# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Krim driftet weiter Richtung Moskau
       
       > Auf der Halbinsel hat man es eilig mit der Abspaltung von der Ukraine.
       > Derweil berät der US-Präsident mit westlichen Amtskollegen über neue
       > Sanktionen gegen Russland.
       
 (IMG) Bild: Russland behauptet, es habe sie nicht geschickt: maskierte Bewaffnete in einem kleinen Dorf auf der Halbinsel Krim.
       
       SINFEROPOL/KIEW/BERLIN dpa/afp/rtr | Eine Woche vor dem umstrittenen
       Krim-Referendum hat die politische Führung der Halbinsel einen schnellen
       Beitritt zur Russischen Föderation angekündigt. „Der Übergangsprozess in
       eine neue Rechtsprechung ist kompliziert. Aber wir gehen davon aus, dass
       alles noch im März gelingt“, sagte der Vorsitzende des prorussischen
       Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, am Samstag in Simferopol nach
       Angaben der Agentur Itar-Tass. Die EU und die USA haben Russland für den
       Fall einer Annexion der Krim weitere Sanktionen angedroht.
       
       Bei dem Referendum am 16. März sollen die Bewohner der Halbinsel
       entscheiden, ob die Krim sich der Russischen Föderation anschließt. Eine
       prorussische Mehrheit gilt als sicher. Die über Jahrhunderte russische
       Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für
       einen Bruch internationalen Rechts hält.
       
       Der Kreml hat bereits angekündigt, die Schwarzmeer-Halbinsel eingliedern zu
       wollen. Konstantinow versprach den Staatsbediensteten auf der Krim, dass
       sich deren Einkommen in Zukunft im Schnitt vervierfachen werden.
       
       Angesichts der kompromisslosen Haltung Russlands hat US-Präsident Barack
       Obama seine Krisendiplomatie intensiviert. Nach einem Telefonat mit
       Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach er am Samstag mit den politischen
       Führern Großbritanniens, Frankreichs und Italiens sowie mit den Präsidenten
       der drei baltischen Staaten. Nach Angaben des Weißen Hauses forderten alle
       Gesprächspartner übereinstimmend, dass Russland die Soldaten auf der Krim
       zurück in ihre Kasernen schicken solle. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident
       François Hollande habe Obama auch über neue Sanktionen gegen Russland
       gesprochen, teilte der Élysée-Palast mit.
       
       ## OSZE-Beobachter schaffen es nicht auf die Krim
       
       Seit Tagen versuchen OSZE-Militärbeobachter vergeblich, auf dem Landweg von
       der Südukraine zur Krim zu gelangen. Am Samstag spitzte sich die Lage
       erheblich zu. Mit Warnschüssen verwehrten prorussische Uniformierte den
       Zugang zur Krim. Die bewaffneten Männer hätten mit zwei Salven die
       Weiterfahrt des Busses mit den Experten der Organisation für Sicherheit und
       Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhindert, hieß es aus diplomatischen
       Kreisen in Wien. Eine OSZE-Sprecherin sagte, bei dem Zwischenfall in der
       Nähe des Kontrollpunktes Armjansk im Norden der Krim sei niemand verletzt
       worden.
       
       Prorussische Einheiten kontrollieren seit einer Woche die mehrheitlich von
       Russen bewohnte Krim. Moskau bestreitet jedoch, Soldaten außerhalb
       vereinbarter Gebiete einzusetzen. Bewaffnete in Uniformen ohne
       Hoheitsabzeichen seien „Selbstverteidigungskräfte“, die nicht unter dem
       Kommando des Kreml stünden. Nach einem unbestätigten Zeitungsbericht haben
       prorussische Kräfte damit begonnen, den Übergang zur Halbinsel zu verminen.
       
       Die OSZE-Experten sollen die militärischen Aktivitäten Russlands auf der
       Krim beobachten. Moskautreue Bewaffnete hatten den Militärbeobachtern
       bereits am Donnerstag und Freitag mehrfach den Zugang zu der
       Schwarzmeerhalbinsel versperrt. Die OSZE-Mission ist bis zum kommenden
       Mittwoch befristet. Aus Sicht Moskaus sind nur die neuen Machthaber in
       Simferopol befugt, den OSZE-Experten ein Mandat für die Krim zu erteilen.
       
