# taz.de -- Verfolgung der NSA-Whistleblower: Dissidenten und Schauprozesse
       
       > Bei Manning und Snowden zeigen die USA Härte. Auch Lavabit-Gründer
       > Levison bekommt sie zu spüren. Zum Glück beherrscht er die Kunst des
       > Andeutens.
       
 (IMG) Bild: Wie hieß noch gleich Stalins Datenschutzbeauftragter?
       
       BERLIN taz | Es ist, als wäre der Kalte Krieg als Zerrbild wieder
       auferstanden. Dissidenten, verfolgt und mundtot gemacht, fliehen ihr
       Heimatland, um die Wahrheit ans Licht bringen zu können. Ist Edward Snowden
       ein moderner Solschenizyn, ein Bahro, ein neuer Wladimir Bukowski?
       
       Wie lässt sich nicht an Schauprozesse der stalinistischen Ära denken,
       angesichts der herzlosen Machtdemonstration eines gewaltigen Apparats
       gegenüber Bradley Manning. [1][Noch die Entschuldigung] für seine
       unterstellten Verbrechen mit der drohenden Höchststrafe von 90 Jahren Haft
       vor Augen, könnte aus dem Drehbuch des Moskauer Staatsanwalts Wyschinski
       stammen.
       
       Dann ist da noch der Dritte, Ladar Levison, der seinen verschlüsselten
       E-Mail-Dienst Lavabit in einem Akt der Zivilcourage einstellt. Kurz darauf
       [2][gibt er ein Interview], dass so ähnlich auch in den 1980er Jahren von
       einem westlichen Fernsehteam in Ostberlin hätte geführt werden können.
       „Unglücklicherweise kann ich darüber nicht sprechen“, beginnt er die
       Antwort schon auf die zweite Frage der Moderatorin von Democracy Now. Sagen
       tut er umso mehr – zwischen den Zeilen, wie es eine gute Tradition der
       Dissidenten ist.
       
       Unterstützt von seinem Anwalt beschreibt Levison den gewaltigen Druck,
       unter den ihn die Geheimgesetzgebung der Vereinigten Staaten setzt. Ohne
       das juristische Prozedere benennen zu dürfen, macht er doch klar, dass der
       Versuch Nutzerdaten von ihm als E-Mail-Anbieter zu erhalten jegliches
       nachvollziehbare Maß verloren hat. Nach seinem Rechtsverständnis sollte das
       Vorgehen der Sicherheitsbehörden ungesetzlich sein.
       
       ## Unglücklicherweise nicht
       
       „Können sie sagen, ob sie einen National Security Letter erhalten haben?“,
       fragt die Moderatorin. Ein solches Dokument verlangt die Herausgabe
       persönlicher Daten und beinhaltet üblicherweise eine Maulkorb-Klausel. Wer
       die bricht, riskiert schwere Strafen. Das sofortige „Nein“ Levisons und die
       gleichzeitige Anmerkung seines Anwalts, dass er das „unglücklicherweise“
       nicht könne, sagt bereits alles, ohne den Boden des erlaubten zu verlassen.
       
       Es ist ein Tanz in der Grauzone des Bekannten und doch Unsagbaren. Mit
       aller Macht drängt sich der Vergleich zur Sowjetunion und ihrer
       Einflusszone auf. Und doch führt er in die Irre. Was die reine
       Gleichsetzung übersieht, ist die relative Berechenbarkeit der Repression.
       
       Die Moskauer Prozesse der 1930er Jahre verliefen beispiellos bizarr und
       grotesk, mit ihren unglaublichen Vorwürfen gegen die Angeklagten und
       erkennbar unter Folter erpressten Selbstbezichtigungen. Die Anklage gegen
       Manning muss sich immerhin bemühen, Beweise für den Rechtsbruch
       beizubringen.
       
       ## Vertrauen in die Medien und das Rechtssystem
       
       Unauffällige sowjetische Bürger wurden völlig willkürlich und ohne
       nachvollziehbare Gründe aus ihrem Alltagsleben gerissen und ohne
       Gerichtsverfahren für Jahrzehnte in Straflager gesperrt. Edward Snowden
       hatte die Chance, das Risiko seines Tuns von vorneherein abzuschätzen und
       entsprechend informiert und selbstbestimmt zu handeln.
       
       Auch Levison ist der staatlichen Übermacht nicht völlig hilflos
       ausgeliefert. Er hat sogar hinreichend Vertrauen in die Medien und das
       Rechtssystem seines Landes, sodass er bereit ist, den Kampf für seine
       Rechte aufzunehmen.
       
       Auch wenn die USA inzwischen [3][ihre eigenen Dissidenten produziert], ist
       sie doch kein Abbild der Sowjetunion. Die Aggression des Machtapparates
       richtet sich nicht willkürlich nach innen. Ob dieser Unterschied zu den
       bekannten repressiven Regimen allein aber die Selbstbeschreibung als freie
       Demokratie rechtfertigt, ist eine andere Frage. Das Maß der Freiheit aller
       entscheidet sich schließlich am Einzelfall, an der Ausnahme – am Umgang mit
       der Abweichung von der gewünschten Norm.
       
       16 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wikileaks-Informant-vor-Gericht/!121876/
 (DIR) [2] http://www.democracynow.org/2013/8/13/exclusive_owner_of_snowdens_email_service
 (DIR) [3] /NSA-Whistleblower-Edward-Snowden/!117807/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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