# taz.de -- Wochenendschwerpunkt: Klang der Freiheit: Nur Biermann durfte nicht singen
       
       > Musikalisch war im Rahmen der Weltfestspiele 1973 vieles präsentabel, was
       > sonst nur geduldet wurde in der DDR. Angekommen war der Rock ’n’ Roll
       > aber schon längst in der Hauptstadt.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr viel erinnert an die DDR.
       
       Let there be Ostrock: Ohne die Musik und ihre Bedeutung für die
       Weltfestspiele lässt sich die Geschichte der Ostberliner Straßenparty kaum
       erzählen. Natürlich waren die musikalischen Jugendkulturen auch in der DDR
       längst angekommen. Neu war, dass die SED-Führung vieles öffentlich
       billigte, was sie sonst nur stillschweigend tolerierte. Den Mythos, dass
       erst das rote Woodstock Freiheiten in Sachen Musik und Mode in die DDR
       gebracht habe, will auch Nina Hagen nicht stützen: „Wir waren schon längst
       befreit“, sagt die Musikerin. Die Beatkonzerte habe man selbst organisiert,
       die Anlagen aus dem Westen geliehen. So konnte man zu Rockmusik feiern und
       freidrehen wie in der BRD auch: „Grassroots, natürlich. Jedes Wochenende
       spielte eine Beatband irgendwo aufm Land, das lief über Mundpropaganda“,
       erinnert sie sich heute an diese Zeit. „Es gab sehr, sehr viele Bands bei
       uns im Osten, vor allem viele gute Jazzbands.“
       
       Nach außen wurde das staatliche Kulturmonopol freilich aufrechterhalten.
       Benannt werden durften die blühenden Subkulturen nicht – es hätte „die
       Allmacht der Partei infrage gestellt“, schreibt Peter Wicke, Professor für
       Theorie und Geschichte der populären Musik an der Humboldt-Universität in
       einem Aufsatz zum Rock im Sozialismus. Eine der bekanntesten und
       erfolgreichsten DDR-Bands war die Klaus Renft Combo. Die Band mit ihren zum
       Teil subversiven Texten galt als rebellisch und antiautoritär, aber auch
       sie trat bei den Weltfestspielen auf. Daran lässt sich gut der
       kulturpolitische Schlingerkurs der SED nachvollziehen. Hätte man die Renft
       Combo nun dauerhaft toleriert, hätte das die kulturpolitische Öffnung
       bedeutet. Dagegen wurde 1975 an ihr ein Exempel statuiert: Sie bekam
       Auftrittsverbot.
       
       „Beim zweiten Album hatten wir konkrete Probleme mit der Zensur“, sagt
       Schoppe. Als Konzeptalbum sollte es eine Art Psychogramm werden. „Man sah,
       die Leute wurden krank, tranken – wir wollten fragen: ’Wie geht es dem
       Menschen?‘ “ Das Komitee für Unterhaltungskunst fand die Frage weniger
       dringlich: Man möge sich doch bitte andere Inhalte überlegen. Spätestens
       mit der „Rockballade vom kleinen Otto“, der „nach Norden“ fliehen will, war
       das Maß für die Behörden voll: „Manchmal sagte Otto / Leben ist wie Lotto,
       / doch die Kreuze macht ein Funktionär.“ Für die neun Tage der Festspiele
       machten die Funktionäre ihre Kreuze dagegen überwiegend bei „erlauben“. Mit
       Ausnahme des Liedermachers Wolf Biermann: Sein Auftrittsverbot wurde nicht
       aufgehoben. Ihm gelang es allerdings, am Rande des Alexanderplatzes einige
       Lieder a cappella anzustimmen. Eine Menge sammelte sich um ihn, die Stasi
       kam zu spät.
       
       Ausgerechnet eine Westband war es dann, die die SED als vermeintlichen
       Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus anführen konnte: Floh de
       Cologne. Im Defa-Streifen „Wer die Erde liebt“, der die Festspiele
       propagandistisch in Szene setzt, sieht man offene Münder beim Auftritt der
       Kölner Polit-Combo, die musikalisch avantgardistisch daherkam und
       lupenreinen Agitprop betrieb. Im Sprechgesang intonierten sie Sätze wie
       diese: „Wie reich die Bundesrepublik ist, zeigt sich allein daran, dass wir
       wesentlich mehr Reiche haben als die DDR / Wie viel mehr Chancen die
       Arbeiter in der Bundesrepublik haben, zeigt sich allein daran, dass die
       Chancen einen Arbeitsunfall zu machen bei uns doppelt so hoch sind.“ Sänger
       Hans-Jörg Frank erinnerte sich im Jahr 2003 an die Spiele: „Da kommt eine
       westdeutsche Gruppe und macht linke Propaganda. Bei Propaganda hatten die
       DDR-Bürger ja eigentlich keinen Nachholbedarf.“ Floh de Cologne dürften
       damit für einige Verwirrung gesorgt haben. Wie sowieso manche damals
       geglaubt haben dürften, sie seien im falschen Film. Besser: in einem
       anderen Land.
       
       26 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
 (DIR) Jens Uthoff
       
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