# taz.de -- Marathonlauf in Israel: „Ein Markenzeichen für Jerusalem“
       
       > Bestzeiten sind zweitrangig, wichtig ist das Event. Mit dem
       > Jerusalem-Marathon wollen die Veranstalter die Laufszene nach Israel
       > locken.
       
 (IMG) Bild: Beim Jerusalem-Marathon werden Aktive und Zuschauer bespaßt.
       
       JERUSALEM taz | Diesmal ist er nicht angekommen. Raef Saleeh Guirges aus
       Ägypten hat es nicht geschafft, beim Jerusalem-Marathon die Ziellinie zu
       erreichen. Das ist keine unwichtige Meldung, denn der koptische Christ aus
       Kairo, der in den USA lebt, hat schon über 100 Marathonläufe in seinem
       Leben bestritten, und immer startet er mit einem T-Shirt, auf dem „God is
       Love“ steht. Dieses Mal hatte er noch eine kleine Flagge dabei, auf der die
       Botschaft, dass Gott Liebe bedeutet, gleich dreisprachig zu lesen war – auf
       Hebräisch, Arabisch und Englisch.
       
       Der Auftritt des 58-jährigen Guirges hat Gewicht: Er wiegt nämlich 125
       Kilogramm. Dabei bestritt er in zwei Jahren in sämtlichen 50 Bundesstaaten
       der USA Marathonrennen, und er läuft auf allen Kontinenten – für Europa war
       er beim Frankfurt-Marathon dabei. Aber mit Politik habe all das nichts zu
       tun. „Es ist eine spirituelle Sache, was ich hier mache.“ Das bedeutet:
       „Wir haben alle Menschen zu respektieren, denn wir sind alle Geschöpfe
       Gottes.“ Der Start am Freitag in Jerusalem war sein dritter in der
       israelischen Hauptstadt, und diesmal war Guirges hier allein. Seine Frau,
       die ihn sonst begleitet, blieb beim Enkel.
       
       Bei allem unglaublich anmutenden Engagement, das der Unternehmensberater an
       den Tag legt: Dass er läuft, hat sehr wohl irdische Gründe. „Ich habe 35
       Jahre lang geraucht, sehr viel geraucht“, berichtet er. „2005 habe ich
       damit aufgehört, und dann habe ich mich im März 2003 gleich für meinen
       ersten Marathon angemeldet – und bin ihn gelaufen.“ Einfach so? „Ja, ohne
       Training.“ Und warum hat er dann so viel Kilogramm drauf? „Nach dem Laufen
       esse ich immer sehr gerne. Und viel.“ Darüber kann Guirges heftig lachen.
       
       Es sind weniger die sportlichen Leistungen als Läufer wie Guirges, die den
       Jerusalem-Marathon zum Event machen. In diesem Jahr wurde er zum fünften
       Mal ausgetragen. Über 26.000 Teilnehmer hatten sich angemeldet, davon über
       2.500 aus dem Ausland – „unter anderem aus China, aus der Türkei und auch
       aus Gaza und dem Westjordanland“, wie Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat
       sagt.
       
       ## Sehr hügelige Strecke
       
       Er ist selbst Marathonläufer, und für ihn hat der Marathon eine politische
       Bedeutung. Der parteilose Bürgermeister, der als säkularer Jude die Stadt
       mit einem hohen Anteil orthodoxer Juden seit 2008 regiert, will mit großen
       Sportereignissen „ein Markenzeichen für Jerusalem“ schaffen. Nicht nur der
       Marathon passt dazu, auch die Formel-1-Peace-Roadshow, die im vergangenen
       Dezember zu Demonstrationszwecken durch die Straßen der Heiligen Stadt
       bretterte, soll die Weltoffenheit der Stadt beweisen.
       
       Gewonnen hat in diesem Jahr Tadesse Dabi aus Äthiopien, doch der 28-Jährige
       lief mit 2:18,20 keine Zeit, die auch nur im Entferntesten in den Bereich
       der Weltklasse gehört. „Es geht hier immer hoch und runter, das ist nicht
       gut für schnelle Marathonzeiten“, sagte Dabi nach der Siegerehrung und
       fügte noch etwas hinzu, das den Bürgermeister freuen dürfte: „Es ist das
       erste Mal, das ich in Jerusalem gelaufen bin. Jerusalem ist ein heiliger
       Ort.“ Garniert wurde sein Start mit einer Sieg- und Antrittsprämie im
       mittleren vierstelligen Bereich. Für Dabi, der nur auf Platz 221 der
       Weltrangliste geführt wird, eine wichtige Einnahme. Beim Frauen-Marathon
       gewann die Kenianerin Joan Kigen in 2:45,55 Stunden. Das mag international
       auch nicht so sehr überzeugen, wenngleich es Streckenrekord war – aber der
       Hinweis auf die sehr hügelige Strecke gilt beim Frauenrennen natürlich
       auch.
       
       Vor allem soll der Jerusalem-Marathon schöne Bilder der Stadt in die Welt
       transportieren. „Der Marathon führt auch durch die Altstadt, an den großen
       und historischen Stätten vorbei“, sagt Nir Barkat. „Wenn Sie hier laufen,
       merken Sie, dass diese Stadt – nicht nur wegen ihrer vielen Hügel –
       atemberaubend ist.“ Nir Barkat steht mit seiner Idee nicht allein. „Israel
       ist dabei, das Land der Marathonläufe zu werden“, sagt Amir Halevy,
       Direktor im Tourismusministerium.
       
       Er verweist nicht nur auf den Jerusalem- und den Tel-Aviv-Marathon, der
       zwei Wochen zuvor wegen Hitze abgebrochen werden musste. Auch der
       Wüstenmarathon in Eilat, der Tiberias-Marathon am See Genezareth und der
       Bibel-Marathon gehören zum Programm, mit dem das kleine und oft heiße Land
       am Mittelmeer Läufer anziehen möchte. Damit das gelingt, lädt das
       Tourismusministerium auch Journalisten aus vielen Ländern ein.
       
       ## Läufermesse und Essensstände
       
       Noch im vergangenen Jahr gab es wegen der Sportmarketingpolitik
       Boykottaufrufe von palästinensischer Seite, und 2011 hatte es am Rande des
       Marathons auch einen Bombenanschlag gegeben, bei dem eine britische
       Touristin zu Tode kam. Am vergangenen Freitag jedoch blieb alles nicht nur
       sicher, sondern auch entspannt. Das Verkehrschaos, weil große Teile der
       Stadt fast den ganzen Tag über abgesperrt waren, wurde mit einem großen
       Volksfest gekontert: Im Sacherpark, wo sich der Zielbereich befand, waren
       Tausende Jerusalemer zusammengekommen, um eine Läufermesse unter freiem
       Himmel, ergänzt durch jede Menge Essensstände, zu genießen.
       
       Nir Barkats Konzept eines Stadtmarathons zur Werbung für seine Stadt könnte
       aufgehen: Das Laufevent ist in seinem fünften Jahr kein Gegenstand
       politischen Streits mehr, sondern kurz davor, eine feste Größe im
       Laufkalender zu werden. Auch Raef Guirges, der koptische Christ aus
       Ägypten, sagt: „Ich habe kein Problem mit Israel.“
       
       Unser Mitarbeiter Martin Krauss wurde auf Kosten des israelischen
       Tourismusministeriums nach Jerusalem eingeladen.
       
       15 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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