# taz.de -- Höchststrafe für KZ-Leiter
       
       > Ein kroatisches Gericht verurteilt den früheren Kommandanten von
       > Jasenovac, Dinko Sakic, zu zwanzig Jahren Haft. Der spricht von einem
       > politischen Prozess  ■   Von Barbara Oertel
       
       Berlin (taz) – Bis zuletzt beteuerte Dinko Sakic, ehemaliger Kommandant des
       kroatischen Konzentrationslagers Jasenovac während des Zweiten Weltkrieges,
       seine Unschuld am Tod mehrerer tausend Gefangener. Das Landesgericht in
       Zagreb sah das anders. Gestern erging nach einem monatelangen, mehrmals
       unterbrochenen Prozess das Urteil gegen den 78-Jährigen: 20 Jahre Haft, was
       nach kroatischem Recht die höchstmögliche Strafe bedeutet.
       
       Das Gericht befand Sakic für schuldig, unter dem mit Hitlerdeutschland
       verbündeten kroatischen Ustascha-Regime Verbrechen gegen die Menschlichkeit
       verübt, gegen internationale Konventionen verstoßen und Verbrechen gegen
       Zivilisten begangen zu haben. Zur Begründung führte Richter Drazen Tripalo
       aus, Sakic habe Gefangene misshandelt, gefoltert und getötet, indem er
       Untergebenen entsprechende Anweisungen erteilte oder an den Hinrichtungen
       teilnahm. Er habe nichts unternommen, um die von ihm befehligten
       Ustascha-Mitglieder an den Verbrechen zu hindern. Sakic habe Massaker an
       Zivilisten angeordnet, um die Gefangenen einzuschüchtern.
       
       Laut Anklageschrift wurden in Jasenovac 50.000 Gefangene – überwiegend
       Serben, Juden und Roma, aber auch kroatische Ustascha-Gegner – umgebracht,
       davon 2.000 unter Sakic' direktem Kommando. Die tatsächliche Opferzahl ist
       jedoch bis heute unklar. Nach offiziellen jugoslawischen Schätzungen wurden
       in Jasenovac insgesamt bis zu 700.000 Menschen umgebracht.
       
       Sakic war bereits am Aufbau von Jasenovac beteiligt und leitete das Lager
       von April 1942 bis Mai 1944. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gelang ihm
       1947 die Ausreise nach Argentinien, wo er mit kurzen Unterbrechungen bis
       Mai 1998 unbehelligt lebte. Die Neugierde eines argentinischen Fernsehteams
       wurde Sakic zum Verhängnis. Nach seiner Verhaftung im Küstenort Santa
       Teresita forderte Kroatien, nicht zuletzt auf massiven internationalen
       Druck hin, seine Auslieferung. Diese erfolgte einen Monat später.
       
       Doch war dieses unfreiwillige Wiedersehen mit der Heimat nicht Sakic'
       erster Kontakt mit seinen Landsleuten. 1990 nahm er an einer
       Gedenkveranstaltung im österreichen Bleiburg teil, wo Tito-Partisanen 1945
       tausende Kroaten ermordet hatten. Vier Jahre später traf er Kroatiens
       Präsident Franjo Tudjman während dessen Staatsbesuchs in Argentinien.
       Tudjman bestreitet dieses Treffen bis heute.
       
       An Selbstzweifeln litt Sakic nie, im Gegenteil: In Bleiburg sagte er, er
       habe stets als guter Christ gehandelt. In einem 1994 in der kroatischen
       Presse veröffentlichten Interview ließ Sakic wissen: „Ich bin stolz auf
       meine Vergangenheit, auf alles, was ich getan habe. Wenn man mir heute die
       gleiche Stellung anböte, würde ich sie annehmen.“ Bei Jasenovac habe es
       sich um eine „legale Einrichtung“ gehandelt, die Sterberate sei „normal“
       gewesen.
       
       Zu Beginn des Prozesses am 15. März erklärte sich Sakic „ruhigen Gewissens“
       für nicht schuldig und leugnete, dass in Jasenovac Massenhinrichtungen
       verübt worden seien. In seinem Abschlussplädoyer behauptete er, der Prozess
       sei politisch motiviert gewesen.
       
       Besonders kritische Intellektuelle in Kroatien hatten in der Vergangenheit
       immer wieder eine Auseinandersetzung mit der faschistischen Vergangenheit
       ihres Landes gefordert. Und dieses umso mehr, als sich das unabhängige
       Kroatien nach 1991 durch die Wiedereinführung belasteter Symbole selbst in
       die Nähe des Ustascha-Regimes rückte. So gesehen könnte das Urteil ein
       erster Schritt zur Aufarbeitung der Vergangenheit sein. Die Folgen des
       Urteils für die kroatische Gesellschaft sind derzeit noch nicht abzusehen.
       Für die Überlebenden beziehungsweise die Hinterbliebenen der Opfer dürfte
       der Richterspruch zumindest eine Art Genugtuung bedeuten.
       
       Kommentar Seite 12
       
       5 Oct 1999
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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