# taz.de -- Konferenz in Südafrika: Folter im Namen des Tierschutzes
       
       > Schädigt die Strafverfolgung von Wilderern indigene Gemeinden? In
       > Südafrika diskutieren Experten über einen menschenwürdigen Naturschutz.
       
 (IMG) Bild: Ein Nashorn in Südafrika, das den Angriff von Wilderern überlebte.
       
       KAPSTADT kna | Arbeitslos, hungrig und ohne Perspektive. Die Bewohner der
       abgelegenen Dörfer rund um Südafrikas Krüger-Nationalpark leben ohne Strom
       und Wasser. Ein Dasein ohne Perspektive.
       
       Wenn ein Wilderer ihnen einen seiner blutigen Jobs anbietet, überlegen die
       meisten nicht zweimal. Bis zu 4.300 Euro erhalten die Helfer für jedes
       geschlachtete Nashorn, die Jäger sogar noch mehr. 2014 töteten sie in
       Südafrika mehr als 1.200 der bedrohten Tiere und brachen damit den
       Höchststand aus dem Vorjahr.
       
       Angeheizt von Armut und wirtschaftlicher Ungleichheit, ist
       Wildtierkriminalität im Kapstaat vorwiegend ein soziales Problem. Einige
       Experten kritisieren schon lange das Modell, wonach Tiere und Pflanzen
       geschützt, Täter bestraft, aber das grundlegende Problem ignoriert wird.
       
       Im südafrikanischen Muldersdrift tagen von Donnerstag bis Samstag
       zahlreiche Umweltexperten, um über einen Artenschutz zu beraten, bei dem
       der Mensch sowohl als Problem als auch als Lösung im Mittelpunkt steht: ein
       menschenwürdiger Naturschutz.
       
       ## Deklaration von London
       
       Die internationale Konferenz findet unter dem Titel „Über Strafverfolgung
       hinaus: Gemeinden, Regierung, Anreize und Nachhaltigkeit im Kampf gegen
       Wildtierkriminalität“ statt. Unter der Schirmherrschaft der
       Weltnaturschutzunion (IUCN), wird sie von der Deutschen Gesellschaft für
       Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem österreichischen
       Umweltministerium unterstützt. Für die teilnehmenden Biologen und
       Umweltaktivisten aus allen Kontinenten gilt es herauszufinden, „ob und wie
       lokal gestützte Interventionen die illegale Nutzung und den Handel mit
       Wildtieren bekämpfen können.“
       
       Der IUCN zufolge gibt es zwar viele gute Ansätze. Im vergangenen Jahr etwa
       unterzeichneten 46 Staatsoberhäupter und 11 UN-Organisationen die
       „Deklaration von London“. Darin betonten sie, dass es entscheidend für den
       Naturschutz sei, jene Menschen mit einzubeziehen, die ihren Lebensraum mit
       Nashörnern, Elefanten und anderen bedrohten Tieren teilen.
       
       Auch die EU-Resolution über Umweltkriminalität (2014) und der Beschluss der
       Afrikanischen Elefantenschutzkonferenz (2013) stellen erstmals auch den
       Menschen in den Fokus des Tierschutzes. Bislang allerdings nur auf dem
       Papier, kritisiert die IUCN. Sie sieht grobe Versäumnisse. „Bis heute gab
       es kaum Fortschritte bei der Umsetzung dieser Bekundungen. Fast niemandem
       ist klar, wie die Versprechungen in die Tat umgesetzt werden sollten.“
       
       ## Lokale Bevölkerung in den Tierschutz integrieren
       
       Der illegale Handel mit Umweltressourcen habe enormen Einfluss auf die
       lokale Bevölkerung, die oft Opfer der „grobschlächtigen, militarisierten“
       Verbrechensbekämpfung werde. Bestes Beispiel: die San im südafrikanischen
       Botsuana. Sie sind das älteste Volk der Erde. Bis heute versucht die
       botsuanische Regierung, sie in die moderne Zivilisation zu drängen, meist
       mit Gewalt. Ab 1997 vertrieb das Militär alle San aus dem Zentralen
       Kalahari-Wildpark.
       
