# taz.de -- Die Kulturgeschichte des Schafes: Sensibel oder dämlich?
       
       > 2015 steht im chinesischen Kalender unter dem Zeichen des Schafes. Das
       > kann so einiges bedeuteten. Eine kleine Kulturgeschichte des Schafes.
       
 (IMG) Bild: Ein Schaf also. Ist das gut oder schlecht?
       
       „Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit erbärmlich. Jedes
       unbekannte Geräusch macht die Herde stutzig.“ Was klingt, wie eine aktuelle
       Analyse der durch Dresden blökenden Pegida-Anhänger, ist in Wirklichkeit
       die zoologisch gemeinte Charakterisierung des Tierforschers Alfred Brehm
       eines der ältesten Nutztiere überhaupt: das Schaf.
       
       Seit rund 10.000 Jahren begleitet es den Menschen in seiner domestizierten
       Form als Hausschaf, nachdem es – Abendlandverteidiger, aufgepasst! – in
       Anatolien erzüchtet wurde. Es gehört damit zu unseren ältesten Weggefährten
       auf dem langen Marsch in die Zivilisation.
       
       War sein Urahn, das Mufflon, in seiner Verbreitung auf die Gebirgsregionen
       im eurasischen Raum beschränkt, gelangte das Hausschaf im Gefolge des
       Menschen auf alle fünf Kontinente.
       
       Heute leben rund 1 Milliarde Exemplare auf der Erde, damit gehört das Schaf
       zu den häufigsten Säugetieren überhaupt. Diesen Erfolg verdankt es seiner
       Genügsamkeit und Robustheit.
       
       ## Schafe in Kultur, Mythologie und Religion
       
       Schafe gedeihen auch auf äußerst kargen Böden und unter widrigen
       klimatischen Bedingungen. In vielen Regionen ist ihre extensive Haltung
       (neben der ihrer Verwandten, den Ziegen) die einzige Möglichkeit
       landwirtschaftlicher Nutzung. Besonders präsent sind sie daher in den
       Steppen Asiens, Australiens, Patagoniens sowie auf dem kargen Grasland der
       britischen Inseln. Dabei haben sie die Landschaft stark geprägt. In
       Deutschland zum Beispiel ist die Lüneburger Heide ihr Werk – ohne Schafe
       würde sie rasch wieder verschwinden.
       
       Es ist daher kein Wunder, dass das Schaf tief in Kultur, Mythologie und
       Religion verankert ist. Die wenig schmeichelhaften Zuschreibungen von
       Tierforscher Brehm zeugen von einer beklagenswerten Schafverachtung, die
       sich auch in den Schimpfworten „Du Schaf!“ oder „Schafskopf!“ wiederfindet.
       Das Schaf gilt als einfältig, ängstlich und blind einer tumben Masse
       folgend – eine Vorstellung, die es durch seinen ausgeprägten Herdentrieb
       fleißig genährt hat.
       
       Gleichzeitig werden ihm aber auch Attribute wie Unschuld und Fruchtbarkeit
       angeheftet, vom „Lamm Gottes“ bis zum „guten Hirten“ machten sich die
       Christen die Schafsymbolik zu eigen. Auch innerhalb der fernöstlichen
       Tierkreiszeichen steht das Schaf für Sanftmut und Sensibilität einerseits
       und für Unsicherheit und Abhängigkeit andererseits, wobei hier zwischen
       Schaf und Ziege nicht groß differenziert wird.
       
       2015 bricht nun das Jahr des Schafes an. Etwas mehr Sanftmut könnte der
       Welt fraglos nicht schaden, wobei an Schafen, die blind irgendwelchen
       Führern hinterherlaufen, kein Mangel besteht. Trotzdem scheint die
       Interpretation zu überwiegen, dass Schafsjahre eher für Frieden und
       Weiblichkeit stehen – vielleicht ein dezenter Hinweis an die Damen Merkel
       und von der Leyen.
       
       ## Aussterbenden Haustiere
       
       Die „gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2015“ ist übrigens das
       Karakulschaf, eine der ältesten Nutztierrassen der Welt. Am Euphrat wurden
       Hinweise auf diese im Wortsinn schwarzen Schafe bereits aus der Zeit vor
       4.500 Jahren gefunden, Deutschland erreichte es erst im Jahr 1900. Doch als
       das Tragen von Fell unmodisch wurde, verschwand es weitgehend. Heute gibt
       es nur noch etwa 300 Exemplare bei uns. Möge ihnen im Jahr des Schafes
       große Fruchtbarkeit beschieden sein.
       
       Aber auch Menschen, die sich weder mit fernöstlicher Astrologie noch mit
       aussterbenden Haustieren beschäftigen, können sich auf 2015 freuen: Am 19.
       März kommt „Shaun das Schaf – der Film“ in die Kinos. Ganz schlecht kann es
       also gar nicht werden, dieses Jahr des Schafes. Was auch immer die
       Schafsköpfe in Dresden und anderswo alles anstellen mögen.
       
       2 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heiko Werning
       
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