# taz.de -- Norddeutscher Zeitungsmarkt im Umbruch: Was kommt nach Springer?
       
       > Der Springer-Verlag zieht sich aus dem Norden zurück, die Funke-Gruppe
       > übernimmt. Zugleich ist der Madsack-Konzern auf dem Vormarsch. Was ist
       > von den Verlagen zu erwarten?
       
 (IMG) Bild: Aufstieg zum regionalen Player: Das alte Anzeiger-Hochhaus in Hannover ist Madsack längst zu klein geworden.
       
       HAMBURG taz | Der Springer-Konzern ist, das darf man ganz wertfrei sagen,
       ein großes Unternehmen. Andererseits sind die Räumlichkeiten in der
       Hamburger Niederlassung dann doch nicht groß genug für eine wichtige
       Betriebsversammlung. Also mietete man vor knapp einem Monat einen Saal im
       CCH, damit 350 Angestellte vor Ort Platz finden konnten. Der Andrang war
       groß, schließlich standen einschneidende Themen auf der Agenda.
       
       Im abgelaufenen Jahr hatte sich der Springer-Vorstand entschieden, mehrere
       in Hamburg ansässige Zeitungen und Zeitschriften an die Essener
       Funke-Gruppe zu verkaufen, um sich künftig mehr auf das Internet-Geschäft
       konzentrieren zu können. Der Deal wird es für einige Mitarbeiter wohl mit
       sich bringen, dass sie die Stadt verlassen müssen, sofern sie ihren
       Arbeitsplatz behalten wollen. Außerdem gehen – zugunsten des Standorts
       Berlin – in Hamburg weitere 80 Jobs in den Bereichen Produktion,
       Herstellung und Bildbearbeitung verloren.
       
       Eine wichtige Person ließ sich allerdings nicht blicken im CCH: Mathias
       Döpfner, der Vorstandschef von „Axel Springer Societas Europaea“, wie der
       Laden offiziell mittlerweile heißt. Dass der große Vorsitzende nicht
       auftauchte, nahmen ihm manche Anwesende übel. Es kam der Eindruck auf, dass
       Döpfner, der als Sonntagsredner nicht unbegabt ist, sich vor der potenziell
       unerfreulichen Situation drücken wollte.
       
       Unter den von Döpfner und Co. veräußerten Objekten sind einige
       verlagsgeschichtlich nicht ganz unbedeutende: die Bergedorfer Zeitung etwa,
       bei der Axel Springer himself in den frühen 1930er-Jahren volontierte; das
       Hamburger Abendblatt, die erste Zeitung in der Geschichte des Verlags;
       nicht zuletzt die 1946 gegründete TV-Zeitschrift Hörzu, die lange eine
       Gelddruckmaschine war. Insgesamt zahlt die Funke-Mediengruppe aus Essen 920
       Millionen Euro für die Neuerwerbungen.
       
       ## Darlehen vom Verkäufer
       
       Hinzu kommen Zinsen für ein mehrjähriges Darlehen über 260 Millionen Euro.
       Das gibt der Verkäufer dem Käufer, damit dieser sich den Spaß überhaupt
       leisten kann. Anfang Dezember genehmigte das Bundeskartellamt, dass Funke
       die Regionalblätter, die Anzeigentitel und die Frauenzeitschriften von
       Springer übernimmt. Den Verkauf der Programmzeitschriften (neben Hörzu noch
       TV Digital und Funk Uhr) prüft die Behörde, weil die Gefahr besteht, dass
       der Deal den Essenern in dem Bereich eine unzulässige Marktmacht
       verschafft.
       
       Eine andere Frage ist, was der Deal mit Funke politisch-publizistisch
       bedeutet. Die Kooperationen zwischen Welt und Abendblatt sollen bestehen
       bleiben. Seitdem Springer im Herbst 2012 in Hamburg die 20-köpfige
       Lokalredaktion der Welt aufgab und die Mitarbeiter in die Redaktion des
       Abendblatts integrierte, produziert das Abendblatt auch den Hamburg-Teil
       der Welt. Gleichzeitig liefert die Welt dem Schwesterblatt das
       Überregionale. Den Zugriff auf das Abendblatt, das sich in der
       Berichterstattung rund um das Thema Gefahrengebiet gerade als Kampfblatt
       der ganz alten Schule erwiesen hat, wird Springer kaum aufgeben wollen,
       Verlagswechsel hin oder her.
       
