# taz.de -- Handel unterstützt Amputationsverbot: Hühnerschnäbel bleiben dran
       
       > Ab dem Jahr 2017 kennzeichnet der Eier-Zertifizierer KAT in ganz
       > Deutschland nur noch Eier von Legehennen mit intaktem Schnabel. Die
       > Geflügelwirtschaft protestiert.
       
 (IMG) Bild: Hartes Leben: Ende 2016 soll für die Legehennen immerhin die grausame Praxis des Schnäbel-Kürzens vorbei sein.
       
       HAMBURG taz | In Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern dürfen die
       Schnäbel von Legehennen ab 2017 nicht mehr gekürzt werden. Auch
       Schleswig-Holstein plädiert für einen Ausstieg aller Legehennen-Betriebe
       aus dieser Praxis. Der niedersächsische Erlass hat bald Auswirkungen auf
       die Eierproduktion in ganz Deutschland und der EU, denn der europaweit
       agierende Eier-Zertifizierer KAT und der Einzelhandel unterstützen das
       Verbot.
       
       Bisher wird fast allen Legehennen in der Boden und Freilandhaltung als
       Küken der Schnabel um einige Millimeter gekürzt, um gegenseitiges Picken
       und Kannibalismus zu vermeiden. Tierschutzverbände kritisieren das Kürzen
       der Schnäbel mit einem Laser oder vereinzelt noch mit einem 800 Grad heißen
       Messer als äußerst schmerzhafte Verstümmelung und Tierquälerei – die
       Geflügelzüchter sehen jedoch keine Alternative.
       
       Die muss aber schleunigst gefunden werden, denn auch der Verein für
       kontrollierte alternative Tierhaltungsformen, kurz KAT, wird das Verbot ab
       2017 unterstützen. Der Verein ist für den Kennzeichnungsstempel auf dem Ei
       verantwortlich. Den bekommen nur die Betriebe, die nach KAT-Standards
       produzieren. Diese Standards liegen teilweise sogar über den
       EU-Vermarktungsnormen und berücksichtigen Tierschutzaspekte.
       
       Die großen Lebensmittel-Einzelhändler vertreiben fast ausschließlich
       KAT-zertifizierte Eier. Die Entscheidung des Vereins, das Verbot
       mitzutragen, hat daher große Auswirkungen auf die Eier-Produktion in ganz
       Deutschland und sogar in anderen EU-Ländern. „Der jeweils strengste
       Standard ist Vorgabe für alle teilnehmenden Betriebe“, erläutert
       KAT-Sprecher Caspar von der Crone.
       
       Für Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer ist der
       KAT-Vorstoß die Bestätigung seiner Politik: „Diese Entscheidung ist ein
       gewaltiger Durchbruch für mehr Tierschutz.“ Zudem sei durch die Einigung
       mit Supermarktketten wie Rewe, Edeka, Lidl und Aldi sowie KAT ein
       „wettbewerbsneutraler Ausstieg aus dem Schnabelkürzen erreicht“, sagt
       Meyer. Alle wichtigen Akteure verzichten ab 2017 auf den Verkauf von Eiern,
       die Hennen mit gekürztem Schnabel gelegt haben.
       
       Kritik am Zeitpunkt des Verbots äußerte der Geflügelwirtschaftsverband
       Schleswig-Holstein und Hamburg. „Ein Zeitraum von drei bis vier Jahren für
       den Ausstieg wäre realistischer“, sagt der Vorsitzende des Landesverbands
       Hans Peter Goldnick.
       
       Wenn den Legehennen die Schnäbel nicht mehr gekürzt werden, müssen die
       Geflügelwirte die Haltungsbedingungen verändern, um Kannibalismus zu
       vermeiden. Bisher sei nicht einmal die genaue Ursache für das Federpicken
       bekannt, sagt Goldnick, der selbst rund 20.000 Hühner in Boden, Freiland
       und Biohaltung hält.
       
       „Es kann die Luft sein, die Temperatur, Wasser oder Calciummangel – das
       Problem tritt immer wieder auf, auch in der Biohaltung“, sagt der Landwirt.
       Einzig das Verdunkeln der Ställe könne kurzfristig Abhilfe schaffen. „Aber
       wir wollen nicht ein Tierschutzproblem durch das nächste ersetzen.“
       
       Langfristig hofft Goldnick auf neue Züchtungen von Hühnern mit geringerem
       Hacktrieb oder einem kürzeren Oberschnabel. Ohne solche Fortschritte sei
       das Verbot verfrüht. „Den Tieren dient es nicht“, glaubt Goldnick. Und:
       „Ich halte es für gefährlich, die Experimentierphase in die Betriebe zu
       verlegen.“
       
       Mahi Klosterhalfen von der „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“,
       die das Verbot unterstützt, kann verstehen, dass der Zeitplan die Halter
       unter Druck setzt. „Unmöglich ist es aber nicht, es ist schon viel Wissen
       vorhanden.“ Ein verbessertes Stallmanagement sei gefragt: „Man muss nicht
       nur die Schnäbel intakt lassen, sondern auch den Stress für die Tiere
       reduzieren.“ Sonst käme es zu schweren Verletzungen.
       
       Klosterhalfen schlägt vor, externe Berater hinzuzuziehen. „Die erkennen
       auch Kleinigkeiten in den Ställen, die Stress für die Hühner und damit das
       Federpicken auslösen.“
       
       18 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Scharpen
       
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