscholl. Der Bär begann zu fliehen · vor der Hunde Zahl; Ihm konnte Niemand folgen · als Kriemhilds Gemahl. Er erlief ihn mit dem Schwerte, · zu Tod er ihn da schlug. Wieder zu dem Feuer · das Gesind den Bären trug. Da sprachen, die es sahen, · er wär ein starker Mann. Die stolzen Jagdgesellen · rief man zu Tisch heran. Auf schönem Anger saßen · der Helden da genug. Hei! was man Ritterspeise · vor die stolzen Jäger trug! Die Schenken waren säumig, · sie brachten nicht den Wein; So gut bewirthet mochten · sonst Helden nimmer sein. Wären manche drunter · nicht so falsch dabei, So wären wohl die Degen · aller Schanden los und frei. Des wurde da nicht inne · der verrathne kühne Mann, Daß man solche Tücke · wider sein Leben spann. Er war in höfschen Züchten · alles Truges bar; Seines Todes must entgelten, · dem es nie ein Frommen war. Da sprach der edle Siegfried: · „Mich verwundert sehr, Man trägt uns aus der Küche · doch so viel daher, Was bringen uns die Schenken · nicht dazu den Wein? Pflegt man so der Jäger, · will ich nicht Jagdgeselle sein. „Ich möcht es doch verdienen, · bedächte man mich gut.“ Von seinem Tisch der König · sprach mit falschem Muth: „Wir büßen euch ein andermal, · was heut uns muß entgehn; Die Schuld liegt an Hagen, · der will uns verdursten sehn.“ Da sprach von Tronje Hagen: · „Lieber Herre mein, Ich wähnte, das Birschen · sollte heute sein Fern im Spechtsharte: · den Wein hin sandt ich dort. Heute giebt es nichts zu trinken, · doch vermeid ich es hinfort.“ Da sprach der edle Siegfried: · „Dem weiß ich wenig Dank: Man sollte sieben Lasten · mit Meth und Lautertrank Mir hergesendet haben; · konnte das nicht sein, So sollte man uns näher · gesiedelt haben dem Rhein.“ Da sprach von Tronje Hagen: · „Ihr edeln Ritter schnell, Ich weiß hier in der Nähe · einen kühlen Quell: Daß ihr mir nicht zürnet, · da rath, ich hinzugehn.“ Der Rath war manchem Degen · zu großem Leide geschehn. Siegfried den Recken · zwang des Durstes Noth; Den Tisch hinwegzurücken · der Held alsbald gebot: Er wollte vor die Berge · zu dem Brunnen gehn. Da war der Rath aus Arglist · von den Degen geschehn. Man hieß das Wild auf Wagen · führen in das Land, Das da verhauen hatte · Siegfriedens Hand. Wer es auch sehen mochte, · sprach großen Ruhm ihm nach. Hagen seine Treue · sehr an Siegfrieden brach. Als sie von dannen wollten · zu der Linde breit, Da sprach von Tronje Hagen: · „Ich hörte jederzeit, Es könne Niemand folgen · Kriemhilds Gemahl, Wenn er rennen wolle; · hei! schauten wir das einmal!“ Da sprach von Niederlanden · der Degen kühn und gut: „Das mögt ihr wohl versuchen: · wenn ihr mit mir thut Einen Wettlauf nach dem Brunnen? · Soll das geschehn, So habe der gewonnen, · den wir den vordersten sehn.“ „Wohl, laßt es uns versuchen,“ · sprach Hagen der Degen. Da sprach der starke Siegfried: · „So will ich mich legen, Verlier ich, euch zu Füßen · nieder in das Gras.“ Als er das erhörte, · wie lieb war König Gunthern das! Da sprach der kühne Degen: · „Noch mehr will ich euch sagen: Gewand und Gewaffen · will ich bei mir tragen, Den Wurfspieß samt dem Schilde · und all mein Birschgewand.