# taz.de -- Abschaltung von Kraftwerken: Weniger Kohle, mehr Geld
       
       > Ein Institut verspricht eine „doppelte Dividende“ bei der Stilllegung von
       > Kraftwerken. Auch die EEG-Umlage zur Förderung der Erneuerbaren sinke.
       
 (IMG) Bild: Deutschland hat in diesem Jahr einen Stromexportüberschuss erzielt. Ein Braunkohlekraftwerk in Neurath, NRW.
       
       FREIBURG taz | Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
       empfiehlt, einige Kohlekraftwerke in Deutschland abzuschalten. Dies käme
       erstens dem Klimaschutz zugute und stabilisiere zweitens den Strommarkt –
       es winke somit „eine doppelte Dividende“.
       
       Der jährliche Ausstoß von Kohlendioxid ließe sich um 23 Millionen Tonnen
       senken, wenn Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazität von 3 Gigawatt und
       Braunkohlekraftwerke mit zusammen 6 Gigawatt stillgelegt würden. Das
       schreiben die DIW-Forscher in [1][einer Studie] für die
       Heinrich-Böll-Stiftung und die European Climate Foundation. Derzeit sind in
       Deutschland Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von gut 47 Gigawatt in
       Betrieb.
       
       „Der Stromsektor sollte einen stärkeren Beitrag zum Erreichen der kurz- und
       mittelfristigen Klimaziele leisten“, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der
       Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt des DIW Berlin. Deshalb sollten
       „CO2-intensive, ineffiziente Kohlekraftwerke durch effizientere
       Gaskraftwerke ersetzt werden“. Derzeit rentiert sich der Betrieb von
       Gaskraftwerken zu den meisten Zeiten nicht, weil es ein enormes Überangebot
       an billigerem Kohlestrom gibt. Die Gaskraftwerke werden daher in
       Deutschland 2014 wohl so wenig Strom erzeugen wie seit mehr als zehn Jahren
       nicht.
       
       Ein Rückgang der Kohleverstromung würde auch die EEG-Umlage zur Förderung
       der erneuerbaren Energien senken. Sie bemisst sich an der Differenz
       zwischen Einspeisevergütungen und Börsenstrompreis. Und der Börsenpreis
       würde durch weniger Kohlekraft „moderat“ steigen, wie das DIW erklärt.
       Gleichwohl seien „Preissteigerungen für private Stromkunden kaum zu
       erwarten“, sagt Kemfert.
       
       Wie sehr Deutschland über seinen Eigenbedarf hinaus Strom erzeugt, zeigt
       die jüngste Exportstatistik: Im Oktober wurde mit gut 5 Milliarden
       Kilowattstunden der höchste Stromexportüberschuss der Geschichte erzielt.
       Hauptexportland sind nach wie vor die Niederlande. Denn auch dort haben
       deutsche Kohlekraftwerke in den letzten Jahren Gaskraftwerke aus dem Markt
       gedrängt.
       
       Hintergrund sind zum einen die Brennstoffpreise: Die Preisdifferenz
       zwischen Erdgas und Kohle ist seit der Jahrtausendwende fast stetig
       gewachsen. Zudem tendiert der Einfluss des Emissionshandels durch den
       Preisverfall der CO2-Zertifikate gegen null: Bei Preisen um nur noch 6 Euro
       je Tonne Kohlendioxid fehlt jeder Anreiz, Kohle durch das
       klimafreundlichere Erdgas zu ersetzen.
       
       Die wohl spannendste Frage bleibt aber auch in der DIW-Studie außen vor:
       Wie wäre ein Abschalten von Kohlekraftwerken zugunsten der Gaskraftwerke
       politisch erreichbar? Ansätze von Umweltverbänden gibt es viele. Sie
       reichen von einer CO2-Steuer über Emissionsgrenzwerte, mit denen man in den
       achtziger Jahren schon die Schwefelemissionen in den Griff bekommen hat,
       und gehen bis zu einem Ausstiegsgesetz ähnlich dem Atomausstieg.
       
       19 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.489656.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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