# taz.de -- Szene der 3D-Drucker: Wurst auf Wurst zum eigenen Objekt
       
       > Für 1.900 Euro ist ein 3D-Drucker im Elektromarkt zu haben. Ist die
       > Technik jetzt massentauglich? Ein Besuch in einem 3D-Druck-Shop in
       > Berlin.
       
 (IMG) Bild: Frank Wittig.
       
       BERLIN taz | Ikaros Kappler druckt sich eine Dildo-Gussform. Er steckt die
       Speicherkarte mit der Vorlagendatei in den Slot des 3D-Druckers, stellt die
       Temperatur ein. 220 Grad. Zu heiß? „Das Objekt kann verbrennen, ich drehe
       es lieber auf 207.“ Ein Spritzkopf bewegt sich, zieht eine grüne
       Kunststoffschnur ein und spuckt flüssigen Kunststoff aus. Wie ein Bäcker
       die Sahnehaube mit dem Spritzbeutel zieht der Druckerkopf dünne Fäden zu
       einer Fläche zusammen.
       
       Anderthalb Stunden wird Kappler warten, bis seine Form fertig ist. Weil ein
       Dildo aus Hartkunststoff nicht gut ankommt, druckt er eine hohle Form. Das
       Silikon zum Einfüllen hat er schon.
       
       Warum sitzt ein 32-jähriger Web-Programmierer 80 Stunden an so einem
       Projekt? Für Kappler ist das „eine schöne Spielerei“, die Form perfekt, um
       den 3D Druck und die Erstellung von Druckdateien zu lernen. „Eine einfache
       Form, in allen Ausmaßen noch druckbar.“
       
       Kappler experimentiert mit einer Technik, die der [1][US-Journalist Chris
       Anderson] in seinem Buch „makers“ als die „dritte industrielle Revolution“
       sieht. Eine „neue Heimindustrie“. Du willst es? Du druckst es. Der
       Konsument wird zum Produzenten. In einer Zukunftsstudie der Deutschen Post
       ([2][pdf]) sehen Wissenschaftler den Produktionsprozess dadurch „dramatisch
       verändert“. Die Prognose: „2030 hat jeder 3. Haushalt einen 3D-Drucker.
       Eine Entwicklung, die sich mit der Verbreitung der Waschmaschine um die
       Jahrtausendwende vergleichen lässt.“
       
       Das Prinzip hinter dem 3D-Druck ist immer gleich: Schicht für Schicht legt
       die Maschine einen Stoff aufeinander. Beim selektiven Lasersintern (SLS)
       wird ein pulvriger Metallstoff verarbeitet, indem er von einem Laser
       geschmolzen wird. Der Nachteil: Die Drucker sind groß, brauchen zum Drucken
       teilweise Tage, benötigen Starkstrom. Ein anderes Verfahren ist die
       Stereolithografie, hier wird das Modell schichtweise aus flüssigem
       Kunstharz aufgebaut und mit einem Laser Schicht für Schicht ausgehärtet.
       Das Harz muss aber nochmals ausgehärtet werden, mit UV-Licht. Dafür braucht
       es einen eigenen UV-Licht-Schrank.
       
       ## Eine bewegliche Heißklebepistole
       
       Nur ein Verfahren ist derzeit für den Heimgebrauch geeignet: FDM, Fused
       Deposition Modeling, die Schmelzschichtung. Schnüre aus Kunststoff werden
       dabei erwärmt und aufeinander geschichtet – ähnlich einer beweglichen
       Heißklebepistole.
       
       Solche 3D-Drucker verkaufen Jan Northoff und Fabian Kluge. Ihr kleiner
       3D-Druck-Shop in Berlin ist leicht zu übersehen: In einem schmalen
       Schaufenster steht ein Gerät, zusammengebaut aus Metallstäben,
       Plastikverbindungen und Kabeln, angeleuchtet mit blinkenden Lasern und
       wechselnden Lichtfarben. Ihr erster 3D-Drucker. 2010 haben die
       Ladenbesitzer sich ein Kit gekauft und den Drucker zusammengebaut. „Da ging
       es los, dass man die sich leisten konnte“, sagt Fabian Kluge.
       
