# taz.de -- Kampf gegen den Islamischen Staat: Offensive gegen Tirkrit
       
       > Die irakische Regierung will die Stadt von den Extremisten zurückerobern.
       > Schiitische Milizen beteiligen sich an dem Vormarsch und drohen mit
       > Rache.
       
 (IMG) Bild: Irakische Sicherheitskräfte und schiitische Milizionäre auf dem Weg nach Tikrit
       
       ISTANBUL taz | Irakische Truppen, unterstützt von schiitischen
       Milizionären, haben am frühen Montagmorgen eine Großoffensive auf Tikrit
       begonnen. Laut dem irakischen Staatsfernsehen stießen die Einheiten auf die
       zentralirakische Stadt vor. Die Stadt liegt auf etwa halber Strecke
       zwischen Bagdad und Mossul im Norden des Landes.
       
       Die irakischen Sicherheitskräfte hatten im vergangenen Juni ein komplettes
       Desaster erlebt, als sie vor den Extremisten des Islamischen Staats (IS)
       die Waffen streckten. Seitdem befinden sich Mossul und Tikrit fest in der
       Hand des IS. Mehrfach hat die Regierung in Bagdad in den letzten Monaten
       einen Vorstoß versucht, den Extremisten Tikrit zu entreißen. Die
       Operationen waren aber so schlecht vorbereitet und koordiniert, dass sie in
       einem Fiasko endeten. In jüngster Zeit ist der IS jedoch an mehreren
       Fronten unter Druck geraten.
       
       Südlich von Tikrit um die Stadt Samarra und südöstlich an der
       irakisch-iranischen Grenze haben die Extremisten mehrere Gebiete an die
       Einheiten der Regierung in Bagdad verloren. Im Norden bei Mossul werden sie
       von den Kurden und den Luftangriffen der USA bedrängt.
       
       ## Geplante Offensive verschoben
       
       Nach irakischen Angaben sind an der Offensive auf Tikrit 30.000 Soldaten
       der Armee, der paramilitärischen Bundespolizei und schiitischer
       Freiwilligenverbände beteiligt. Glaubt man dem Staatssender „Irakiya“,
       haben die Einheiten bereits Orte bei Tikrit eingenommen. Sollte es der
       Regierung gelingen, Tikrit wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, wäre
       dies ein enormer Schritt, um die geplante Offensive auf die Millionenstadt
       Mossul voranzutreiben.
       
       Aus dem Pentagon hieß es kürzlich, diese könnte bereits im April oder Mai
       beginnen. Inzwischen ist Washington aber zurückgerudert. Zuerst müssten die
       irakischen Brigaden, die den Einsatz schultern sollen, kampffähig gemacht
       werden, heißt es. Als frühester Termin wird neuerdings der Herbst genannt.
       
       Wie schwer der Kampf gegen den IS ist, zeigt die syrische Stadt Kobani (Ain
       al-Arab). Trotz der Luftangriffe der USA hat es vier Monate gedauert, bis
       die Kurden den Sieg davon trugen. Tikrit ist nicht nur mehr als fünf Mal so
       groß wie Kobani. Mit seinen Palmenhainen entlang des Tigris bietet die
       Stadt auch ein ideales Territorium für Guerillaaktionen. Der ehemalige
       Despot Saddam Hussein hatte sich hier im Jahr 2003 ein Dreivierteljahr lang
       erfolgreich vor dem Zugriff der US-Truppen versteckt.
       
       Wie Saddam, der aus der Nähe von Tikrit stammte, sind die meisten Bewohner
       in der Region arabische Sunniten. Die Stärke des IS beruht auch auf der
       Unterstützung, die er von Gefolgsleuten Saddams sowie aufständischen
       Stämmen erhält. Er fordere alle, die irregleitet wurden oder Fehler
       begangen hätten, die Waffen niederzulegen, sagte Ministerpräsident Haider
       al-Abadi, ein Schiit, am Vorabend der Offensive. Es sei ihre letzte Chance.
       
       ## Mit dem Iran verbündet
       
       Rund Zweidrittel der an dem Aufmarsch beteiligten Einheiten sind
       schiitische Milizionäre, die eng mit dem schiitischen Nachbarland Iran
       verbündet sind. Auf ihrem Feldzug gegen den IS haben die Milizen in den
       vergangenen Monaten zahlreiche Verbrechen an Sunniten verübt. In Amerli,
       einer Stadt nordöstlich von Tikrit, brannten sie Ende August die Häuser von
       Sunniten nieder.
       
       Etwa zur gleichen Zeit überfielen Schiiten in einem Dorf an der iranischen
       Grenze eine sunnitische Moschee und erschossen mindestens 68 Gläubige. In
       der gleichen Region verübte eine irakische Eliteeinheit Ende Dezember ein
       Massaker, dem nach Angaben von Überlebenden 72 sunnitische Zivilisten zum
       Opfer fielen.
       
       Zwar hat Abadi den Aufständischen eine Amnestie versprochen, die Sunniten
       wird das jedoch kaum beruhigen. „Oh Tikrit, wir kommen“ heißt es auf einem
       Poster einer der berüchtigten Milizen. Neben deren Kommandanten prangt das
       Bildnis des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei.
       
       Auf schiitischen Kanälen drohen Milizionäre den Sunniten unverhohlen mit
       Vergeltung für das Massaker des IS an schiitischen Soldaten. Im Juni 2014
       hatten die Extremisten in Tikrit mindestens 700 Rekruten erschossen.
       Darüber hinaus bezeichneten schiitische Hardliner den Angriff als Rache für
       die Niederschlagung des Aufstands der Schiiten nach dem ersten Golfkrieg.
       Tausende Schiiten fielen dem Morden von Saddams Armee zum Opfer. Der
       Aufstand jährte sich am vergangenen Dienstag zum 25. Mal.
       
       2 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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