# taz.de -- Von den Behörden beschlagnahmte Tiere: „Ein Verdacht, dann marschieren die los“
       
       > Die Kieler Staatsanwaltschaft gehe unverhältnismäßig hart gegen
       > Tierhalter vor, klagt eine Organisation für „gerechten Tierschutz“. Lob
       > kommt dagegen vom Tierschutzbund.
       
 (IMG) Bild: Wie es um ihr Wohlergehen bestellt ist, sehen Halter und Behörden mitunter unterschiedlich: zwei deutsche Doggen am Rande einer Hundeausstellung.
       
       HAMBURG taz | Wie ein „Überfallkommando“ hätten Polizei, Staatsanwaltschaft
       und Veterinärärzte auf ihrem Hof gestanden, erzählt Inga Raths. Rund 20
       Beamte hätten das rote Backsteinhaus im Schleswig-Holsteinischen Padenstedt
       durchsucht, die Koppeln und die Hundezwinger.
       
       „Mir wurden meine Rechte nicht erklärt und ich durfte erst einmal nicht
       telefonieren“, sagt die Hundezüchterin. Einen richterlichen Beschluss habe
       sie nie zu Gesicht bekommen, Gründe für die Durchsuchung habe ihr niemand
       genannt.
       
       Erst der Polizeibericht offenbarte den Verdacht, Raths betreibe neben der
       offiziellen Zucht illegalen Hundehandel. „Da äußert irgendeiner einen
       Verdacht und dann marschieren die los“, kritisiert Raths Lebensgefährte
       Gerhard Kosch. „Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nichts mehr zu tun.“ Und
       sieben beschlagnahmte Tiere habe man schon am nächsten Tag zurückbekommen.
       
       Einfach hinnehmen wollen die beiden das Vorgehen von Behörden und Justiz
       nicht. Sie sind dem Arbeitskreis gerechter Tierschutz (AGT) beigetreten,
       einem Zusammenschluss von Landwirten, Hundezüchtern, Pferdehaltern oder
       auch Zirkussen.
       
       Fälle wie den Raths gibt es demnach häufiger: Von rund 120 im
       Zuständigkeitsbereich der Kieler Staatsanwaltschaft geht der Verein seit
       2011 aus – unverhältnismäßige Razzien, oft ohne Vorlage eines
       Durchsuchungsbeschlusses, unnötige Beschlagnahmungen von Tieren.
       
       Die Staatsanwaltschaft möchte sich zu laufenden Verfahren nicht äußern.
       Oberstaatsanwältin Birgit Heß schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall
       auch ohne richterliche Bestätigung beschlagnahmt worden sein könnten.
       
       Im Gegensatz zu den Tierhaltern begrüßt der Tierschutzbund
       Schleswig-Holstein das entschlossene Handeln der Kieler Behörde: „In
       anderen Regionen schauen Staatsanwälte viel zu lange weg, wenn es um
       Tierschutz geht“, sagt der Landesvorsitzende Holger Sauerzweig-Strey.
       
       Dagegen leisteten die in Kiel „gute Arbeit im Sinne der Tiere“. Der AGT
       habe mit dem karikativen Tierschutz in Deutschland nichts zu tun, sondern
       handele im Eigeninteresse. „Die Halter hätten die Missstände auch im
       Vorhinein abstellen können“, sagt Sauerzweig-Strey.
       
       Dem widerspricht Verena Rottmann, Sprecherin des AGT. Vor vielen der
       Beschlagnahmen habe es weder Gespräche mit den Veterinärämtern gegeben noch
       irgendwelche Auflagen.
       
       Die Staatsanwaltschaft habe Zuständigkeiten umgangen, sagt Rottmann. Sie
       ist Rechtsanwältin, auf Tierschutzrecht spezialisiert, hat ein Buch über
       die Deutsche Dogge geschrieben – und steht selbst gerade wegen des
       Verdachts auf Tierquälerei vor Gericht. Im April vergangenen Jahres
       beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Kiel Rottmanns drei Doggen.
       
       Die Hunde seien „erheblich abgemagert“ gewesen, hätten „über fast keine
       Muskulatur“ mehr verfügt und dadurch „länger anhaltende Schmerzen“
       erlitten, schreibt die Staatsanwaltschaft in einer Presseerklärung.
       
       „Haltlos“ nennt Rottmann die Vorwürfe. Sie legte Beschwerde ein, ohne
       Erfolg. Vergangene Woche bestätigte das Landgericht Kiel die Beschlagnahme.
       „Es ist verhältnismäßig, um eine erneute Gefahr für das Wohl der Tiere
       abzuwenden“, so Gerichtssprecherin Rebekka Kleine. Die Anlage, auf der die
       Hunde gehalten wurden, sei „sehr verdreckt und zugekotet“ gewesen, die
       Hunde „hatten panische Angst, an der Leine ins Freie zu gehen“.
       
       Die Halterin stellt es anders dar. Auch ein Polizeivideo, das bei Gericht
       gezeigt wurde, habe gezeigt, wie munter die Hunde gewesen seien, sagt
       Rottmann. „Kot lag auch keiner herum.“
       
       Eine ihrer Doggen starb während der Unterbringung in einer Pflegestelle.
       Die Anwältin hofft, dass sie die beiden anderen bald zurückbekommt. In
       vielen Fällen habe die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte Tiere hingegen
       schnell weiterverkauft – sogar einen Zirkuselefanten.
       
       Dann helfe den Haltern nicht mal ein Gerichtsbeschluss, sagt Rottmann. Der
       AGT fordert nun, die genaue Zahl von Tierbeschlagnahmungen der
       Staatsanwaltschaft Kiel offenzulegen. „Das Justizministerium muss sich
       äußern.“
       
       Auch wenn sie ihre Hunde zurück hat, will Züchterin Inga Raths
       Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Bis heute versteht die Mutter zweier
       Kinder das rigorose Vorgehen der Staatsanwaltschaft nicht: „Sie hätten
       einfach klopfen können, wir haben nichts zu verbergen.“
       
       Nun aber fühle sie sich im eigenen Haus nicht mehr sicher. Die ganze
       Familie benötige psychologische Betreuung, ergänzt ihr Lebensgefährte.
       Besonders schlimm sei es für ihre Kinder. „Wir sind jetzt die Geächteten im
       Ort.“
       
       6 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Scharpen
       
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