# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Ist von mir? Find ich gut
       
       > Jan Fleischhauer hatte selbst am Drehbuch zum Wulff-Film „Der Rücktritt“
       > mitgewirkt – trotzdem durfte er im „Spiegel“ über den Film schreiben.
       
 (IMG) Bild: Kai Wiesinger als Christian Wulff in „Der Rücktritt“.
       
       Was kosten eigentlich – sagen wir mal – drei Seiten Werbung im Spiegel?
       Egal, der Sat.1-Film „Der Rücktritt“ über Christian Wulff dürfte sie für
       lau bekommen haben. Denn da durfte sich Jan Fleischhauer noch einmal auf
       mehreren Seiten über den Fall Wulff auslassen, garniert mit Fotos aus dem
       Sat.1-Streifen. Dazu noch ein Artikel bei Spiegel Online, auch von
       Fleischhauer – und natürlich alles pünktlich zur Ausstrahlung des Films.
       
       Dazu muss man wissen: Fleischhauer hat selbst an dem Drehbuch des
       Dokudramas „Der Rücktritt“ mitgewirkt. Das macht die gedruckte Ausgabe des
       Hamburger Magazins in einer kleinen Fußnote und die Onlineversion im Teaser
       deutlich. Immerhin.
       
       Dennoch bleibt ein ekliger Beigeschmack, wenn man liest, wie Fleischhauer
       auf Spiegel Online erklärt, dass die Detailtreue mit Kleinigkeiten beginne
       – und warum man die Geschichte um den gestürzten Bundespräsidenten, „dieses
       Drama“, generell „nur als Eingeschlossenen-Drama erzählen kann“ und dann
       noch den Hauptdarsteller Kai Wiesinger lobt, „weil er den Charakter
       herausarbeitet, statt sich an Äußerlichkeiten wie einer Imitation des Gangs
       oder der Sprechweise aufzuhalten“.
       
       Spiegel-Gründer Rudolf Augstein hat einst seine selbstverfassten
       Theaterstücke im eigenen Magazin rezensieren lassen. Und zwar von
       unbefangenen Journalisten. Redakteur Hans Toll verriss 1947 daraufhin das
       Augstein-Stück „Die Zeit ist nahe“ mit den Worten: „Es dauerte etwas, bis
       man sich dem traditionellen Genuss des Beifallspendens einigermaßen
       hingab.“
       
       ## Vorbild Rudolf Augstein
       
       Rudolf Augstein hätte den Artikel natürlich verhindern können. Er tat es
       nicht. Angeblich wollte der Chefredakteur stattdessen Souveränität
       beweisen. Ein edler Zug, der beim Spiegel anscheinend irgendwann auf dem
       Weg von damals bis heute verloren gegangen ist.
       
       Eine Rezension von einem unbeteiligten Journalisten haben sich die
       Fast-alles-Rezensenten von SpOn zumindest geklemmt – oder sie haben sie so
       gut versteckt, dass ich sie nicht gefunden habe.
       
       Der Rezensent oder die Rezensentin wäre womöglich zu einem anderen Schluss
       gekommen als Fleischhauer, vielleicht wären gar Worte wie „langweilig“,
       „vergeudete Lebenszeit“, „geht nicht über die Nachrichten hinaus“ oder
       „jede N24-Doku ist spannender als das Leben des Christian Wulff und dieser
       Film“ im Text aufgetaucht. Vielleicht.
       
       ## Und der Film floppte doch
       
       Immerhin vermeldete das Onlineportal am Tag nach der Ausstrahlung, dass das
       Dokudrama „äußerst schwache Quoten für den Sender“ geliefert hatte. Sat.1
       hatte nur 2,78 Millionen Zuschauer vor den Fernseher locken können.
       Marktanteil: 8,8 Prozent.
       
       „Angesichts der hohen Aufmerksamkeit im Vorfeld sind diese Zahlen für den
       Sender enttäuschend“, heißt es in der DPA-Meldung auf Spiegel Online. 
       
       Enttäuschend. Aber gerecht.
       
       Wer spannende Politunterhaltung will, kann ja auf „Borgen“ oder „House of
       Cards“ zurückgreifen. Die werden auch auf Spiegel Online rezensiert. Von
       unbefangenen Redakteuren. In guter augsteinscher Tradition.
       
       7 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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