Die fabelhafte Welt der Anomalie noch nicht fertig B 612 war kein Planet, sondern nur ein Felsbrocken, der durchs All trieb. Er gehörte zu einem Asteroidengürtel, der das Überbleibsel eines Planeten war, auf dem man es mit dem Bergbau etwas übertrieben hatte. Es gab auf ihm nur eine Bar und einen Parkplatz, und das übliche Gesindel aus den äußeren Ringen der Galaxis. Qnoll, ein Bauarbeiter, hatte beim Pokern ein kleines schwarzes Loch in einem Einmachglas gewonnen. Das wollte er sich in die Hosentasche stecken, womit sich ihm - so dachte er - ein schier unendlicher Stauraum erschlösse, hätte es ihn nicht in dem Moment aufgesaugt, als er das Einmachglas öffnete. Glücklicherweise befand er sich in sicherer Entfernung zu jeglicher Art von Materie, so wurden nur er und der LKW verschluckt. Denn Qnoll hatte bis dato Bauschutt abtransportiert. Kulina, eine ehemalige Zofe, saß schluchzend am Tresen, stocherte mit dem Strohhalm in ihrem Frucht-Cocktail, und versuchte immer noch darüber hinwegzukommen, daß irgendein dahergelaufener Fernfahrer ihr gesagt hatte, Blutgruppe Null negativ zu haben mache einen auch nicht besser als andere Leute - und erst recht nicht jungfräulicher. Ludille hatte sich gerade scheiden lassen, nach 50 Jahren Ehe, was an sich nichts besonderes ist, nur hatte sie 34 Jahre lang dafür gespart, sich ihre bessere Hälfte operativ entfernen zu lassen. Ihren Mann hatte das völlig unvorbereitet im Schlaf getroffen. Die Entscheidung zu heiraten sollte wohl überlegt sein, dachte sie und sah grimmig von ihrer Eckbank aus durch den Raum. Sie griff ihre Kirsch-Kola mit der linken Hand, was sie normalerweise nicht tat, denn sie war ja eigentlich Rechtshänderin. Auf dem Parkplatz ging es indessen heiß her. Zwei Wesen irgendeiner frendem Gattung sprachen in unverständlichen Sprachen über dies und jenes. Naja, dies und jenes ist ist wohl gelinde gesagt, denn ihre Stimmen klangen erregter, beleidigter, bis einer seine - wo auch immer erstandene - Strahlenkanone zückte und den anderen über den Haufen schoß. Das geschah oft, und niemand nahm weiter Notiz davon, ob sie sich nun darüber gestritten hatten, wer wem den Parkplatz geklaut hatte, war da völlig unbedeutend, es passierte, man redete am Stammtisch darüber, derjenige, der es gesehen hatte, Stand für diesen Abend im Mittelpunkt der Runde, und einen Tag darauf kehrte der Alltag wieder ein und die Leiche verschwand auf nimmer Wiedersehen im Nirgendwo. Nun ja, im Nirgendwo ist vielleicht auch nicht ganz richtig, denn, wie jedermann wußte oder auch nicht wußte, gab es da diesen verrückten, wirklich durchgeknallten Professor, der sich, wie es für Laien schien, einen Jux daraus machte, außerirdische Kadaver zu sezieren, ihre Innereien zu katalogisieren, ihre Spezies zu klassifizieren und die Überbleibsel zu atomisieren. Welcher Rasse er angehörte, war nicht so genau bekannt, er selbst würde wohl sagen, er stehe in gewisser Weise über den Dingen. Das war nicht rassistisch gemeint, vielmehr betrachtete er sich wohl als Außenstehender, der alles untersuchte, was ihm zwischen die Fittiche kam. Besonders beliebt war er deswegen trotzdem nicht, denn es ging das Gerücht, daß er ... naja, das sei wohl besser nicht berichtet. Der Professor indes bevorzugte es, nur im volltrunkenen Zustand seinen Untersuchungen zu frönen, da er sich dann besonders enthemmt und von allen Schuldgefühlen gegenüber etwaigen Verwandten des Versuchsobjekts frei sowie sehr objektiv vorkam. Das mag stimmen, betrachtet man den immensen Artenkatalog, den er im Laufe seines 18 Jahre dauernden Wirkens zusammengetragen und aufgebaut hatte. Es interesseierte zwar niemanden, aber das ändert nichts an dem respektablen Aufwand, den er betrieben hatte, um, wie er selbst sagen würde, der Idee der Völkerverständigung einen Schritt näher zu kommen. Das war ein löblicher Ansatz, ohne Zweifel. [...] von mue (CC BY-NC-ND 4.0)