# taz.de -- Regierungswechsel in Norwegen: Konservative erlangt Mehrheit
       
       > Die Koalition von Ministerpräsident Stoltenberg verliert die
       > Parlamentswahl. Vor den Konservativen stehen schwierige Verhandlungen –
       > auch mit Rechtspopulisten.
       
 (IMG) Bild: Die Koalition der konservativen Erna Solberg kam auf 96 der insgesamt 169 Sitze.
       
       OSLO taz | Jens Stoltenberg und seine Koalition aus Sozialdemokraten,
       Linkssozialisten und Zentrum haben die Parlamentswahl klar verloren.
       Wahlsiegerin Erna Solberg, Vorsitzende der Konservativen, wird bei der
       Regierungsbildung auch mit der rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“
       verhandeln müssen. Nach der Sozialdemokratin Gro Harlem-Brundtland wäre
       Solberg die zweite Frau an der Spitze einer norwegischen Regierung.
       
       Die Sozialdemokraten um Ministerpräsident Stoltenberg kamen auf 30,8
       Prozent und damit knapp über die symbolisch wichtige 30-Prozent-Marke. Die
       Sozialdemokraten bleiben damit stärkste Kraft im Land, eine Position, die
       die Partei seit 1927 kontinuierlich hält. Mit einem Verlust von 4,5 Prozent
       und dem zweitschlechtesten Wahlergebnis seit über 80 Jahren reichte es aber
       nicht fürs Weiterregieren. Stoltenberg gestand nach den ersten Prognosen
       seine Niederlage ein und kündigte für Oktober den Rücktritt seiner
       Regierung an.
       
       Solberg und ihre konservative „Høyre“ rangieren mit 26,9 Prozent zwar nur
       auf dem 2. Platz, konnten aber fast 10 Prozent dazugewinnen, das beste
       Ergebnis seit drei Jahrzehnten. Sie verdrängten die bei den Wahlen von 2009
       zweitplatzierte rechtspopulistische „Fortschrittspartei“ auf den dritten
       Platz, die 16,3 Prozent der Stimmen bekam (2009 noch 22,9 Prozent).
       
       Die „Umweltpartei – Die Grünen“, denen Umfragen monatelang einen Einzug ins
       Parlament vorhergesagt hatten, fehlten am Montagabend dann doch 1,2 Prozent
       an der 4-Prozent-Hürde. Aber sie sind trotzdem erstmals mit einem
       Abgeordneten im Parlament präsent: Rasmus Hansson, ehemaliger Vorsitzender
       von WWF-Norwegen, holte in Oslo 5,5 Prozent und damit ein Direktmandat.
       
       ## Zwei Frauen an der Spitzen
       
       Noch in der Nacht sprachen sich Solberg und die
       „Fortschrittspartei“-Vorsitzende Siv Jensen dafür aus, gemeinsam eine
       Koalition zu bilden. Für eine parlamentarische Mehrheit brauchen sie aber
       mindestens einen weiteren Partner. Vermutlich wird das die liberale
       „Venstre“ (5,3 Prozent) sein, an deren Spitze mit Trine Skei Grande
       ebenfalls eine Frau steht.
       
       Solbergs Wunschkoalition würde zwar auch die „Christliche Volkspartei“ (5,6
       Prozent) mit einschließen, doch gibt es in dieser starken Widerstand gegen
       eine Zusammenarbeit mit der „Fortschrittspartei“.
       
       Wobei Wahlsiegerin Solberg selbst noch vor vier Jahren eine Zusammenarbeit
       mit den Rechtspopulisten, deren Mitglied der Attentäter Anders Behring
       Breivik in seiner Jugend war, ausgeschlossen hatte. Damals hatte sie eine
       mögliche Koalition noch als „unverantwortlich“ bezeichnet. Mittlerweile
       betont Solberg aber vor allem die Gemeinsamkeiten, die „Høyre“ und
       „Fortschrittspartei“ miteinander verbinden.
       
       Dass eine Partei binnen vier Jahren erst das Etikett „nicht stubenrein“
       erhält und nun als uneingeschränkt kabinettstauglich gilt, hat nach
       Einschätzung von Staatswissenschaftlern wie Signe Bock Segaard von der
       Universität Oslo mehrere Gründe. Zum einen habe die Partei nach den
       Terroranschlägen von Breivik ihre Rhetorik tatsächlich gezügelt und trete
       nicht mehr so offen rassistisch auf. Darüber hinaus bemühe sie sich, auch
       andere Themen als die Ausländerpolitik in den Vordergrund zu stellen.
       
       ## Harte Asylpolitik
       
       Wenn Solberg in der Wahlnacht ausdrücklich betonte, sie sehe gerade in der
       Ausländerpolitik wenig Probleme mit der „Fortschrittspartei“, dann auch,
       weil sich die Politik des Landes in diesem Bereich in den letzten Jahren
       stetig verschärft hat und die Vorstellungen von der „Fortschrittspartei“ um
       Siv Jensen deshalb plötzlich nicht mehr so sehr aus dem Rahmen fallen.
       
       Die Regierung Stoltenberg erschwerte etwa die Möglichkeiten für den
       Ehegattennachzug so massiv, dass nun Hunderte von Paaren mit einem
       norwegischen Partner gezwungen sind, außerhalb des Landes zu leben. In
       Norwegen gibt es nur eine Aufenthaltserlaubnis, wenn der norwegische
       Ehepartner umgerechnet mindestens 2.500 Euro monatlich verdient.
       
       Sich in der Koalition weder gegenüber der Asylpolitik noch in der Umwelt-
       und Klimapolitik gegen die Sozialdemokraten durchgesetzt zu haben, wurde
       vor allem dem linkssozialistischen Regierungspartner fast zum Verhängnis.
       Mit 4,1 Prozent, dem schlechtesten Resultat seit 1969, schaffte es diese
       rot-grüne Linkspartei gerade noch über die Sperrklausel. Sie verlor ein
       Drittel ihrer Wählerschaft.
       
       10 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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