# taz.de -- Algerien vor Spiel gegen Deutschland: Das B-Team aus der Banlieue
       
       > Die algerischen Medien lästern: Die eigenen Spieler seien in Wirklichkeit
       > verkappte Frankreichspieler zweiter Klasse. Was ist da dran?
       
 (IMG) Bild: Yacine Brahimi ist in Paris geboren und aufgewachsen. Er spielt dennoch für die algerische Nationalelf.
       
       PARIS taz | Schon 2010 bei der WM in Südafrika hatte Le Monde über das
       algerische Team von einer „Equipe France-bis“ geschrieben – wegen der
       vielen „Beurs“, also der Algerier, die in Frankreich geboren und
       aufgewachsen sind. Das war natürlich übertrieben und ironisch gemeint.
       Jetzt hat die Washington Post diesen Kalauer aufgewärmt und in einer
       ernsthaften Analyse, „The other French team: Soccer and independence in
       Algeria“, neu vor historischem Hintergrund behandelt.
       
       Beachtet wurde dies vor allem in Algerien, wo man empfindlich auf solche
       Witze über die Staatszugehörigkeit reagiert. Denn dort ist die Frage der
       Unabhängigkeit auch 52 Jahre nach dem Ende des Kolonialkriegs gegen
       Frankreich ein heikles Thema, selbst dann – oder gerade wenn – es um Sport
       geht.
       
       Doch die Zahlen sprechen für sich: 21 von 23 Spielern in der Mannschaft des
       bosnischen Trainers Vahid Halilhodzic sind in Frankreich als Kinder
       algerischer Einwanderer auf die Welt gekommen, 8 von ihnen haben sogar bei
       der U19 und der U21 der „Bleus“ gespielt, sich zuletzt aber doch für die
       Heimat ihrer Eltern entschieden respektive sich abwerben lassen.
       
       Ein Paradebeispiel dafür ist der Mittelfeldspieler Yacine Brahimi. Er kam
       1990 in Paris in einer algerischen Immigrantenfamilie auf die Welt und
       wuchs in einem typischen Vorstadtquartier im Norden der Hauptstadt auf. Für
       viele Einwandererkinder bedeutet der Sport eine Chance zur Integration oder
       gar für eine Karriere. Yacine begann mit sieben im Vorortsklub ASB
       Montreuil-sous-bois und kam drei Jahre später als vielversprechendes Talent
       zum Klub in Vincennes am Stadtrand von Paris.
       
       ## Fußballschule in Clairefontaine
       
       Doch der Schritt, der ihn dem Ziel des Profispielers oder gar des
       internationalen Stars näher brachte, war die Aufnahme in die Fußballschule
       in Clairefontaine. Dieses Ausbildungszentrum des französischen
       Fußballverbands FFF liegt in einer idyllischen Waldlandschaft im Westen der
       Hauptstadt. Die Bedingungen, unter denen die jungen Nachwuchssportler in
       diesem Trainingszentrum der Nationalmannschaft zu Spitzenfußballern
       herangezogen werden, sind fast märchenhaft ideal.
       
       Für Yacine Brahimi wurde Clairefontaine zum Sprungbrett in die
       Erstliga-Klubs: als Jugendlicher bei Paris Saint-Germain, danach bei Stade
       Rennais (Bretagne) und in Lille mit Profivertrag. Heute spielt er in
       Granada und gehört in Spanien zu Elite. Seine französisch-algerische
       Doppelbürgerschaft ermöglichte es ihm auch, einen festen Platz in einer
       Nationalmannschaft zu bekommen. Da er bei den „Bleus“ auf seiner Position
       als Konkurrent von Frank Ribéry und Mathieu Valbuena wohl kaum Chancen auf
       mehr als auf einen Platz auf der Ersatzspielerbank gehabt hätte, nahm er
       2013 den Vorschlag an, für seine zweite Heimat ,Algerien, zu kicken.
       
       Das wurde erst möglich, als die Fifa 2009 auf Drängen des damaligen
       algerischen Coachs Mohamed Raouraoua ihre Statuten geändert hat. Seither
       darf ein Spieler mit mehreren Staatsangehörigkeiten auch dann für ein Land
       spielen, wenn er zuvor in der Juniorenauswahl eines anderen Staates
       gespielt hat.
       
       Für Algerien sei das ein historischer Wendepunkt gewesen, der viel über die
       komplizierten Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien aussage, erklärt
       der französisch-algerische Sportjournalist Akram Belkai. Denn lange schon
       sei die Doppelbürgerschaft dieser verlorenen Söhne, die in der ehemaligen
       Kolonialmacht Frankreich Karriere machten, auf der anderen Seite des
       Mittelmeers verpönt. Das Tabu sei vor allem seit der WM von 2010 definitiv
       gebrochen worden. Heute werden in Algerien allenfalls die extravaganten
       Frisuren und Tätowierungen dieser „Franco-Algériens“ kritisiert oder auch,
       dass diese oft kein Arabisch sprechen.
       
       ## Benzema lehnte ab
       
       Yacine Brahimi ist nicht der Einzige, der seine Chance zur Teilnahme an
       internationalen Wettkämpfen nutzte. Als Karim Benzema im Alter von 19
       Jahren vom algerischen Coach für die Nationalelf gewonnen werden sollte,
       lehnte er selbstsicher ab: „Algerien ist das Land meiner Eltern, das ich
       ihm Herzen trage. Was den Sport angeht, da spiele ich lieber für
       Frankreich.“
       
       Der in Marseille aufgewachsene Zinédine Zidane hätte wohl etwas Ähnliches
       sagen können. Genau wegen solcher, in den französischen Klubs ausgebildeter
       Spitzenspieler wie Karim Benzema oder Samir Nasri bereut heute auch kaum
       jemand beim Französischen Fußballverband mehr die Investitionen in den
       Nachwuchs aus der zweiten Einwanderergeneration.
       
       Das war nicht immer so: Nach dem Desaster bei der WM in Südafrika wurden
       Sündenböcke gesucht. Laut französischen Medien wurde an der FFF-Spitze mit
       Nationaltrainer Laurent Blanc über „Quoten“ diskutiert, um den Eindruck zu
       vermeiden, dass die Mannschaft der „Bleus“ fast ausschließlich aus „Blacks“
       und „Beurs“ bestehe.
       
       Natürlich wurde der Rassismusvorwurf empört zurückgewiesen. Tatsache ist
       aber auch, dass die Besten unter diesen in französischen Klubs und im
       FFF-Internat Clairefontaine aufgezogenen Fußballkünstlern mit
       Immigrationshintergrund zuletzt dem Ruf des Geldes folgen und ihre
       eigentliche Heimat als Berufsspieler bei einem spanischen, britischen oder
       italienischen Klub oder in einem Emirat finden, die ihnen entsprechend hohe
       Gagen zahlen können.
       
       30 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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