# taz.de -- Kongress der Fußballfans: Immer schön sachlich bleiben!
       
       > Ausschreitungen in Köln überschatten den Fankongress in Berlin. Ein
       > Abbruch kann vermieden werden, aber der Dialog mit der Polizei ist ein
       > Flop.
       
 (IMG) Bild: Kryptische Botschaft auf dem Fankongress
       
       BERLIN taz | Die Nachricht platzte mitten in die eh schon angespannte
       Atmosphäre. Erstmals hatten die Organisatoren des zweiten unabhängigen
       Fankongresses Polizeivertreter nach Berlin eingeladen. Für viele der rund
       700 Teilnehmer, die sich am späten Samstagnachmittag in den Hauptsaal des
       ehemals größten Kinos der DDR drängten, Repräsentanten ihres Feindbilds Nr.
       1. „Manchen sei die Einladung nur schwer vermittelbar gewesen“, bekannte
       Mitorganisator Jakob Falk. Die Podiumsdiskussion wollte kaum einer
       verpassen.
       
       Während der Debatte verließ plötzlich Polizist Bernd Heinen, der
       Vorsitzende vom Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit, mit dem Telefon
       am Ohr die Runde, um kurz darauf mit der Botschaft zurückzukommen, in Köln
       sei ein Schalker Fan bei einer Prügelei lebensgefährlich verletzt worden.
       „Das ist die Klientel, über die wir heute sprechen“, fügte er hinzu. Dem eh
       schon komplexen Verständigungsversuch schien mit einem Mal die Luft
       genommen zu sein.
       
       Bei den Fans saß der Schock tief. „Wir müssen uns noch heute Abend
       zusammensetzten und überlegen, ob wir überhaupt fortsetzen“, erklärte Sig
       Zelt aus dem Organisationsteam. Der Kongress wurde fortgeführt –wohl auch,
       weil die Entwarnung aus Köln gab: Es bestünde keine Lebensgefahr mehr.
       
       „So ein Ereignis gibt solchen Leuten wie Ralf Jäger noch recht“, stellte
       Zelt frustriert fest. Zuvor hatten die Organisatoren am Mittag ihrem Ärger
       über einen Brief des Innenministers von Nordrhein-Westfalen Luft gemacht,
       indem sie Teile davon vor der Presse verlasen und diese als Kampfansage an
       die Fans deklarierten. Dabei war man weniger über die Absage von Jäger
       erbost als vielmehr über dessen pauschalisierende Äußerungen: „Straftäter
       reisen quer durch Deutschland, provozieren auf dem Weg zum Stadion Krawalle
       und Ausschreitungen.“
       
       ## Desillusionierendes Fazit
       
       Dass die Probleme in der Tat vielschichtiger und sachverständiger
       betrachtet werden müssen, zeigte sich im Streitgespräch mit den
       Polizeivertretern. Das Fehlverhalten beider Seiten wurde thematisiert und
       für sich genommen auch gar nicht infrage gestellt. Wie der daraus
       entstandene tiefe Graben überbrückt werden könnte, das vermochte indes
       keiner zu sagen. Recht desillusionierend war das Fazit von Fanvertreter
       Christian Bieberstein: „Einen Dialog kann es nur geben, wenn es Vertrauen
       gibt. Ein Vertrauen gibt es nicht.“
       
       Außenstehende mussten sich in einem absurden Theaterstück wähnen. Die Fans
       sprachen mit Polizeivertretern darüber, dass es keine Basis für ein
       Gespräch miteinander gäbe. Und sie bekundeten darüber hinaus, dass sie sich
       auch vom Dialog mit dem Deutschen Fußball-Bund und der Deutschen
       Fußball-Liga keine großen Erfolge mehr versprechen würden. Das immense
       ehrenamtliche Engagement der aktiven Fans, einen solch arbeitsaufwendigen,
       thematisch breitgefächerten offenen Kongress auf die Beine zu stellen,
       wurde von einem gewissen Fatalismus konterkariert.
       
       Wilko Zicht, Anhänger von Werder Bremen, fand: „Das ist alles mühselig und
       wenig greifbar. Aber würden wir es lassen, wäre alles noch schlimmer.“
       Manch einer ist auch mit seiner Geduld am Ende. Ein Bremer Fan wetterte,
       dass man immer noch über Zentimeterlängen von Fahnenstangen diskutieren
       müsse und stets neue Knüppel von der Polizei und den Verbänden zwischen die
       Beine geworfen bekäme. Er resümierte sichtlich genervt: „Wir lassen hier
       unsere Emotionalität nicht nach außen, weil wir beweisen wollen, dass wir
       sachlich diskutieren können.“
       
       Es gab aber auch andere Stimmen. Die Befindlichkeiten in der Fanszene
       lassen sich nur schwer über einen Kamm scheren. Alexander Bosch aus
       Babelsberg zog eine positive Bilanz: „Man sieht, dass etwas in Bewegung
       ist, wenn auch die Fortschritte sich nur langsam einstellen.“ Mit
       demonstrativer Zuversicht blickte auch Andreas Rettig auf den Fankongress
       zurück. Der Geschäftsführer der DFL brachte sich mit Verve in die Debatten
       ein, meldete sich von den Zuschauerrängen zu Wort und pilgerte wie ein
       Student mit Rucksack von einer Veranstaltung zur nächsten.
       
       ## Schwärmender DFB-Generalsekretär
       
       Das Angebot war groß. Es ging unter anderem um die Aushebelung der
       50+1-Regelung in Wolfsburg und Hoffenheim, um die Chancen der Mitbestimmung
       der Fans im Verein und die politischen Selbstregulierungskräfte in der
       Kurve. „Ich sauge hier alles auf, vom Anpfiff bis zum Abpfiff“, sagte
       Rettig und zeigte sich angetan von der Atmosphäre: „Ich fühle mich hier
       wohl.“ Auch Helmut Sandrock, Generalsekretär des DFB, schwärmte: „Ich finde
       es klasse, wie hier diskutiert wird.“
       
       Mit ähnlichem Lob hatten die Funktionäre schon beim ersten Fankongress vor
       zwei Jahren nicht gegeizt. Dass dann wenig später über die Einführung von
       Nacktkontrollen diskutiert wurde, haben die Fans nicht vergessen. „Man muss
       aufpassen, dass sich der Dialog nicht abnutzt“, warnt auch Volker Goll von
       der Koordinationsstelle Fanprojekte. Rettig hält dagegen: „Es ist doch
       schon viel passiert. Wir haben beispielsweise mit dem DFB zusammen unseren
       Finanzierungsanteil an den Fanprojekten aufgestockt.“
       
       Am Sonntag stellte er zudem das Projekt „Pfiff“ vor. Die DFL will in den
       nächsten drei Jahren im Kampf gegen Rechtsextremismus pro Jahr 500.000 Euro
       ausschütten zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur. Rettig
       bedauerte, dass der Kongress von den Ereignissen in Köln überschattet
       wurde. Er sagte: „Mit denen wir hier reden, die sind nicht das Problem.“
       
       19 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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