       „Eine kleine Revolution ist, dass die Patente für das FDM Verfahren
       ausgelaufen sind. Dadurch ist das Verfahren erschwinglich“, sagt Northoff.
       Gebraucht bekomme man einen 3D-Drucker bei ihnen ab 650 Euro, ein neuer
       koste 1.000 Euro. Der Nachteil: Die Oberfläche ist rau, das Gerät
       verarbeitet nur Plastik und Kunststoff – „und Schokolade, aber das ist eine
       Riesensauerei“, sagt Fabian Kluge.
       
       Fabian Kluge ist gelernter Offset-Drucker und studierter Ingenieur. Jan
       Northoff ist System- und Produkdesigner. Er kannte sich mit den
       Verfahrenstechniken aus – „und als man sich für ein paar Tausend Euro so
       einen Drucker zulegen konnte, war das die Erfüllung eines Traums“. In ihrem
       Laden verkaufen sie Zubehör, selbstgedruckte Teile für neue 3D-Drucker,
       zeigen die Technologie auf Messen.
       
       ## 3D-Drucker für eine 14-Jährige
       
       Ein Ausschnitt aus ihrer Woche: Bei der 2D-Drucker-Innung haben sie die
       Technik vorgestellt, eine Einführung gegeben. Das spanische Filmfestival
       hat eine Anfrage geschickt, man wolle Pokale ausdrucken und dann anmalen.
       500 Euro für 50 Zentimeter waren aber zu teuer. Angefragt wurde ein
       Kameragehäuse, ein individuelles Verkleidungsteil für das Mottorad eines
       Informationstechnikers; ein Künstler wollte die Skulptur eines Virus
       ausdrucken – metergroß.
       
       Und schließlich: „Wir haben tatsächlich einen verkauft“, Northoff freut
       sich. Der Käufer: Ein Architekt. Der Drucker ist ein Geschenk für seine
       14-Jährige Tochter. „Die kann die Software schon bedienen und bastelt damit
       gerne Sachen. Der Architekt findet das toll, er hat Legosteine gedruckt und
       jetzt ist das der nächste Schritt.“ Für 850 Euro hat er den 3D-Drucker mit
       nach Hause genommen. Hier in dem kleinen Laden in Berlin-Mitte gibt es
       keinen Ansturm auf einen eigenen 3D-Drucker.
       
       Auf einen Knopf drucken und warten, so leicht sei es nicht, sagt Kluge.
       „Man braucht viel Geduld und eine hohe Frustrationsgrenze. Es reicht schon,
       wenn jemand die Tür aufmacht wenn du druckst. Sofort gibt es eine
       Temperaturschwankung, die untere Schicht kühlt schneller ab, es gibt
       Spannungsrisse, die obere Schicht hält nicht auf der unteren.“
       
       3D-Modelle hätten oft Fehler, die Anfänger nicht erkennen. Die fertige
       Datei müsse umgewandelt werden, damit der Drucker sie lesen kann. „Das ist
       nicht so einfach wie eine Word-Datei in PDF umzuwandeln. Das sind hunderte
       von Reitern.“ Weil es noch viele Fragen gibt, veranstalten die
       Ladenbesitzer jeden Mittwoch ein Treffen: Das 3D-Drucker-Treffen.
       
       ## Wie Töpfern: Wurst auf Wurst
       
       „Es ist noch ein schwieriger Markt“, sagt Frank Wittig, 34-jähriger
       Systemingenieur. Er kommt oft zu den Treffen, einen eigenen Drucker würde
       er sich nicht kaufen. 3D-Druck vergleicht er mit Töpfern: „Würste werden
       geknetet und aufeinandergelegt. Daraus entsteht eine Vase.“
       
       Er setzt sich an den Laptop, öffnet das Programm Sketch-up, zieht mit zwei
       Klicks einen Quader hoch, mit zwei weiteren Klicks eine Linie, die den
       Quader teilt. Dann schiebt er die eine Hälfte nach vorne, die andere nach
       hinten. Das Programm kann er bedienen, einfach sei das, ein bisschen wie
       Bildbearbeitung. „Aber mir fehlt die Fantasie, etwas zu basteln und derzeit
       ist es noch zu teuer für die Dinge, die ich machen will.“ Einen Quadcopter
       möchte er gerne bauen, eine Art fliegende Minidrohne sei das, die Arme
       dafür könne er drucken. „Ich könnte aber auch in den Baumarkt gehen,
       Spanholz kaufen und das aussägen, das ist günstiger.“
       
