# taz.de -- Die Wahrheit: Wackeln gegen Wein > Trocken am Zuckerhut: Ein Weinland wird Brasilien nie und nimmer, dort > müssen 200 Millionen Menschen mit einem Weintal auskommen. (IMG) Bild: Mambo, Rambo, Ramba, Samba, Lumumba? Brasilien ist unablässig in den Medien, ob Weltballfußmeisterschaft oder Olympische Spiele, auch war der Papst gerade da, um seinem Hobby zu frönen: rituelle Fußwaschungen. Will man eigentlich unbedingt alles wissen über die Neigungen dieses Mannes? Der Papst ist Argentinier, gefeiert werden trotzdem die Brasilianer, für ihre Feierfreude, ihre Leichtigkeit, ihre Dribbelkünste, ihren Widerstandsgeist. Herrlich sieht das aus, wenn sie demonstrieren, dieses Hüftwackeln. Sie zappeln ständig herum, so dass wir Deutsche uns mal wieder typisch deutsch fühlen müssen, steif und unbeholfen. Ob unbeabsichtigt oder nicht: Sie bedienen unsere Minderwertigkeitskomplexe, wir müssen an die hüftsteifen Stuttgart-21-Nöler denken und die freudlosen Menschenketten früherer Jahre, Asche auf unsere Häupter. Trotzdem lieben wir sie dafür, in Brasilien sind die Unruhen so feurig, die Demonstranten so rassig, tudo bem, obwohl die Menschen ja arm sind, so arm, dass sich Politiker oder Fußballer oft nur einen Namen leisten können, Pele, Neymar oder Müller. Und sie sind trotzdem glücklich. So sagt man halt immer. Die Brasilianer haben eben den Samba im Blut, und das neiden wir ihnen, nicht zuletzt, weil wir Deutsche sowieso gern alles in einen Topf werfen: Mambo, Rambo, Ramba Samba, Lumumba, Zorba, Zombie, Casanova, Cottonova, Bossanova. Samba bitte nicht verwechseln mit Salsa. Salsa ist nur eine scharfe Soße. Nur was das Thema Wein angeht, sind sie eher Flaschen. Amazonas-Riesling – je davon gehört? Na bitte. Eiswein? Vergiss es! Im Gegenteil: Am Rio São Francisco, also in Äquatornähe, ist es so heiß, dass der Wein gleich als Glühwein aus den Fässern schießt, ein echter Einheiztropfen. Die Jesuiten brachten 1626 spanische Rebsorten nach Rio Grande do Sul. Purer Eigennutz, denn ohne Alkohol hätten sie ihre Missionarsstellung nicht lange ausgehalten. Brasilianische Weine kommen seither eher trocken daher in einer Zeit, da die Kundschaft eher nach mehr Restsüße verlangt. Der Zuckerhut hilft ihnen da auch nicht weiter. Genau genommen gibt es nur ein einziges brauchbares Anbaugebiet, das „Vale de Vinhedos“ – das heißt Weintal, sehr originell. Bald 200 Millionen Menschen müssen mit einem einzigen Weintal auskommen, das kann schon nichts werden. Bei uns ist die Talfahrt wesentlich vielfältiger. Obwohl in Brasilien seit Mitte der achtziger Jahre enorme Investitionen für die Erzeugung qualitativ hochwertiger Weintrauben getätigt wurden, kommen die Brasilianer einfach nicht an unsere Weine ran, auch Geheimpläne des Gouverneurs von Rio, die ganzen Favelas abzureißen, um dort Rebstöcke zu pflanzen, sind frühzeitig bekannt geworden und scheiterten nach wütenden Protesten mit heftigem Arschgewackel. Gut, ein paar Prämierungen da und dort, ein paar Medaillen bei irgendwelchen Verkostungen, aber was Wein angeht, können sie uns einfach nicht das Wasser reichen – geschweige denn ein Glas Grande Vindima. Uff! Wenigstens was. 11 Aug 2013 ## AUTOREN (DIR) Thomas C. Breuer ## TAGS (DIR) Brasilien (DIR) Wein (DIR) Samba (DIR) Vegetarismus (DIR) Sprache (DIR) Brasilien (DIR) American Football (DIR) Homosexualität (DIR) Wladimir Putin (DIR) Italien ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Die Wahrheit: Leben ohne Leberwurst Abgewöhnen geht nicht immer ohne Probleme ab – auch nicht zum Jahreswechsel. Von einem, der aufhört, weil es am schönsten ist. (DIR) Die Wahrheit: Letternwirtschaft Vertuschte Bachstuben: Wir windeln auf dem schalen Grat der Winzigkeit. (DIR) Die Wahrheit: Ruhig, Kämpfer, ruhig Brasilianische Woche der Wahrheit: In seinem nervösen Tagebuch bereitet sich Paulo Coelho auf die Frankfurter Buchmesse vor. (DIR) Die Wahrheit: Krieg ums Ei In den USA beginnt die neue Saison im American Football – einer wilden Mischung aus Fußball, Schlammcatchen und dem Sezessionskrieg. (DIR) Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ... Ein böser Schwuler und ein guter Schwuler stehen im Mittelpunkt von zwei aktuellen Affären: Lele Mora und Glenn Greenwald. (DIR) Die Wahrheit: Problembär auf Glatteis Endlich sind die Russen wieder richtige Feinde. Jetzt hoffen russische Problembären auf größere Gehege. Und die Welt wird wieder übersichtlich. (DIR) Die Wahrheit: Italien, du brühendes Land Wenig hört man dieser Tage aus Italien, das ist eher ein gutes Zeichen. Wie heißt der amtierende Ministerpräsident? Muss man googeln: Enrico Letta.