# taz.de -- Neues Album von Beyoncé: Perfektion macht krank
       
       > Die Königin ist zurück. Beyoncé Knowles veröffentlichte am letzten
       > Freitag ein Album – das sich bis jetzt mehr als 828.000-mal verkaufte.
       
 (IMG) Bild: Feminismus und Selbstvermarktung: Beyoncé beim Super Bowl im Februar 2013.
       
       Über Nacht veröffentlichte Beyoncé Knowles ein Album – ohne Interviews,
       ohne Promotion. Die Industrie macht das Produkt und wir, die Hörer,
       produzieren kostenlos den Hype. 828.000-mal verkaufte sich „Beyoncé“ in den
       ersten drei Tagen.
       
       Es ist nicht nur ein Album, sondern eine Soap-Opera, zusammengestellt aus
       17 Videos mit Ausschnitten aus dem Leben von Queen Bey, dem einzig wahren
       Superstar. Wo Rihanna Tumblr-Seiten nach Ideen für Videos plündert und
       Justin Bieber die Welt per Selfie von seiner Existenz versichern muss,
       lässt sich Beyoncé von ihren Hofkünstlern in einer Serie von Lebendporträts
       verewigen.
       
       Der Modefotograf Terry Richardson inszeniert Queen Bey in Polaroidfarben in
       einem Vergnügungspark, Jonas Åkerlund verpasst ihr einen Kapuzenpulli, in
       dem sie vor einer Reihe aus gepanzerten Polizisten auftritt. Und der
       Regisseur Hype Williams präsentiert Beyoncé in ihrer Paraderolle als
       unerreichbare Diva von nebenan. So bündelt „Beyoncé“ Formen des Verlangens,
       die bis in subkulturelle Nischen reichen. Ein linkes Medienkollektiv
       illustrierte seine Soli-Bekundung mit dem Streik bei Amazon durch eine
       Straßenkämpferszene aus dem Video zu „Superpower“.
       
       Und der queer-feministische Freundeskreis freute sich auf Facebook über das
       Sample der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie in Beyoncés
       Track „Flawless“, in dem Adichie kritisiert, dass Mädchen immer noch die
       Ehe als Erfüllung des eigenen Lebens gepredigt bekommen.
       
       Das Bewusstsein für die Nische hat Beyoncé von Lady Gaga gelernt, die die
       Normabweichung zum Ideal erklärt hat. Nur dass dies bei Beyoncé innerhalb
       ihrer Makellosigkeit funktioniert. „Perfection is a disease“, singt sie auf
       „Pretty Hurts“, während sie vor einer Wand mit Pokalen steht. Schnitt.
       Beyoncé mit der Krone eines Schönheitswettbewerbs. Schnitt. Beyoncé über
       eine Toilette gebückt: Hübsch sein ist schmerzhaft.
       
       ## Behält die Kontrolle
       
       Nur Beyoncés Make-up verschmiert auch dann nicht, wenn Tränen über ihr
       Gesicht laufen und ihre Zähne sind auch nach dem Kotzen noch blendend weiß.
       Beyoncé bleibt auch völlig zerstört noch die „Independent Woman“, die
       Königin, die keinen Schönheitswettbewerb nötig hat.
       
       Ist das jetzt Feminismus oder Selbstvermarktung? Oder beides? In „Drunk in
       Love“ turtelt Beyoncé mit ihrem Ehemann Jay-Z am Strand, der sich in seinem
       Gastvers mit Ike, dem prügelnden Ehemann von Tina Turner vergleicht.
       Dennoch behält Beyoncé die Kontrolle und nicht ihr Ehemann. Sie ist „Boss
       Bitch“, die Frau, die sich die Macht innerhalb einer männlichen Struktur
       nimmt, ohne die Strukturen zu verändern.
       
       Das Kunstprodukt Beyoncé lebt durch diese Widersprüche. Aber sie treten
       erst zutage, wenn man die betörendste Oberfläche hinter sich lässt: die
       Musik. Großartige Singles hatte Beyoncé Knowles immer, aber jetzt ist sie
       zur Albumkünstlerin geworden. „Pretty Hurts“ ist eine R&B-Ballade mit
       hymnischem Chorus, auf „Haunted“ flirtet sie mit Dubstep, bei dem die
       Vulgarität des Drops in feinstaubiger Eleganz aufgelöst wird. Highlight ist
       aber „Superpower“, ihr Duett mit Frank Ocean.
       
       Über einem minimalistischen Beat aus Stimmenschnipseln und Fingerschnipsen
       versteigt sich Beyoncés Stimme immer weiter, während Ocean ihr
       sanft-raubeiniges Gegenstück gibt. „Yes, we can“ singt Beyoncé, und es ist
       falsch. Nicht „wir“ können das. Nur Beyoncé kann es, unsere Queen Bey. So
       schön wird man selten belogen.
       
       19 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Werthschulte
       
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