       Während Wittig noch redet, kommt eine Frau in den Laden, Ola Lewin. Sie ist
       Multimedia-Künstlerin, möchte für den Verein „creative experts“ das
       Maskottchen eingescannt haben und drucken lassen. Sie interessiert die
       technologische Entwicklung, denkt über Gefahren und Möglichkeiten nach, wie
       der 3D Druck die Gesellschaft verändert. „Wir können aus alten Flaschen
       selber ein Glas machen, eigene Designer sein, Ressourcen sparen. Aber es
       verändert unsere Werte für Gegenstände. Ich brauche das, also mache ich es
       – das kann zu Habgierigkeit führen.“
       
       ## Heimproduktion erreicht keine Industriequalität
       
       Eine Revolution, eine Veränderung der Gesellschaft? Von der Euphorie hält
       Ben Jastram nichts. Er ist stellvertretender Leiter des 3D-Labors an der TU
       Berlin, seit 2005 wird hier 3D gedruckt. Studenten kommen, lassen
       Prototypen bauen. Ein Modell einer Windkraftanlage für den Maschinenbauer,
       der Prototyp eines U-Boots für den Schiffsbau, Skulpturen für den
       Kunst-Studenten. Industriedesigner, Architekten, Künstler.
       
       „Jedes Institut druckt hier, mit Ausnahme einiger Geisteswissenschaften.“
       Der Architekt zum Beispiel, der ein Arbeitsmodell braucht, um zu sehen, wie
       das geplante Hochaus im Stadtbild wirke. Oder der Künstler, dessen Skulptur
       aus Ton oder Knete nicht hält und der wissen möchte, wie das Zusammenspiel
       der Sonne mit seiner Form ist.
       
       Trotz der vielen Medienberichte habe das Labor keinen Zuwachs an Aufträgen.
       Ein 3D-Drucker im deutschen Haushalt? „Das ist sehr unwahrscheinlich.“ Auf
       dem Markt seien die billigsten Maschinen mit schlechtem Ergebnis. „FDM ist
       die schlechteste Technologie von allen.“ Das finge bei der Oberfläche an.
       „Ein Telefonhörer hat ist glatt. Beim 3D Druck zuhause wird die Oberfläche
       aber immer rau sein. Da bräuchte man schon eine eigene Lackierbude, um das
       nachzubearbeiten.“
       
       Eine Tasse müsse dicht sein, ein Zahnrad auf tausendstel Millimeter
       gerechnet, damit es in den Tacho passt. Der Kunststoff für das
       Kameragehäuse verhalte sich anders als der, mit dem der 3D-Drucker zuhause
       arbeitet. „Ich vertraue darauf, dass mein Auto bei 200 km/h auf der Straße
       bleibt.“ Hinter einem Produkt stecke eine Reihe an Spezialisten mit
       Fachwissen, deren Aufgaben ein Laie zu Hause nicht übernehmen könne. Dass
       sich bessere Verfahren in Zukunft für den Heimgebrauch eignen, bezweifelt
       Jastram. „Die Maschine kann nicht so günstig sein, dass sie
       Industriequalität liefert.“
       
       Sein Fazit: Für ein Designobjekt, das einfach nur gut aussehen soll, sei
       der günstige Drucker gut.
       
       Wittig sieht das anders. Jede Technologie mache die gleichen Phasen durch.
       Anfangs sei es ein zwei Meter großes rosa Kaninchen, das jemand aus dem Hut
       zieht. „Dann wird es zur Kulturtechnologie, niemand hinterfragt es.“ Dass
       die Technologie des 3D-Drucks vorher abstirbt, glaubt er nicht. „Ich denke
       es wird so, wie sich jeder einen bunten Tintenstrahldrucker hinstellt.“
       
       Die 3D-Drucktechnik ist für Wittig interessant, weil er sie im
       Anfangsstadium sieht. „Es ist gerade cool, weil es noch nicht Mainstream
       ist, eine abgefahrene Technologie, bei der eben noch nicht alle Probleme
       beseitigt sind. Sobald ein Problem gelöst ist, wird es uninteressant. Ich
       stehe ja auch nicht vor meinem Herd und denke: Wow, das wird warm.“
       
       24 Oct 2013
       
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