# taz.de -- Philosoph über das Internet der Dinge: „Das ist keine Science-Fiction“
       
       > Wenn Maschinen miteinander kommunizieren, spielt Weiterbildung eine immer
       > wichtigere Rolle, sagt der Philosoph Klaus Mainzer.
       
 (IMG) Bild: Bald überflüssig, dieser Arbeiter?
       
       taz: Herr Mainzer, Industrie 4.0. Was ist das eigentlich? 
       
       Klaus Mainzer: 4.0 spielt auf die Entwicklungsphasen der Industrialisierung
       an. 1.0. war die Dampfmaschine, 2.0 war Henry Ford mit dem Fließband, 3.0
       die Fließbandarbeit mit stationären Industrierobotern. Industrie 4.0
       bedeutet nun: das Internet der Dinge, die Sensortechnologie. Die Werkstücke
       kommunizieren miteinander und können auf Kunden zugeschnittene Produkte
       anfertigen.
       
       Wie sieht das konkret aus? 
       
       Die Dinge sind mit Sensoren versehen und kommunizieren im
       Herstellungsprozess untereinander. In der Fabrik heißt das, ein Werkstück
       gibt eine Botschaft ab: „Ich bin in dem und dem Zustand. Was ist der
       nächste Schritt?“ Die Werkbank ordert dann ein Roboterfahrzeug heran, der
       das Stück zur nächsten Station bringt. Das ist keine Science-Fiction-Szene.
       In der Halbleiterproduktion können Sie so etwas schon beobachten.
       
       Klingt bedrohlich. Müssen wir uns fürchten? 
       
       So eine Industrialisierung bedeutet Jobverlust und Jobgewinn. Generell sind
       routinierte Arbeiten gefährdet. Dazu gehört auch intellektuelle Routine,
       die bei einem Buchhalter anfällt. Klassische Berufe wie Dreher haben
       Zukunft, wenn sie lernen mit Daten umzugehen. Neue Berufe entstehen im
       Kundenservice, Robotik und Data Management. Auch Hausmeister haben Zukunft.
       Einen Roboter, der auf alle Eventualitäten im Haus vorbereitet ist,
       bekommen wir so schnell nicht hin.
       
       Was macht eine industrielle Revolution aus? 
       
       Die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen. Maschinen arbeiten nach einer
       technischen Neuerung selbstständiger. Dadurch verschiebt sich der
       Stellenwert des Menschen. Auf diese neue Struktur der Arbeit müssen wir uns
       vorbereiten.
       
       Blicken wir bei dieser schnellen technischen Entwicklung noch durch? 
       
       Wer hat im 19. Jahrhundert die Arbeitsprozesse verstanden? Die
       Industriewelt ist so komplex, dass kein Einzelner den vollen Überblick über
       alle Details haben kann. Das ist auch nicht nötig: Wir müssen die
       Schnittstellen erkennen und Risiken sehen.
       
       Aber wenn Dinge autonomer werden, verliert der Mensch dann nicht an
       Autonomie? Können wir überhaupt noch in diesen Prozess eingreifen? 
       
       Das sind spannende politische Fragen. Im Silicon Valley wird es
       gelegentlich so dargestellt, als eile uns die Technologie voraus und wir
       liefen alle mit heraushängender Zunge hinterher. Dabei müssen wir als
       Gesellschaft unsere Interessen wahrnehmen und rechtliche Lösungen
       entwickeln. Wir müssen die Technik entsprechend gestalten. Es geht aber
       auch um Urteilskraft. Wir müssen entscheiden, was wir für eine Entwicklung
       wollen.
       
       Wie soll das gehen, wenn wir die Abläufe nicht mehr verstehen? 
       
       Ein guter Manager muss sich auch nicht um jeden Kugelschreiber kümmern.
       Aber er muss die wesentlichen Tendenzen im Betrieb erkennen und
       zusammenfügen. Diesen strategischen Blick brauchen wir, er ist die
       notwendige Kompetenz, um eingreifen zu können.
       
       Heißt das nicht auch, dass wir ständige Weiterbildung in Unternehmen
       brauchen? 
       
       Das ist sogar eine ganz wichtige Voraussetzung. Wir werden uns überlegen
       müssen: Wozu bilden wir die Leute aus? Wir brauchen digitale Kompetenz. So
       muss jeder in der Lage sein, über seine Daten zu entscheiden. Es wird in
       Zukunft auch so sein, dass Mitarbeiter regelmäßig aus der Produktion
       herausgehen, um auf die nächste Entwicklung vorbereitet zu werden.
       
       Datenmengen spielen in der Industrie 4.0 eine große Rolle. Geht das
       überhaupt privatsphärefreundlich? 
       
       Nehmen wir das Beispiel der Pflege: Man kann Sensoren in Seniorenwohnungen
       einsetzen, um zu registrieren, wenn jemand zusammenbricht. Aber
       gleichzeitig wollen wir keine ständige Beobachtung. Deshalb kann man es
       etwa technisch einrichten, dass der einzelne Mensch nicht im Detail zu
       sehen ist, sondern nur Figuren.
       
       Dennoch sind Unternehmen in der Industrie 4.0 viel anfälliger für
       Datenspionage oder Sabotage durch Hacker, oder? 
       
       Ja, das möchte ich nicht schönreden. Es gibt in der Technik keine absolute
       Sicherheit. Es muss zu einer Güterabwägung kommen: Welche Daten können wir
       in die Cloud für Kunden und Mitarbeiter stellen und welche nicht? Es wäre
       jedoch schlecht, deshalb pauschal Entwicklungen abzulehnen und so als
       Unternehmen Zukunftschancen zu verpassen.
       
       21 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Oer
       
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