# taz.de -- Spanienrundfahrt der Profiradler: Das dreckige Rennen
       
       > Exzentrischer als die Tour de France, schlagkräftiger als der Giro
       > d’Italia: Die Vuelta schärft ihr Profil als die etwas andere Schleife.
       
 (IMG) Bild: Sonnige Rundfahrt: Zwischen Pamplona und Santuario de Aralar bei der Vuelta.
       
       CANGAS DO MORRAZO taz | Wer klein ist, muss sich etwas einfallen lassen.
       Die Spanienrundfahrt ist die kleinste und gemeinhin unbedeutendste der drei
       großen Rundfahrten. Sonne, Staub und wenig Menschen an den Straßen waren
       lange Jahre ihre Kennzeichen. Eingeklemmt im Rennkalender hinter der Tour
       de France und kurz vor der Weltmeisterschaft dient sie sportlich als
       Reparaturrennen für jene Athleten, deren Ambitionen bei der Tour de France
       Schiffbruch erlitten hatten. Wer sich bei der Weltmeisterschaft Chancen
       ausrechnet, nimmt ebenfalls gern ein, zwei Wochen Vuelta in Angriff – zur
       Vorbereitung.
       
       Eine dritte Kategorie von Vuelta-Nutzern konnte man dieses Jahr beobachten:
       Sportler, die für den Winter planen. Chris Froome, Bruchpilot bei der Tour
       de France, erklärte vor seinem Start in Spanien: „Ich möchte die Vuelta
       nicht kleinreden, aber ich nutze sie, um physisch und mental für die
       nächste Saison bereit zu sein. Ich will in diesem Jahr wenigstens eine
       große Rundfahrt in den Beinen haben, um auf einer guten Basis in den Winter
       zu gehen.“ Inzwischen kämpft der Wintertrainingsvorbereiter glatt um den
       Gesamtsieg mit.
       
       Hauptkonkurrent ist Alberto Contador, ein weiterer Versehrter der Tour de
       France. Weil sich mit dem Kolumbianer Nairo Quintana, Tourzweiter 2013 und
       Giro-Sieger 2014, der nächste ganz große Star des Zweiradsports ebenfalls
       bei der Vuelta einschrieb, mauserte sich das Rennen plötzlich zu einem
       Wettkampf von höherer Qualität als die Tour. Zwar ist Quintana mittlerweile
       wegen eines Sturzes ausgeschieden, aber der Rest sorgt weiterhin für
       Dauertempo.
       
       „Durch die ausgestiegenen Tourfavoriten herrscht hier bei der Vuelta ein
       viel höheres Grundniveau als noch vor einigen Jahren. Das bekommen auch wir
       Sprinter zu spüren. Bei der Bergetappe am Montag mussten wir um unser Leben
       fahren, um überhaupt noch die Karenzzeit zu schaffen“, sagte der vierfache
       Etappensieger und Träger des Sprinttrikots John Degenkolb der taz. Er und
       seine Grupetto-Kollegen kamen 40 Sekunden vor Ultimo ins Ziel.
       
       ## Prügelei vor dem Jury-Wagen
       
       Die hohe sportliche Qualität lässt sich auch in Zahlen ablesen. Nach
       Angaben des Ausrüsters Specialized, der sich auf Leistungsdaten bezieht,
       kamen die Besten bei den Bergetappen auf Werte um die 6,0 Watt pro
       Kilogramm. Toursieger Vincenzo Nibali erreichte diese Schwelle laut
       Specialized lediglich bei seinem beeindruckenden Solosieg in Hautacam. Das
       mag diejenigen erschrecken, die schon Nibalis Performance auf eben diesem
       Pyrenäengipfel für verdächtig hielten. Aber selbst die Werte der
       Vuelta-Besten sind noch weit weg von Leistungsdaten früherer Jahre, als vor
       allem bei der Tour nicht selten Leistungen von 6,2 oder gar 6,6 Watt pro
       Kilogramm über mehr als 20 Minuten Anstieg erbracht wurden.
       
       Sportlich ist die Vuelta mit dem Duell Froome vs. Contador also ein
       Spektakel. Sie weist zudem B-Movie-Qualitäten auf. Die dritte Etappe
       startete in der Hafenstadt Cadiz auf einem Flugzeugträger; Alberto Contador
       ließ sich mit Kapitänsmütze neben einem Jagdflieger abbilden. Wie unter
       Landsknechten ging es auf zwei weiteren Tagesabschnitten zu. Auf der 15.
       Etappe ließ Katjuschas Kapitän Joaquim Rodriguez gegenüber Froome-Helfer
       Philip Deignan die Fäuste sprechen, weil er sich behindert fühlte. Die Jury
       bekam das nicht mit; die Keilerei blieb ungeahndet. Härter traf es tags
       darauf Contador-Helfer Ivan Rovny und den Italiener Gianluca Brambilla.
       Beide prügelten sich direkt vor dem Jury-Wagen – und wurden ausgeschlossen.
       
       Ein ganz besonderes Spektakel lieferten schließlich in A Estrada zum Start
       der 18. Etappe Fans des Lokalhelden Alejandro Marque ab. Der Sieger der
       Portugalrundfahrt 2013 sollte in diesem Jahr eigentlich bei Movistar unter
       Vertrag stehen. Eine positive Dopingprobe machte den Vertrag nichtig.
       Mittlerweile sprach der Weltverband UCI Marque nach Einreichung diverser
       Unterlagen aber vom Dopingverdacht frei. Der Vertragszug bei Movistar war
       dennoch längst abgefahren. Und so zogen die Marque-Fans zum Teambus von
       Movistar – und skandierten den Namen eines konkurrierenden
       Telefondienstleisters.
       
       Fernsehtauglich sind solche Episoden sicher kaum. Aber die Vuelta schärft
       ihr Profil vom „Dirty Racing“. Und ein paar Menschen mehr als früher sind
       zumindest bei den Ortsdurchfahrten zu sehen.
       
       12 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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