       Das Regime um den Präsidenten und glühenden Umweltschützer Ian Khama
       betrachtet die San als Wilderer. Sie selbst kämpfen für ihr Recht, auf dem
       Land leben und jagen zu dürfen wie bereits ihre Urahnen. San, die mit einem
       erlegten Wildtier erwischt werden, landen meist im Gefängnis.
       Aktivistengruppen wie Survival International bezeichnen die Unterdrückung
       des Naturvolks als „schleichenden Völkermord“ und „ethnische Säuberung“.
       Heute ist das Volk gezeichnet von Depression, Alkoholmissbrauch und
       HIV/Aids.
       
       Der britische Anwalt Gordon Bennett wird als Sprecher für Survival
       International an der Artenschutzkonferenz teilnehmen. Er ist der
       Auffassung, dass „Strafverfolgung zum Wildtierschutz fast immer indigene
       Gemeinden schädigt, weil die falschen Gesetze von den falschen Personen
       gegen die falschen Personen durchgesetzt werden“. Während in Indien
       Urvölker aus Reservaten vertrieben würden, um Umwelttouristen den
       Tierreichtum näherzubringen, drohten der Baka-Volksgruppe in Kamerun
       „Festnahmen, Schläge, Folter und Tod im Namen des Naturschutzes“.
       
       Die Weltnaturschutzunion sieht viele Lösungsmöglichkeiten, um die lokale
       Bevölkerung in den Tierschutz zu integrieren. Die bisher herausragendste
       Idee sei, Bewohner mit einem entsprechenden Lohn zu Wildhütern auszubilden.
       
       26 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Schönherr
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Südafrika
 (DIR) Naturschutz
 (DIR) Wilderei
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Kenia
 (DIR) Elfenbein
 (DIR) Antifolterkomitee
 (DIR) Wilderei
 (DIR) Wilderei
 (DIR) Elfenbein
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ausländerhass in Südafrika: Jagd auf Somalier und Äthiopier
       
       Bei fremdenfeindlichen Unruhen sind fünf Menschen in Durban getötet worden.
       Regierung und Polizei tun zu wenig, sagen Oppositionelle.
       
 (DIR) Wilderei bedroht Breitmaulnashorn: Da waren es nur noch fünf
       
       Naturschutzorganisationen haben das Nördliche Breitmaulnashorn schon
       abgeschrieben. Dabei könnte es im Reagenzglas noch gerettet werden.
       
 (DIR) Experten warnen vor Aussterben: Afrikanischer Elefant bedroht
       
       Die Elefantenpopulation in Afrika geht dramatisch zurück. In zwei
       Jahrzehnten könnte die Art ausgestorben sein. Experten fordern deshalb
       Maßnahmen gegen Wilderei.
       
 (DIR) Bericht des Europarat-Antifolterkomitees: Auch Europa foltert
       
       Hält Europa zivilisierte Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit ein? In einigen
       Ländern sind folterähnliche Methoden noch immer an der Tagesordnung.
       
 (DIR) Wilderei in Südafrika: 1.215 Nashörner getötet
       
       Die illegale Jagd auf Nashörner in Südafrika erreicht einen neuen
       Höchststand. Wilderer haben es auf das Horn der bedrohten Tierart
       abgesehen.
       
 (DIR) Illegale Jagd auf Nashörner: Wilderer haben keine Flak
       
       Rhinozerosse werden wegen ihres teuren Horns illegal gejagt. Um sie zu
       schützen, will Südafrika die Tiere per Hubschrauber umsiedeln.
       
 (DIR) Proteste gegen Wilderei: Heroin aus Afrika
       
       Trotz internationalem Verbot floriert der organisierte Handel mit
       Elfenbein. In 125 Städten weltweit sind Protestmärsche geplant.