# taz.de -- Fifa und Korruption: WM-Boykott-Aufruf aus England
       
       > Die Kritik am Bericht der Fifa-Ethikkomission wird immer lauter.
       > Unterdessen fordert der frühere englische Fußball-Verbandschef, die
       > Fußball-WM zu boykottieren.
       
 (IMG) Bild: Sepp Blatter (l.) und seine Kumpels aus Katar
       
       FRANKFURT dpa | Der frühere englische Verbandschef David Bernstein hat die
       europäischen Fußball-Nationen zum gemeinsamen Kampf gegen die Fifa
       aufgerufen und einen Boykott der Weltmeisterschaft ins Gespräch gebracht.
       „Es sind 54 Länder in der Uefa. Es gibt Deutschland, Spanien, Italien,
       Frankreich und die Niederlande – alle mächtig – und man kann ohne sie keine
       ernsthafte WM abhalten. Sie haben die Macht, das zu beeinflussen, wenn sie
       den Willen dazu haben“, [1][sagte Bernstein in einem BBC-Interview] für den
       Fall, dass der Weltverband keine wirkungsvollen Reformen auf den Weg
       bringen sollte.
       
       Die Turbulenzen rund um die Fifa werden auch am 1. und 2. Dezember in
       Frankfurt ein Thema sein, wenn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Gastgeber
       für andere europäische Verbände ist. „Es ist kein Krisengipfel, sondern ein
       turnusmäßiges Treffen“, betonte Ralf Köttker, Mediendirektor des Deutschen
       Fußball-Bundes, am Montag.
       
       Es seien Diskussionen über Wettbewerbe der Nationalteams und „allgemeine
       fußballpolitische Angelegenheiten“ zu erwarten, teilte die Europäische
       Fußball-Union Uefa auf Anfrage mit. Es steht das „lange geplante“ siebte
       sogenannte Top-Executive-Programm-Meeting an. Teilnehmen werden die
       Präsidenten und Generalsekretäre aus Deutschland, Österreich, Ungarn,
       Israel, Liechtenstein, Luxemburg, Polen und der Schweiz.
       
       Bei dem Treffen dürfte es wohl auch um den umstrittenen
       Untersuchungsbericht der Fifa-Ethikkommission zur Vergabe der
       Weltmeisterschaften 2018 und 2022 gehen, auch wenn dieses Thema nicht
       speziell auf der Agenda steht. Zumal der deutsche Ligapräsident Reinhard
       Rauball das Urteil der Fifa-Ethikkommission zu den WM-Vergaben nach
       Russland 2018 und Katar 2022 scharf kritisiert und angedroht hatte: „Eine
       Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass
       die Uefa sich von der Fifa löst.“
       
       ## „Totalitär“ und „lächerlich“
       
       Keine Reaktion gibt es nach den turbulenten Tagen, die die Fifa in ihre
       größte Glaubwürdigkeitskrise gestürzt haben, von Präsident Joseph Blatter.
       Der Schweizer bekommt jetzt erneut Zunder aus England. Ein von Bernstein
       angeregter WM-Boykott hätte die Unterstützung der englischen
       Öffentlichkeit. Dessen ist sich der frühere Chef des Englischen
       Fußball-Verbandes (FA) sicher, der inzwischen aus der
       Anti-Diskriminierungs-Kommission der Fifa zurückgetreten ist. Dieses
       Gremium nannte er ineffektiv.
       
       Die Fifa bezeichnete Bernstein als „totalitär“ und „lächerlich“. Sie
       erinnere ihn als das ehemalige Sowjet-Regime. Die Glaubwürdigkeit des
       Fußballs habe unter der jetzigen Verbandsführung erheblich gelitten. Die
       Wahl Katars zum WM-Gastgeber 2022 bezeichnete Bernstein als „die
       lächerlichste Entscheidung in der Sportgeschichte“. Blatter werde so lange
       an der Spitze stehen, „bis jemand etwas dagegen“ tue.
       
       „England allein kann das nicht beeinflussen, ein Land allein kann das
       nicht. Aber innerhalb der Uefa hat England zweifellos die Macht, etwas zu
       bewirken. Und dafür muss man auch einen Rückzug von der nächsten WM in
       Betracht ziehen, sollte die Fifa keine richtige Reform durchführen“, führte
       Bernstein aus. Dies schließe auch ein, dass es für Blatter keine fünfte
       Amtszeit als Fifa-Präsident gebe.
       
       ## Weltweite Kritik
       
       Bernstein reagierte mit seinen Äußerungen auf die weltweit kritisierten
       Ermittlungen der Fifa-Ethikkommission zu den WM-Vergaben 2018 und 2022 an
       Russland und Katar. Darin war den beiden Ausrichtern kein gravierendes
       Fehlverhalten bescheinigt worden.
       
       Eine frühere Fifa-Informantin beschwerte sich unterdessen formell über ihre
       Behandlung in dem umstrittenen Bericht. Phaedra Almajid, Ex-Mitarbeiterin
       von Katars Bewerbungskomitee und wichtige Zeugin des Fifa-Sonderermittlers
       Michael Garcia, beklagt sich über den Verstoß gegen die Vertraulichkeit
       durch Eckerts Darstellung. Demnach fühlt sich Almajid „in Verruf gebracht“.
       Damit habe Eckert den unhaltbaren Schluss stützen wollen, dass die
       Bewerbung im Dezember 2010 komplett akzeptabel gewesen ist. Ihre Aussagen
       würden durch den Bericht „plump, zynisch und fundamental fehlerhaft“ als
       unzuverlässig dargestellt, schrieb Almajid in ihrem Brief an Garcia.
       
       Laut Süddeutscher Zeitung (Dienstag-Ausgabe) sieht eine weitere
       Fifa-Informantin in der Darstellung Eckerts einen Vertrauensbruch. Bonita
       Mersiades war Öffentlichkeitschefin der australischen WM-Bewerbung. Sie
       kritisierte in einem Gespräch mit der Zeitung, dass der Ethik-Bericht auch
       ohne Namensnennung Schlüsse auf die beiden Frauen zulasse, so dass sie kurz
       nach der Freigabe identifiziert worden seien.
       
       ## Gesamten Bericht veröffentlichen
       
       FA-Präsident Greg Dyke schloss sich indes in einem Brief an
       Fifa-Exekutivmitglieder der Forderung an, den gesamten Untersuchungsbericht
       zur WM-Vergabe zu veröffentlichen. „Wir können nicht so weitermachen“,
       [2][schrieb er laut bbc.com]. Auch die Verbände der Niederlande und
       Belgiens hatten die Offenlegung verlangt.
       
       Der Münchner Jurist Eckert hatte am Donnerstag einen Report auf der Basis
       des umfangreichen Garcia-Berichtes vorgelegt und die Vergabe der
       WM-Endrunden 2018 und 2022 für zulässig erklärt. Garcia kritisierte dies
       als „unvollständige und fehlerhafte Darstellung von Fakten und
       Schlussfolgerungen“ und legte Einspruch ein.
       
       18 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.bbc.com/sport/0/football/30077311
 (DIR) [2] http://www.bbc.com/sport/0/football/30088006
       
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