“ Das Schwert und den Köcher · um die Glieder schnell er band. Die Kleider vom Leibe · zogen die Andern da: In zwei weißen Hemden · man beide stehen sah. Wie zwei wilde Panther · liefen sie durch den Klee; Man sah bei dem Brunnen · den schnellen Siegfried doch eh. Den Preis in allen Dingen · vor Manchem man ihm gab. Da löst' er schnell die Waffe, · den Köcher legt' er ab, Den starken Spieß lehnt' er · an den Lindenast. Bei des Brunnens Fluße · stand der herrliche Gast. Die höfsche Zucht erwies da · Siegfried daran; Den Schild legt' er nieder, · wo der Brunnen rann; Wie sehr ihn auch dürstete, · der Held nicht eher trank Bis der König getrunken; · dafür gewann er übeln Dank. Der Brunnen war lauter, · kühl und auch gut; Da neigte sich Gunther · hernieder zu der Flut. Als er getrunken hatte, · erhob er sich hindann: Also hätt auch gerne · der kühne Siegfried gethan. Da entgalt er seiner höfschen Zucht; · den Bogen und das Schwert Trug beiseite Hagen · von dem Degen werth. Dann sprang er zurücke, · wo er den Wurfspieß fand, Und sah nach einem Zeichen · an des Kühnen Gewand. Als der edle Siegfried · aus dem Brunnen trank, Er schoß ihn durch das Kreuze, · daß aus der Wunde sprang Das Blut von seinem Herzen · an Hagens Gewand. Kein Held begeht wohl wieder · solche Unthat nach der Hand. Den Gerschaft im Herzen · ließ er ihm stecken tief. Wie im Fliehen Hagen · da so grimmig lief, So lief er wohl auf Erden · nie vor einem Mann! Als da Siegfried Kunde · der schweren Wunde gewann, Der Degen mit Toben · von dem Brunnen sprang; Ihm ragte von der Achsel · eine Gerstange lang. Nun wähnt' er da zu finden · Bogen oder Schwert, Gewiß, so hätt er Hagnen · den verdienten Lohn gewährt. Als der Todwunde · da sein Schwert nicht fand, Da blieb ihm nichts weiter · als der Schildesrand. Den rafft' er von dem Brunnen · und rannte Hagen an: Da konnt ihm nicht entrinnen · König Gunthers Unterthan. Wie wund er war zum Tode, · so kräftig doch er schlug, Daß von dem Schilde nieder · wirbelte genug Des edeln Gesteines; · der Schild zerbrach auch fast: So gern gerochen hätte · sich der herrliche Gast. Da muste Hagen fallen · von seiner Hand zu Thal; Der Anger von den Schlägen · erscholl im Wiederhall. Hätt er sein Schwert in Händen, · so wär er Hagens Tod. Sehr zürnte der Wunde, · es zwang ihn wahrhafte Noth. Seine Farbe war erblichen; · er konnte nicht mehr stehn. Seines Leibes Stärke · muste ganz zergehn, Da er des Todes Zeichen · in lichter Farbe trug. Er ward hernach betrauert · von schönen Frauen genug. Da fiel in die Blumen · der Kriemhilde Mann. Das Blut von seiner Wunde · stromweis nieder rann. Da begann er die zu schelten, · ihn zwang die große Noth Die da gerathen hatten · mit Untreue seinen Tod. Da sprach der Todwunde: · „Weh, ihr bösen Zagen, Was helfen meine Dienste, · da ihr mich habt erschlagen? Ich war euch stäts gewogen · und sterbe nun daran. Ihr habt an euern Freunden · leider übel gethan. „Die sind davon bescholten, · so viele noch geborn Werden nach diesem Tage: · ihr habt euern Zorn Allzusehr gerochen · an dem Leben mein. Mit Schanden geschieden · sollt ihr von guten Recken sein.