       Die Funke-Gruppe, der künftig das Abendblatt gehören wird, firmiert unter
       diesem Namen erst seit 2013, vorher kannte man sie als WAZ-Gruppe. Nicht
       zuletzt, weil Gründer Erich Brost (1903–1995) ein Sozialdemokrat war, galt
       das Unternehmen als SPD-nah. Das änderte sich aber spätestens vor zwei
       Jahren, als es nach Kabbeleien unter den Erben zu Veränderungen im
       Gesellschafterkreis kam, die zu Lasten der Brost-Erben gingen. Zu dem
       Zeitpunkt schied in Essen auch der SPD-Politiker Bodo Hombach aus, der nach
       seiner Tätigkeit als Chef des Bundeskanzleramts und EU-Sonderkoordinator
       für den Balkan zehn Jahre als Geschäftsführer für das Medienhaus gewirkt
       hatte.
       
       ## Erhebliche Marktmacht
       
       The Group formerly known as WAZ ist weniger bekannt als Verlage wie
       Springer, Gruner + Jahr und Burda. Doch das täuscht über die Marktmacht
       hinweg. Im Ruhrgebiet erscheinen unter anderem die lange
       verlagsnamensgebende WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) und die Neue
       Ruhr-Zeitung. Auf dem norddeutschen Zeitungsmarkt ist Funke bereits mit der
       sehr profitablen Braunschweiger Zeitung vertreten. Hinzu kommen 170
       Publikums- und Spezialzeitschriften (Gong, Landidee, Geliebte Katze) sowie
       Beteiligungen im Lokalradiogeschäft.
       
       Im Zeitungssegment fiel die Funke-Gruppe 2013 dadurch auf, dass sie mehrere
       Lokalausgaben eigener Blätter an Konkurrenzverlage verhökerte. Vor allem
       machte sie durch die Erfindung des Zeitungszombies negativ auf sich
       aufmerksam. Die Funke-Manager schickten die komplette Redaktion der
       Westfälischen Rundschau in die Wüste, ließen aber die Zeitung am Leben.
       Seit fast einem Jahr bestücken das Blatt nun Redaktionen anderer Zeitungen
       – teils aus dem eigenen Haus, teils aus anderen Verlagen.
       
       Auch nicht gerade der Nachrichtenvielfalt förderlich ist, dass die
       bisherigen Tageszeitungen des Hauses seit Anfang 2014 nur noch auf
       Meldungen der Nachrichtenagentur dpa zurückgreifen können. Allen anderen
       Agenturen, darunter AFP und Reuters, wurde gekündigt. Insgesamt steht Funke
       für eine Mischung aus Expansion und Kahlschlag.
       
       ## Madsack expandiert im Norden
       
       Die Situation wird dadurch nicht besser, dass auch der andere große Player
       auf dem norddeutschen Zeitungsmarkt, die Madsack-Gruppe, die Vielfalt nicht
       gerade befeuert. Der niedersächsische Konzern, dessen größter
       Einzelgesellschafter die SPD-Medienholding ddvg ist, hat im November 2013
       eine neue zentrale Redaktionsgesellschaft unter dem Namen
       Redaktions-Netzwerk Deutschland GmbH (RND) in Hannover angesiedelt. Die
       Madsack-Gruppe mit ihrem Stammblatt Hannoversche Allgemeine Zeitung hat
       bereits 2009 diverse Springer-Beteiligungen an Regionalzeitungen (Lübecker
       Nachrichten, Kieler Nachrichten) erworben.
       
       Madsack ist außerdem an der Privatradio-Holding Regiocast (R.SH, Oldie 95)
       beteiligt, mischt im Postdienstleistungsgeschäft mit und verdient zudem
       Geld mit dem sogenannten Madsack Mediastore, der unter anderem ein
       „KitaTab-Programm“ im Angebot hat. Mit dem „ermöglichen wir
       Kindertagesstätten einen einfachen und stressfreien Einsatz von
       Tablet-Computern in der Verwaltung und Kinderbetreuung“, heißt es auf der
       Unternehmenswebsite.
       
