# taz.de -- Möglicher Militärschlag gegen Syrien: Eine „gewisse Substanz“ verwendet
       
       > Keine Einigung im UN-Sicherheitsrat auf eine Syrien-Resolution. Ein
       > UN-Gesandter hat Hinweise auf Chemiewaffen gefunden. Israel macht mobil.
       
 (IMG) Bild: Ein Land macht mobil: Israelischer Soldat nahe Haifa.
       
       NEW YORK/DAMASKUS dpa | Der Countdown für einen Militärschlag gegen Syriens
       Machthaber Baschar al-Assad läuft. Die geplante Strafaktion unter
       amerikanischer Führung könnte nach US-Medienberichten bereits an diesem
       Donnerstag beginnen – die meisten Experten rechnen allerdings mit einem
       späteren Angriff.
       
       In New York ging Mittwochabend die Sitzung des UN-Sicherheitsrats ohne ein
       Ergebnis zu Syrien zu Ende. Das Gremium beriet bei dem Treffen in New York
       nur über den offiziellen Tagesordnungspunkt, den UN-Einsatz in Haiti.
       Großbritannien hatte zuvor angekündigt, den Entwurf für eine Resolution
       einzureichen, der „alle notwendige Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor
       Chemiewaffen“ in Syrien erlaubt. Das würde Luftangriffe einschließen. Die
       fünf Veto-Mächte des Sicherheitsrats hatten sich vor der Sitzung separat
       getroffen und über Syrien gesprochen.
       
       Parallel dazu berieten Krisenstäbe in Washington, London und Paris. Die
       Chancen, nach zweieinhalb Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 100.000 Toten
       doch noch zu einer gemeinsamen Linie der Staatengemeinschaft zu kommen,
       sind jedoch gering.
       
       In Syrien selbst setzte ein UN-Expertenteam nach eintägiger Zwangspause
       seine Suche nach Spuren des mutmaßlichen Giftgas-Angriffs fort, bei dem in
       der Nähe von Damaskus vor einer Woche mehrere Hundert Menschen getötet
       wurden. Die Chemiewaffen-Inspekteure prüfen, ob tatsächlich das
       Assad-Regime dahinter steckt.
       
       Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht inzwischen „mit allerhöchster
       Wahrscheinlichkeit“ davon aus. Sie ließ jedoch weiter offen, wie für
       Deutschland die angekündigten „Konsequenzen“ aussehen könnten.
       
       ## Russland und China bleiben hart
       
       Nach Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird das Team „noch vier
       Tage“ brauchen, um Beweise zu sichern. Dies spricht gegen einen baldigen
       Beginn des Angriffs: Als einigermaßen sicher gilt, dass die Strafaktion
       erst anläuft, wenn die UN-Mitarbeiter Syrien verlassen haben.
       Frühestmöglicher Termin wäre dann Montag. Aus Angst vor einem Angriff sind
       immer mehr Syrer auf der Flucht. Allein die Grenze nach Libanon überquerten
       binnen 24 Stunden mehr als 10.000 Menschen.
       
       Am Mittwoch waren die Chemiewaffen-Inspekteure in Samalka unterwegs, einer
       Rebellenhochburg im Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija. Ergebnisse gab es noch
       keine. Der Syrienbeauftragte von UN und Arabischer Liga, Lakhdar Brahimi,
       sprach in Genf aber von Anzeichen für den Einsatz chemischer Kampfstoffe.
       Bei den Angriffen sei eine „gewisse Substanz“ verwendet worden. Details
       nannte er nicht.
       
       Großbritannien brachte in den UN-Sicherheitsrat eine Resolution ein, mit
       der das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen „alle notwendigen
       Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen“ erlauben soll – aus
       Sicht Moskaus nur ein taktisches Manöver. Die beiden Vetomächte Russland
       und China machen auch nach zweieinhalbjähriger Blockade keine Anstalten,
       ihre bisherige Haltung aufzugeben. Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte:
       „Gewalt würde nicht zu einer Lösung, sondern zur weiteren Destabilisierung
       führen.“
       
       ## Kein Einsatz von Bodentruppen
       
       Auch von anderer Seite kamen Warnungen vor einem voreiligen Eingreifen.
       UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte: „Der UN-Sicherheitsrat muss seine
       politische Verantwortung behalten.“ Wenn der Expertenbericht vorliege, sei
       es seine Aufgabe, darüber zu entscheiden. Die USA, Großbritannien und
       Frankreich haben aber schon deutlich gemacht, dass der Einsatz von Giftgas
       für sie erwiesen ist und sie auch ohne UN-Mandat handeln könnten.
       Frankreichs Präsident François Hollande forderte einen „angemessenen
       Gegenschlag“.
       
       Als weitere wichtiger Termin für die militärische Planung gilt der
       G20-Gipfel der wichtigen Industrienationen und Schwellemächte, der am
       Donnerstag nächster Woche in St. Petersburg beginnt. Russlands Präsident
       Wladimir Putin als Gastgeber geriete bei einem Militärschlag enorm unter
       Druck. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte den Westen, zuvor
       schon loszuschlagen. Sinn solcher Gipfel sei, „letzte Möglichkeiten
       auszuloten, bevor mit einem militärischen Schlag unwiderrufliche Fakten
       geschaffen werden“.
       
       Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, bekräftigte, dass US-Präsident
       Barack Obama mit Ausnahme des Einsatzes von Bodentruppen alle Optionen in
       Betracht ziehe. Ziel sei aber nicht ein Regimewechsel. „Die Lösung dieses
       Konfliktes muss durch politische Verhandlungen und Ergebnisse erfolgen.“
       Die Planungen laufen auf einen Angriff mit Marschflugkörpern hinaus, der
       maximal drei Tage dauert.
       
       ## Nato hält sich zurück
       
       Kanzlerin Merkel und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) appellierten vor
       allem an Russland, ein härteres Vorgehen gegen Assad nicht länger zu
       blockieren - ohne große Hoffnung. Westerwelle sagte der Neuen Zürcher
       Zeitung, derzeit könne man sich „eine politische Lösung kaum mehr
       vorstellen“. Weiterhin offen ließ die Bundesregierung die Frage nach einer
       Beteiligung der Bundeswehr. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte,
       bislang gebe es von den Partnern keine entsprechenden Anfragen.
       
       Die Nato machte die syrische Regierung für den Einsatz von Chemiewaffen
       verantwortlich, will aber selbst nicht militärisch eingreifen. „Jeder
       Einsatz solcher Waffen ist inakzeptabel und kann nicht unerwidert bleiben“,
       erklärte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Bei einem Treffen der 28
       Nato-Botschafter habe aber Einvernehmen geherrscht, dass die Nato weiterhin
       keine eigene militärische Rolle im Syrien-Konflikt spiele, sagten
       Diplomaten.
       
       Groß ist auch die Sorge vor einem Flächenbrand in der gesamten Region.
       Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, warnte im iranischen
       Fernsehen: „Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Eine amerikanische
       Militärintervention in Syrien würde daher zu einer Katastrophe ohne
       absehbares Ende führen.“ Syrien ist Irans engster Verbündeter im Kampf
       gegen den „Erzfeind“ Israel. Dort wurde die Raketenabwehr in erhöhte
       Alarmbereitschaft versetzt und eine begrenzte Reservisten-Mobilisierung
       angeordnet.
       
       28 Aug 2013
       
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