“ Hinliefen all die Ritter, · wo er erschlagen lag. Es war ihrer Vielen · ein freudeloser Tag. Wer Treue kannt und Ehre, · der hat ihn beklagt: Das verdient' auch wohl um Alle · dieser Degen unverzagt. Der König der Burgunden · klagt' auch seinen Tod. Da sprach der Todwunde: · „Das thut nimmer Noth, Daß der um Schaden weine, · von dem man ihn gewann: Er verdient groß Schelten, · er hätt es beßer nicht gethan.“ Da sprach der grimme Hagen: · „Ich weiß nicht, was euch reut: Nun hat doch gar ein Ende, · was uns je gedräut. Es gibt nun nicht manchen, · der uns darf bestehn; Wohl mir, daß seiner Herrschaft · durch mich ein End ist geschehn.“ „Ihr mögt euch leichtlich rühmen,“ · sprach Der von Niederland. „Hätt ich die mörderische · Weis an euch erkannt, Vor euch behütet hätt ich · Leben wohl und Leib. Mich dauert nichts auf Erden · als Frau Kriemhild mein Weib. „Nun mög es Gott erbarmen, · daß ich gewann den Sohn, Der jetzt auf alle Zeiten · den Vorwurf hat davon, Daß seine Freunde Jemand · meuchlerisch erschlagen: Hätt ich Zeit und Weile, · das müst ich billig beklagen. „Wohl nimmer hat begangen · so großen Mord ein Mann,“ Sprach er zu dem König, · „als ihr an mir gethan. Ich erhielt euch unbescholten · in großer Angst und Noth; Ihr habt mir schlimm vergolten, · daß ich so wohl es euch bot.“ Da sprach im Jammer weiter · der todwunde Held: „Wollt ihr, edler König, · noch auf dieser Welt An Jemand Treue pflegen, · so laßt befohlen sein Doch auf eure Gnade · euch die liebe Traute mein. „Es komm ihr zu Gute, · daß sie eure Schwester ist: Sei aller Fürsten Tugend · helft ihr zu jeder Frist. Mein mögen lange harren · mein Vater und mein Lehn: Nie ist an liebem Freunde · einem Weibe so leid geschehn.“ Er krümmte sich in Schmerzen, · wie ihm die Noth gebot, Und sprach aus jammerndem Herzen: · „Mein mordlicher Tod Mag euch noch gereuen · in der Zukunft Tagen: Glaubt mir in rechten Treuen, · daß ihr euch selber habt erschlagen. Die Blumen allenthalben · waren vom Blute naß. Da rang er mit dem Tode, · nicht lange that er das, Denn des Todes Waffe · schnitt ihn allzusehr. Da konnte nicht mehr reden · dieser Degen kühn und hehr. Als die Herren sahen · den edlen Helden todt, Sie legten ihn auf einen Schild, · der war von Golde roth. Da giengen sie zu Rathe, · wie sie es stellten an, Daß es verhohlen bliebe, · Hagen hab es gethan. Da sprachen ihrer Viele: · „Ein Unfall ist geschehn; Ihr sollt es alle hehlen · und Einer Rede stehn: Als er allein ritt jagen, · der Kriemhilde Mann, Erschlugen ihn Schächer, · als er fuhr durch den Tann.“ Da sprach von Tronje Hagen: · „Ich bring ihn in das Land. Mich soll es nicht kümmern, · wird es ihr auch bekannt, Die so betrüben konnte · der Königin hohen Muth; Ich werde wenig fragen, · wie sie nun weinet und thut.“ Von denselben Brunnen, · wo Siegfried ward erschlagen, Sollt ihr die rechte Wahrheit · von mir hören sagen. Vor dem Odenwalde · ein Dorf liegt Odenheim. Da fließt noch der Brunnen, · kein Zweifel kann daran sein. 17. Siebzehntes Abenteuer. Wie Siegfried beklagt und begraben ward.