       ## Bundesregierung will Druck erhöhen
       
       Die Bundesregierung will nach einem Medienbericht in den kommenden Tagen
       einen weiteren Versuch starten, um Russland durch erhöhten Druck in der
       Ukraine-Krise zum Einlenken zu bewegen. Berlin plane, „eine möglichst breit
       angelegte internationale Koalition zu mobilisieren“, die sich gegen eine
       Eskalation der Lage stemme. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine
       Sonntagszeitung unter Bezug auf das Auswärtige Amt. Die Koalition solle die
       Europäische Union, die OSZE und den Europarat umfassen. Es gehe um die
       Vorbereitung von „klugen Gegenmaßnahmen, die Russland zeigen sollen, was
       auf dem Spiel steht“.
       
       Die USA und die EU hatten in dieser Woche erste Sanktionen gegen Russland
       beschlossen. Sollte Moskau im diplomatischen Konflikt um die Krim nicht
       einlenken, will die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen. Im
       Extremfall will Brüssel auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.
       
       Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen zu einem
       „Dialog ohne Beschuldigungen“ auf: „Wir sind zu partnerschaftlichen
       Gesprächen bereit – allerdings akzeptieren wir keine Versuche, uns als
       einen Beteiligten des Konflikts in der Ukraine hinzustellen“, sagte er laut
       der Agentur Interfax.
       
       ## Martin Schulz: Bestandsgarantie für Sewastopol
       
       EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat zur Entschärfung des
       Ukraine-Konflikts eine Bestandsgarantie für den russischen
       Flottenstützpunkt auf der Krim vorgeschlagen. Eine diplomatische
       Krisenlösung sei noch immer möglich und die Sicherung des Stützpunkts in
       Sewastopol ein Kernanliegen Russlands, sagte Schulz der Bild am Sonntag.
       „Eine langfristige Bestandsgarantie für die russische Marine im Rahmen
       eines bindenden Vertrages zwischen Russland und der Ukraine könnte eine
       Lösung sein“, argumentierte er.
       
       Die Verhandlungen müssten aber abgeschlossen werden, bevor die
       Krim-Bevölkerung am 16. März in einem Referendum über die Aufnahme der
       Halbinsel in die Russische Föderation abstimmen soll, sagte Schulz der
       Zeitung. „Die nächsten Tage sind entscheidend.“ Russlands Präsident
       Wladimir Putin dürfe der ukrainischen Regierung nicht das Gespräch
       verweigern, denn ein Dialog könne deeskalierend wirken. „Deshalb müssen wir
       auch ökonomischen Druck auf Putin aufbauen, dass er endlich mit der Ukraine
       verhandelt“, erklärte Schulz. Sollte Russland derartige Verhandlungen
       boykottieren, werde die EU ihre Sanktionen verschärfen.
       
       Andere raten von derartigen Schritten ab. „Harte Wirtschaftssanktionen
       gegen Russland hätten nicht nur für die dortige Bevölkerung und Wirtschaft
       erhebliche Auswirkungen, sondern auch auf Unternehmen und Arbeitsplätze
       hierzulande“, warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und
       Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, in der Bild am Sonntag.
       Linkspartei-Chef Bernd Riexinger bezeichnete an gleicher Stelle jegliche
       Sanktionen als „so gefährlich wie sinnlo“".
       
       Nach Ansicht von Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sollte die
       Bundesregierung jedoch prüfen, „wie die gefährliche deutsche Abhängigkeit
       von Russland bei Gas und Öl durch andere Herkunftsländer verringert werden
       kann“. Laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag der BamS wären die meisten
       Deutschen allerdings nicht bereit, eine Verringerung der russischen Öl- und
       Gaslieferungen und damit höhere Energiepreise in Kauf zu nehmen, um der
       Ukraine zu helfen: Demnach sprachen sich 54 Prozent der 500 befragten
       Bundesbürger gegen und nur 41 Prozent für eine solche Solidaritätsgeste
       aus.
       
       9 Mar 2014
       
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