       Die neue Redaktionsgesellschaft ist das Kernelement eines Programms mit dem
       sehr anspielungsreichen Titel „Madsack 2018“, mit dem Konzernstrategen das
       Haus „fit für die Zukunft“ zu machen gedenken. Die sogenannte
       Zentralredaktion soll Seiten für Madsacks Regionalzeitungen in Ost
       (Leipziger Volkszeitung, Ostsee-Zeitung) und West (Hannoversche Allgemeine
       Zeitung, Göttinger Tageblatt) produzieren.
       
       ## Zentralisierung beginnt
       
       „Geplant ist eine Vernetzung überregionaler Inhalte in den Ressorts
       Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Ratgeber, Seite 3/Reportage, Panorama
       und Wochenendjournal“, sagt Matthias Koch, der bisher Chefredakteur der
       Hannoverschen Allgemeinen Zeitung war. Die neue Mannschaft soll den Ausbau
       von Servicethemen (Wellness, Verbrauchertipps etc.) forcieren, andererseits
       liegt Koch auch daran, den Wirkungskreis diverser „Autorenpersönlichkeiten“
       des Hauses zu erweitern. Das RND sei „ein aufwändiges und ehrgeiziges
       journalistisches Projekt“, sagt er.
       
       35 Stellen, davon zwei für die Chefredaktion, sind dafür geschaffen worden,
       weitere sollen im Lauf des Jahres im Bereich Online folgen. „Deutlich über
       100“ Journalisten hätten sich beworben, sagt Koch. Die Frist lief Silvester
       ab. Bluten müssen werden dafür Redakteure an anderen Verlagsstandorten. 44
       Millionen Euro will der Konzern dank „Madsack 2018“ nämlich in den
       kommenden fünf Jahren einsparen.
       
       Nun sind Zentralisierungen nichts Neues in der Zeitungsbranche. In Madsacks
       sogenanntem Hauptstadtbüro in Berlin produzieren 15 Redakteure Artikel für
       alle Titel des Hauses. Mit der Redaktions-Service-Gesellschaft (RSG)
       existiert auch in Lübeck bereits eine Mini-Zentralredaktion. Diese
       produziert seit 2008 Seiten überregionale Texte für die Lübecker
       Nachrichten sowie deren Tochter Ostsee-Zeitung, außerdem die täglichen
       „Seiten für Familie und Freizeit“, die in beiden Blättern erscheinen.
       
       ## Einheitsstrategie für heterogene Blätter
       
       Ob solche Einheitsstrategien für die heterogenen Regionalzeitungen der
       Weisheit letzter Schluss sind, wird sich noch zeigen müssen. Ein Blatt wie
       die Hannoversche Allgemeine Zeitung etwa hat auf dem Feld der
       überregionalen Politikberichterstattung den Anspruch, zumindest sporadisch
       mit Süddeutscher Zeitung und FAZ mitzuhalten. Die Lübecker Nachrichten
       dagegen – einerseits bräsig, andererseits mit leichtem Hang zum Boulevard –
       gehören in eine ganz andere Kategorie.
       
       Und was ist eigentlich mit der Meinungsvielfalt? RND-Chefredakteur Koch
       vertritt die These, dass den Lesern damit gedient sei, wenn man zu einem
       bestimmten Thema flächendeckend einen Artikel eines Autors publiziere, der
       im jeweiligen Fachgebiet Madsack-intern der beste sei. Das sei jedenfalls
       besser als mehrere durchwachsene Artikel von mehreren Kollegen. Koch betont
       zudem, das RND werde sowohl komplette Seiten liefern als auch solche mit
       „regionalen Modulen“ – und das „nicht zu knapp“. Das heißt, Redakteure vor
       Ort können dann selbst Beiträge einbauen, mit denen sich der regionale
       Aspekt eines überregionalen Ereignisses herstellen lässt.
       
       Von der zentralen Qualitätsoffensive wollen sich aber noch nicht alle
       Verlage beglücken lassen. Bei den Lübecker Nachrichten hat sich der mit
       einer Sperrminorität ausgestattete Minderheitsgesellschafter, die
       Jürgen-Wessel-Stiftung, bisher nicht überzeugen lassen. Bei den Kieler
       Nachrichten, wo Madsack nur Minderheitsgesellschafter (49 Prozent) ist,
       sind es die Erben des 2012 verstorbenen Verlegers Christian Heinrich.
       Christian T. Heinrich, einer der drei Nachkommen, sagt, der
       Diskussionsprozess werde wohl noch „einige Monate“ dauern.
       
       20 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
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