# taz.de -- Massentierhaltung in Dänemark: Revolution im Schweinestall
       
       > Der größte Fleischverarbeiter Europas versucht es ohne den Einsatz von
       > Antibiotika. Der Konzern reagiert mit der Initiative auf
       > Verbraucherwünsche.
       
 (IMG) Bild: Ohne Antibiotika könnten sie glücklicher sein: die Schweine.
       
       STOCKHOLM taz | Es wirkt wie eine Revolution, was der größte
       Fleischverarbeiter Europas da vorhat: „Es sollen Schweine sein, die von der
       Geburt bis zur Schlachtung ohne Verwendung von Antibiotika produziert
       worden sind“, schreibt Jesper Friis, Chef der Schweinezuchtsektion von
       Danish Crown.
       
       Seit dem 1. Dezember verzichtet der dänische Konzern in fünf
       Schweinemastbetrieben auf der Ostseeinsel Bornholm darauf, den Tieren
       vorbeugend Antibiotika mit Nahrung und Trinkwasser zu verabreichen. Wenn
       einzelne Schweine krank werden, will man nicht den ganzen Bestand, sondern
       nur die betroffenen Tiere behandeln und sie von den anderen isolieren.
       
       Den Grund für die Initiative benennt Danish Crown mit „Verbraucherwünschen“
       und einer „laufenden Debatte“. Seit Monaten wird in Medien diskutiert,
       welchen Preis der unverhältnismäßige Einsatz von Antibiotika in der
       Tierzucht hat. Der gefährdet die Gesundheit von vielen Menschen, Stichwort:
       multiresistente Keime, speziell der Typ methicillinresistente
       Staphylococcus-Aureus-Erreger“ (MRSA). Da diese MRSA nicht mehr auf
       Antibiotika ansprechen, wird die Behandlung von Infektionen bei Menschen
       zunehmend schwierig.
       
       Die Nutztierhaltung ist die größte MRSA-Quelle. Mittlerweile sind 68
       Prozent der dänischen Schweinebestände infiziert. Gefährdet sind nicht nur
       die rund 10.000 Beschäftigten. Stichprobenuntersuchungen in Supermärkten
       fanden in mehr als jedem fünften Schweinefleischpaket MRSA-Keime.
       
       ## Aufpreis wegen weniger Antibiotika
       
       Vier mit dem multiresistenten „Schweine-Keim“ ST398 infizierte Menschen
       sind gestorben, drei davon hatten keinen Kontakt zu lebenden Schweinen. Es
       gebe also andere Übertragungswege, betont Hans Jørn Kolmos, Professor für
       klinische Mikrobiologie in Odense. Er warnt vor einer „Epidemie, die
       bereits völlig außer Kontrolle ist“.
       
       Die Meldungen aus Dänemark führten nicht nur dort zu Unruhe: In Schweden
       haben zwischenzeitlich mehrere Supermärkte dänisches Fleisch aus dem
       Sortiment genommen. Verbraucherschutzorganisationen riefen zum Boykott auf.
       
       Es ist teurer, Schweine ohne massive Antibiotikabehandlung aufzuziehen. Die
       Tiere brauchen mehr Platz, die Ställe müssen häufiger kontrolliert werden –
       weshalb den fünf Betrieben auf Bornholm, die nun an dem antibiotikafreien
       Versuch teilnehmen, auch höhere Abnahmepreise versprochen worden sind.
       Danish Crown will nun auch herausfinden, ob die VerbraucherInnen bereit
       sind, mehr zu zahlen.
       
       Dänemark gehört eigentlich schon zu den vorbildlichen EU-Ländern. Auf 1
       Kilogramm Lebendgewicht werden dort weniger als 50 Milligramm Antibiotika
       verabreicht – in deutschen Mastbetrieben sind es viermal mehr. In Schweden
       kann man es noch besser: Dort wurden die Antibiotikagaben auf 12,4
       Milligramm pro Kilo Lebendgewicht gesenkt.
       
       ## Antibiotikaverzicht ist nur Symptombehandlung
       
       Das liegt daran, dass in Schweden schon seit 1986 vorbeugende
       Antibiotikabehandlung verboten sind. Nur kranke Tiere werden behandelt.
       „Tierhalter und Veterinäre wurden gezwungen, systematisch Krankheiten ohne
       oder nur ausnahmsweise mit Antibiotikaeinsatz zu behandeln“, beschreibt der
       Veterinärverband die Konsequenzen. Anders als etwa in Deutschland verdienen
       Tierärzte nicht am Verkauf von Tierarzneimitteln. Die werden dort
       ausschließlich von Apotheken vergeben.
       
       Die Folge: Multiresistente „Schweine-Keime“ sind in Schweden noch kein
       Problem. Sie wurden bislang erst bei einem Schwein nachgewiesen. Für den
       umfassenderen Antibiotikaverzicht erhalten schwedische Mastbetriebe
       umgerechnet 10 bis 30 Cent mehr pro Kilo Fleisch als ihre dänischen
       Kollegen. Wesentlich teurer müsste also auch das gänzlich antibiotikafreie
       Schweinefleisch aus dem Bornholm-Versuch nicht werden.
       
       Einen Versuch, den Birgitte Iversen Damm, Tierärztin und Beraterin von
       „Dyrenes Beskyttelse“, Dänemarks größter Tierschutzorganisation,
       zwiespältig beurteilt: einerseits als „durchaus respektabel“, andererseits
       aber auch als „Augenwischerei“. Denn das eigentliche Problem, das
       angegangen werden müsse, seien ja nicht die Symptome, also die
       Antibiotikaschwemme, sondern die industrielle Massentierhaltung.
       
       4 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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