# taz.de -- Brasilien vor dem Halbfinale: Vertrauen in stabile Organisation
       
       > Auf Gott, wie Pelé glaubt, wird sich Brasilien nicht verlassen müssen.
       > Denn Trainer Scolari kann viele Spieler als Neymar-Ersatz aufbieten.
       
 (IMG) Bild: Dürfen sich nach Neymars Ausfall Hoffnung auf einen Platz in der Startelf machen: Bernard (l.) und Willian.
       
       Es war eine Demonstration der neuen Unberechenbarkeit der Seleção. Wer wird
       nach Neymars Ausfall in die Mannschaft kommen? Willian oder Bernard? Das
       sind, glaubt man der brasilianischen Presse, derzeit zwei der
       aussichtsreichsten Kandidaten.
       
       Trainer Felipe Scolari, der vor dem Halbfinale gegen Deutschland wenig
       Interesse daran hat, in dieser Angelegenheit sachdienliche Hinweise zu
       geben, schickte sie deshalb einfach mal beide zur Pressekonferenz. Sich
       gegenseitig zu loben, das war offenbar die Aufgabenstellung, die er ihnen
       mit auf den Weg gegeben hatte. So attestierten sie sich gegenseitig,
       „Spieler von großer Qualität“ zu sein.
       
       Als direkter Neymar-Ersatz kommen ohnehin beide eher nicht in Frage. Dessen
       zentrale Rolle würde vermutlich Oscar übernehmen, dessen Platz wiederum von
       den beiden genannten Spielern übernommen werden könnte. Der 25-jährige
       Willian hat den Vorteil, dass er beim FC Chelsea Teamkollege von Oscar ist.
       Eine Entscheidung für den erst 21-jährigen technisch sehr beschlagenen
       Bernard wäre gewiss die ungewöhnlichere Wahl. Immerhin geht es ja um den
       Einzug ins WM-Finale.
       
       Vielleicht hat Scolari die beiden aber auch nur im Rampenlicht Platz nehmen
       lassen, um die Spekulanten völlig in die Irre zu führen und sie letztlich
       wieder auf die Ersatzbank zu setzen. Wenn er von seinem bisherigen 4-2-3-1
       System abrückt, so wie er es gegen Kolumbien direkt nach Neymars
       Wirbelbruch getan hat, könnte in einer 4-3-3-Aufstellung Ramires oder
       Hernanes die Nutznießer der Notlage sein.
       
       ## Partie mit vielen Ungewissheiten
       
       Bei aller Tristesse im brasilianischen Lager darf man auch nicht vergessen,
       dass der gegen Kolumbien gelbgesperrte Luiz Gustavo wieder in das Team
       zurückkehrt. Im Grunde stehen Scolari im Spiel nach vorn viele
       gleichwertige B-Lösungen zur Verfügungen. Nach Neymars Demission rückt nun
       Trainer Felipe Scolari in den Blickpunkt der brasilianischen Fans. Sie
       setzen all ihre Hoffnungen in das strategische Geschick des
       Weltmeistertrainers von 2002.
       
       Und auch im deutschen Team ist der Respekt vor dem 65-jährigen Scolari
       groß. Bastian Schweinsteiger erklärte vor der Begegnung mit Brasilien: „Ich
       bin der Meinung, dass hier eine Mannschaft den Titel holt, die einen
       erfahrenen Trainer hat. Der größte Gegner wird wohl der Trainerstab für uns
       sein.“
       
       Es wird eine Partie der vielen Ungewissheiten. Womit man getrost rechnen
       kann: Die Seleção wird ihren ohnehin sehr körperlichen Stil noch mehr Wucht
       verleihen, um den Ausfall ihres Spielgestalters zu kompensieren. Und die
       Defensive, die im Viertelfinale gegen Kolumbien die überzeugendste
       Vorstellung in diesem Turnier bot, ist zwar durch die Gelbsperre von Thiago
       Silva gehandicapt, Dante kann jenen jedoch zumindest in der Partie gegen
       die Deutschen ganz gut vertreten. Der Bayern-Spieler kennt die Eigenheiten
       seiner deutschen Gegenspieler so gut wie kein zweiter.
       
       ## Deutschland tut sich schwer
       
       Sowieso ist davon auszugehen, dass Felipe Scolari nun noch mehr Augenmerk
       auf die stabile Organisation seiner Mannschaft legen wird. Schließlich
       haben sich die Deutschen in diesem Turnier gegen gut verteidigende
       Mannschaften sehr schwer getan. Und Standardsituationen beherrschen die
       Brasilianer ebenso gut wie das Team von Joachim Löw.
       
       Aber selbst wer in Brasilien nach wie vor dem Star-Denken verpflichtet ist
       und nicht so recht an diese Mannschaft glauben will, hat seine Hoffnung
       nicht aufgegeben. Brasiliens Vorzeigefußballer, der große Pelé, erinnerte
       in diesen Tagen daran: „Ich habe mich während der Weltmeisterschaft 1962 in
       Chile auch verletzt. Aber Gott half Brasilien den WM-Titel zu gewinnen.“
       Das wäre also noch eine weitere Option, auf die wohl Felipe Scolari lieber
       nicht vertrauen wird.
       
       8 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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