# taz.de -- Gefahrenzonen in Hamburg: Klobürste wird zum Dauerbrenner
       
       > Hamburgs Polizei kann weiterhin eigenmächtig Stadtviertel zu
       > Gefahrengebieten erklären. Grüne und Linke scheiterten in der
       > Bürgerschaft mit Gegenanträgen.
       
 (IMG) Bild: Modisch nicht unbedingt der Renner, politisch gesehen aber total.
       
       HAMBURG dpa/lno | Hamburgs Polizei kann weiter eigenmächtig über den Erlass
       der umstrittenen Gefahrengebiete entscheiden. Grüne und Linke scheiterten
       am Donnerstag in der Bürgerschaft mit Anträgen zu einem Verbot dieser
       Sonderzonen. Auch FDP-Forderungen nach einer richterlichen Kontrolle vor
       Erlass eines Gefahrengebiets fanden keine Mehrheit.
       
       Die alleinregierende SPD beschloss mit Unterstützung von CDU und FDP nur,
       dass die Polizei Gefahrengebiete künftig „in die jährliche Unterrichtung
       der Bürgerschaft“ einbeziehen muss, „um die regelmäßigen Möglichkeiten
       parlamentarischer Kontrolle auch dieser Maßnahme weiter zu verbessern“.
       
       Die Polizei hatte nach den schweren Krawallen im Dezember vergangenen
       Jahres und Angriffen auf Polizisten und Reviere am 4. Januar ein
       Gefahrengebiet in bislang unbekannter Größe eingerichtet.
       
       In zentralen Stadtteilen wie St. Pauli, der Sternschanze und Teilen Altonas
       erlaubte sie sich selbst neun Tage lang, jeden Bürger verdachtsunabhängig
       zu kontrollieren, seine Taschen „in Augenschein“ zu nehmen oder
       Aufenthaltsverbote zu erteilen. Basis war das Hamburger „Gesetz über die
       Datenverarbeitung der Polizei“. Ziel war es laut Polizei, weitere schwere
       Straftaten zu verhindern.
       
       ## Eine Millionen für Kontrollen ausgegeben
       
       Insgesamt wurde fast 1000 Mal kontrolliert. Die Kosten für die insgesamt
       mehr als 3000 eingesetzten Beamten beliefen sich laut einer Senatsantwort
       auf fast eine Million Euro. Die Gefahrengebiete brachten die Hansestadt
       bundesweit in die Schlagzeilen. Sogar die US-Botschaft sah sich für ihre
       Landsleute zu einem Hinweis genötigt.
       
       Gleichzeitig kam es gerade wegen der Gefahrengebiete beinahe täglich zu
       neuen Protesten und auch kleineren Ausschreitungen. Symbol für den Protest
       wurde die Klobürste. Außerdem stellte sich heraus, dass der wohl für den
       Erlass der Gefahrengebiete ausschlaggebende Angriff auf die Davidwache an
       der Reeperbahn am 28. Dezember möglicherweise gar nicht so stattgefunden
       hat wie von der Polizei geschildert.
       
       Für Grüne und Linke kann die Konsequenz aus dieser Aktion nur ein Verbot
       der Sonderzonen sein. „Hier hat die Polizei Politik gemacht“, kritisierte
       die Grünen-Innenexpertin Antje Möller. Das könne so nicht weitergehen. „Das
       erfüllt nicht einmal Mindestbedingungen von Rechtsstaatlichkeit“, betonte
       die Linken-Innenexpertin Christiane Schneider. „Die gesetzliche
       Ermächtigung zu Errichtung von Gefahrengebieten muss aus dem Gesetz
       gestrichen werden.“
       
       Der FDP-Innenpolitiker Carl Jarchow kritisierte eine „willkürliche
       Anwendung“ des Gesetzes und forderte einen Richtervorbehalt. Außerdem dürfe
       ein Gefahrengebiet nur überschaubare Straßenzüge umfassen. „Nur mit diesen
       engeren Restriktionen wird es möglich sein, Verständnis für solche
       vorübergehenden Sicherheitsmaßnahmen (...) zu erreichen.“
       
       ## Von einem Polizeistaat kann nicht die Rede sein
       
       Unter den Oppositionsfraktionen bekannte sich einzig die CDU zu den
       Gefahrengebieten, die sie selbst 2005 während ihrer Alleinregierung ins
       Gesetz geschrieben hat. Dieses Instrument müsse erhalten bleiben, „weil wir
       es zum Schutz vor Kriminalität und Gewalt dringend brauchen“, sagte der
       CDU-Innenexperte Kai Voet van Vormizeele.
       
       Von einem Außerkraftsetzen von Grund- und Menschenrechten, von
       Notstandsgebieten, von Ausnahmezustand oder von Polizeistaat könne
       definitiv nicht die Rede sein, erklärte der SPD-Innenexperte Arno Münster.
       Und Innensenator Michael Neumann (SPD) verwies darauf, dass die Polizei
       diese Befugnisse im Stadtteil St. Georg schon seit 1995 habe. Klagen habe
       es deshalb kaum gegeben.
       
       Die geforderte richterliche oder parlamentarische Kontrolle ist laut SPD
       nicht praktikabel, „vor allem dann nicht, wenn eine Lagebeurteilung
       regelmäßig - wie hier täglich - aktualisiert und gegebenenfalls den
       Gegebenheiten angepasst wird“. Davon unberührt sei eine nachträgliche
       richterliche Überprüfung.
       
       Im Übrigen verwies der SPD-Innenexperte Münster auf ein - nicht
       rechtskräftiges - Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg, das die
       Gefahrengebiete und die damit verbundenen Polizeibefugnisse für rechtens
       hält.
       
       24 Jan 2014
       
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