# taz.de -- Das Geschäft mit dem G-Punkt: Spritze in den Schritt
       
       > Es ist ja auch nicht einfach, dieses Sexleben. So finden Frauen, die mehr
       > wollen, immer öfter Hilfe in der Intimchirurgie.
       
 (IMG) Bild: Dies ist kein Lusttropfen.
       
       Ein außergewöhnliches Sexleben, den perfekten Liebesakt – das will wohl
       jede(r). Doch worauf hat frau eigentlich Lust, worauf nicht? Was treibt sie
       zum Höchsten der Gefühle? Sucht mann in bekannten „Lifestyle-Magazinen“,
       findet er schnell Antworten. Dort gibt es Tipps wie „Erst sie, dann Sie“
       oder über „Stoßzeiten“, und keinesfalls solle man es zu wund reiben, am
       „Lustknopf der Frau“, um es später bunt zu treiben.
       
       Die Funktionalität des weiblichen Genitals, die sexuelle Erregbarkeit der
       Frau, ein Themenfeld mit dem nicht nur Verleger viel Geld verdienen.
       Diejenige, die untenrum „up to date“ sein will, geht heute nicht mehr zur
       brasilianischen Enthaarungsspezialistin, sondern zum Intimchirurgen ihres
       Vertrauens.
       
       Im Kommen, wortwörtlich, ist der stilvoll genannte „G-Shot“, die
       Unterspritzung des Gräfenberg-Punkts. Und wer als Arzt kassieren will,
       setzt die Spritze auch schon mal an fiktiven Punkten an. Von der Injektion
       mit Eigenfett oder Hyaluronsäure versprechen sich Frauen (und Männer) eine
       erhöhte Orgasmusfähigkeit durch die Vergrößerung des G-Punkts in der
       Vagina.
       
       Ein Lockmittel, das Frauenärzte mehr als zweifelhaft finden. Für die Ärztin
       Susanna Kramarz ist ebenso wie für die meisten Sexualforscher die Existenz
       – und falls es ihn doch geben sollte, die Lokalisation – des G-Punkts mehr
       als fraglich. Zudem gäbe es keine wissenschaftlich belastbaren
       Untersuchungen darüber, dass eine Vergrößerung der angenommenen Region zu
       mehr Freude beim Beischlaf führe. Gräfenberg, deutscher Gynäkologe des
       letzten Jahrhunderts, hat wohl mehr erfunden als entdeckt, als er die
       weiblichen Geschlechtsorgane studierte.
       
       ## Verengung der Vagina
       
       Bei der Google-Recherche, Grundlage jeder fundierten journalistischen
       Nachforschung, stößt man dennoch auf Damen, die glauben, ihrem G-Shot ein
       sensationelles Liebesleben zu verdanken. Man liest von stundenlangen,
       heftigen Muskelkontraktionen, von orgasmischer Intensität fern jeder
       Vorstellung. Unlust, Stress – nach dem G-Shot wie passé.
       
       Wie kann das sein? Eine Anreicherung im Scheidengewölbe kann unter
       Umständen – je nach Frau und Genital sozusagen – eine Verengung der Vagina
       bewirken. Das kann den Kontaktreiz verstärken, die Wahrnehmung
       intensivieren und so mehr Lust erzeugen. „Mit einem möglichen oder
       unmöglichen G-Punkt hat das nichts zu tun“, meint Kramarz. Der G-Shot macht
       die Gegend im weiblichen Schritt also größer und dicker – eigentlich ein
       Wunsch, der laut Statistiken eher Männer zum Intimchirurgen treibt, um sich
       den Penis vergrößern zu lassen.
       
       Für Fouad Besrour, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie an der
       Clinic im Centrum in Mannheim, ist der G-Shot dennoch ein probates Mittel,
       dem ausbleibenden Lustgefühl seiner Patientinnen endlich den Garaus zu
       machen. Für diese sei Intimchirurgie häufig die einzige Lösung für ein
       erfüllteres Sexualleben.
       
       ## Macht auch der HNO-Arzt
       
       Auf die Technik kommt es zwar an, doch eine technische Lösung für ein
       nichttechnisches Problem führt selten zu einem erfüllten Liebesleben. Daher
       raten viele Frauenärzte von einer Auffütterung der weiblichen Sexualorgane
       ab. Es mangele viel weniger an medizinischen Eingriffen, als vielmehr an
       erotischem Selbstbewusstsein. Der eigene Körper muss erkundet, die
       persönlichen Bedürfnisse formuliert werden. Jahrzehntelang wurde für mehr
       sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung gekämpft. Es scheint, als habe die
       intimchirurgische Realität die Forderungen der Frauenbewegung schon lange
       hinter sich gelassen.
       
       Für operative Eingriffe im Intimbereich ist es im Übrigen nicht zwingend
       notwendig, ausgebildeter Gynäkologe zu sein. In Kursen können sich unter
       anderem auch HNO-Ärzte die Qualifikation zum „Schönheitschirurgen“
       aneignen. Aber welche Frau will schon, dass Hände, die sonst nur
       Nasennebenhöhlen untersuchen, Eigenfett in die Vagina injizieren?
       
       24 Apr 2015
       
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