# taz.de -- Umkämpfte Hamburger Esso-Häuser: Abriss – und dann?
       
       > Das Ende der Esso-Häuser rückt näher, aber die Diskussion, was aus dem
       > Gelände wird, ist noch nicht vorbei: Die Grünen finden, die Stadt solle
       > sie kaufen, die SPD hält davon gar nichts.
       
 (IMG) Bild: Die Grünen sagen es höflicher, aber verstaatlichen wollen sie die Häuser. auch.
       
       HAMBURG taz | Am Mittwoch rückten die Bagger an, begannen mit dem Abriss
       der Esso-Häuser und markierten damit das Ende eines über fünfzig Jahre
       dauernden Kapitels Kiez-Geschichte. Just an diesem Tag kamen die Grünen in
       der Hamburger Bürgerschaft mit einem Antrag: Die Stadt solle die
       Esso-Häuser der Immobilienfirma Bayerische Hausbau abkaufen und gemeinsam
       mit den Anwohnern planen, wie das Areal in Zukunft gestaltet werden soll.
       
       Dieser Vorschlag stieß wie erwartet nicht nur auf Zustimmung: „Das ist
       Populismus pur“, schimpfte Dirk Kienscherf, Fachsprecher Stadtentwicklung
       der SPD. „Damit sendet man ein völlig falsches Signal an alle zukünftigen
       Investoren, nämlich, dass die Stadt jedes Objekt zurückkauft, bei dem die
       Verhandlungen schwierig sind.“
       
       Handelt es sich hierbei also um reine Utopie? Im Gegenteil: „Uns ist es
       absolut ernst mit der Idee“, sagt der Grüne Olaf Duge. Die SPD könne ihre
       Forderungen gegenüber der Investorin offenbar nicht aufrechterhalten. „Sie
       will die Bürger mit einbeziehen, doch mit der Bayerischen Hausbau als
       Eigentümerin wird dies nicht möglich sein.“
       
       Vor vier Jahren hat die Bayerische Hausbau die baufälligen Esso-Häuser für
       rund 19 Millionen Euro gekauft. Abreißen, verdichten, neu bauen, war ihr
       Plan, womit sie bei den Anwohnern auf heftigen Widerstand stieß. Den
       Abbruch der Häuser konnten die Bewohner jedoch nicht verhindern,
       vergangenen Dezember mussten sie wegen Einsturzgefahr evakuiert werden.
       
       „Es geht uns nicht um die Häuser, es geht darum, dass sozial Benachteiligte
       immer mehr aus St. Pauli verdrängt werden“, sagt Steffen Jörg von der
       Initiative Esso-Häuser. Auch Günter Zint, Fotograf und jahrzehntelanger
       St.-Pauli-Bewohner, beschwert sich über die Entwicklung des Viertels. „Es
       war das Viertel der Ganoven, Künstler, Prostituierten“, sagt der
       inoffizielle Chronist von St. Pauli. „Als ich in den 70er-Jahren eine
       Wohnung auf St. Pauli suchte, sagte die Sachbearbeiterin zu mir: ’Nach St.
       Pauli zieht man doch nicht freiwillig, da wird man eingewiesen.‘“
       
       Das ist lange her und mittlerweile wurde auch die älteste Tankstelle
       Deutschlands, die neben dem 50er-Jahre-Plattenbau stand, abgerissen. „Die
       Esso-Häuser sind ein Mikrokosmos von St. Pauli“, so Steffen Jörg.
       Inzwischen ist ein weiteres Label hinzugekommen: „Die Esso-Häuser wurden
       zum Symbol für Gentrifizierung.“
       
       Der Prostest gegen Gentrifizierung ist groß im geplagten St. Pauli. „Die
       herrschende Stadtteilpolitik geht nicht auf die drängenden Probleme der
       Menschen ein“, sagt Jörg. Er wünscht sich eine „authentische Beteiligung“
       der Anwohner. „Schließlich kennen die Leute ihren Bezirk am besten.“ Ist
       das utopisch? Eine Stadt, bei der die Bewohner planen und bestimmen, wie
       ihr Viertel künftig aussieht? Nein, finden die Grünen. „Will die Politik
       die Bürger mit einbeziehen, dann muss die Stadt die Esso-Häuser
       zurückkaufen“, sagt Duge. Auch wenn er die Entscheidungsgewalt bei der
       Politik sieht, wünscht er sich das Einbeziehen der Bevölkerung.
       
       Auch die SPD spricht von Bürgerbeteiligung. Neben einer 50 -Prozent-Quote
       sozial geförderter Wohnungen im künftigen Neubau und einer Einzugsgarantie
       für die vorherigen Mieter ist die Partizipation der Anwohner eine der
       zentralen Forderungen, die sie gegenüber der Immobilienfirma durchzusetzen
       versucht. „Wir hoffen, dass wir zu einer Lösung kommen, wenn wir nur
       beharrlich verhandeln“, sagt SPD-Mann Kienscherf. Den Grünen reicht dies
       offenbar nicht: „Mit dem Bremsklotz Bayerische Hausbau wird ein
       partizipatorischer Planungsprozess nicht möglich sein“, sagt Duge.
       
       Der Initiative geht sowohl das eine als auch das andere nicht weit genug.
       Sie nehmen die Sache lieber selbst in die Hand: „Wir müssen die Investoren
       in ihre Schranken weisen“, sagte eine Sprecherin bei einer Demonstration am
       Abrisstag. Rund 500 Demonstranten zogen von den Esso-Häusern aus durchs
       Viertel, um mit Trillerpfeifen, Trommeln und Töpfen gegen Gentrifizierung
       zu lärmen. Bei der Baustelle an den Esso-Häusern will die Initiative einen
       Ort errichten, als Anlaufstelle für all jene Leute, die ihre Ideen
       vorstellen möchten.
       
       Für Jörg ist der Abbruch der Esso-Häuser nicht das Ende der Geschichte, im
       Gegenteil: „An dem Entscheidungsprozess wird sich zeigen, ob dies der
       Todesstoß oder eine gelungene Kehrtwende in der Entwicklung St. Paulis sein
       wird.“
       
       10 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Meret Michel
       
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