# taz.de -- Zukunft der Antarktis: Vom Krill lernen
       
       > Eine Kommission debattiert über einen Schutz für das Rossmeer und die
       > Ostantarktis. Das ist nicht einfach – es fehlt an Wissen.
       
 (IMG) Bild: Wie viele es von ihm gibt, ist leider nicht bekannt: Kleinkrebs Krill
       
       STOCKHOLM taz | „Wenn Konferenzteilnehmer um Details feilschen, muss sie
       jemand daran erinnern, worum es eigentlich geht“, sagt Peter Young. Der
       neuseeländische Regisseur ist nach Bremerhaven gereist, damit das
       Gesamtbild und die Bedeutung dessen, um „was es geht“, dort nicht vergessen
       wird: die Zukunft der Antarktis.
       
       In der deutschen Hafenstadt treffen sich am Montag und Dienstag hinter
       verschlossenen Türen die Delegierten der „Kommission zur Erhaltung der
       lebenden Meeresschätze in der Antarktis“ (CCAMLR). Auf ihrer Tagesordnung
       steht die Entscheidung darüber, ob gewaltige neue Meeresschutzregionen
       eingerichtet werden: Es handelt sich um Areale, die vor den Küsten der
       Antarktis liegen. Über eines dieser Meeresgebiete hat Young einen
       preisgekrönten Dokumentarfilm gedreht: „[1][The last ocean]“.
       
       Als „The last ocean“ bezeichnen Young und auch viele WissenschaftlerInnen
       und Umweltschützer das Rossmeer vor der antarktischen Südküste: ein
       einzigartiges Ökosystem, von industrieller Verschmutzung nicht betroffen
       und von Überfischung weitgehend verschont. Noch.
       
       Die internationalen Fischfangflotten haben die marinen Ressourcen dieses
       Meeres, das zu den produktivsten unseres Planeten gehört, längst entdeckt
       und bedrohen das empfindliche Gleichgewicht der Natur. Der dort gefangene
       Seehecht oder Antarktisdorsch gilt als „weißes Gold“ und erzielt höchste
       Preise auf den Märkten.
       
       Machen die CCAMLR-Delegierten die Arbeit, zu der die Bundesregierung sie
       nach Bremerhaven eingeladen hat, dann hätte der „last ocean“ eine reelle
       Chance, seinen besonderen Status auch in Zukunft behalten zu können. Als
       die „Konvention zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis“
       (CAMLR) 1982 abgefasst wurde, verpflichteten sich die Vertragspartner
       gegenseitig, die Nutzung der Fischbestände in den Südpolar-Gewässern so zu
       beschränken, dass keine Art in ihrem Bestand gefährdet oder das ökologische
       Gleichgewicht gestört werden würde. Das galt seinerzeit als großer
       Fortschritt und war eine Reaktion auf vorangegangene katastrophale
       Fehlentwicklungen.
       
       ## Es mangelt an Grundwissen
       
       Wie die beim Krill. In diesem fünf bis sieben Zentimeter langen Kleinkrebs,
       der im antarktischen Meer in großen Schwärmen auftritt und Walen, Robben,
       Pinguinen und anderen Vögeln als Hauptnahrung dient, sah man in den 1970ern
       eine nahezu unerschöpfliche Proteinreserve für eine wachsende
       Erdbevölkerung.
       
       Doch die kilometerlangen Krillschwärme, von denen sich Forscher zur Annahme
       eines Bestands von über einer Milliarde Tonnen hatten verleiten lassen,
       erwiesen sich als trügerisch. Wachstum, Lebenszyklus und Laichrhythmus der
       nur zwei Gramm schweren Tierchen waren völlig falsch eingeschätzt worden.
       Spätestens seit damals ist klar: Den Fang von marinen Ressourcen auf ein
       nicht bestandsgefährdendes Niveau beschränken zu wollen, ohne sicher zu
       wissen, wie groß die Bestände überhaupt sind – das kann nicht
       funktionieren. Das oft mangelhafte Grundwissen erschwert die Arbeit der
       CCAML.
       
       Auch bestimmt im – in der CCAMLR herrschenden – Konsensprinzip im Zweifel
       das Land das Tempo, dem Umweltschutz am meisten schnuppe ist. Es wäre viel
       effektiver, Gebiete auszuweisen, in denen grundsätzlich jeder Fang verboten
       ist.
       
       Allerdings sollen die jetzt vorgeschlagenen Schutzzonen zeitlich zunächst
       bis 2043 beziehungsweise 2064 befristet werden. Zudem wurde der geplante
       Rossmeer-Schutz aufgeweicht: In einem Drittel des dortigen Areals soll auch
       künftig unter anderem der profitable Seehecht-Fang erlaubt bleiben. Was
       natürlich alles andere als ideal sei, meint Peter Young: „Aber es wäre ein
       bedeutender erster Schritt gemacht, das Meer für künftige Generationen zu
       erhalten.“
       
       15 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=bKQUmlV6cSk
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Artenschutz
 (DIR) Fischerei
 (DIR) Antarktis
 (DIR) Antarktis
 (DIR) Arbeitsplätze
 (DIR) Antarktis
 (DIR) Antarktis
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Ozean
 (DIR) Walfang
 (DIR) Klimagipfel COP19
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Illegale Fischerei an der Antarktis: Jagd auf die Riesendorsch-Jäger
       
       Das Fischen nahe der Antarktis ist ein lukratives, aber illegales Geschäft,
       das Behörden selten nachweisen konnten. Das könnte sich nun ändern.
       
 (DIR) Mahlzeiten beeinflussen Arbeitsleistung: Gemeinsam Essen macht schlampig
       
       Steht eine Verhandlung an, sollte man vorher mit Freunden speisen. Wer
       hingegen sein Mittagessen alleine im Büro einnimmt, macht danach weniger
       Fehler.
       
 (DIR) Russland und die Ukraine blockieren: Antarktis-Konferenz gescheitert
       
       Eiszeit in Bremerhaven: Über die Ausweisung von Meeresschutzzonen vor der
       Antarktis gibt es keine Einigung. Aktivisten kritisieren auch Norwegen.
       
 (DIR) Forscher über Schutzzonen in Antarktis: „Deutschland hat eine führende Rolle“
       
       Der Meeresforscher Stefan Hain hofft darauf, dass die Schutzgebiete für die
       Antarktis angenommen werden. Der intakte Lebensraum sei einzigartig.
       
 (DIR) Kommentar Antarktis-Konferenz: Verstand dringend gesucht
       
       Der gesunde Menschenverstand besagt, dass die Antarktis geschützt werden
       muss. Dem stehen aber milliardenschwere ökonomische Interessen entgegen.
       
 (DIR) Unberechenbare Riesenwellen: Monsterwellen auf dem Radar
       
       Die über 30 Meter hohen Riesenwellen entstehen mitten auf dem Ozean. Sie
       können selbst große Tankschiffe in Gefahr bringen.
       
 (DIR) Tod im Dienst der Wissenschaft: Wal-Schlachten vor Gericht
       
       Japan macht im Walschutzgebiet Südmeer Jagd auf Meeressäuger. Vor allem
       Australien kämpft dagegen an. Nun muss Den Haag entscheiden.
       
 (DIR) Klimaverhandlungen in Bonn: Gerechtigkeit gesucht
       
       Es gibt Streit um Kosten der Emissionsschäden. Die Bonner Verhandler ringen
       um Fairness, aber es gibt weiterhin Blockierer – und einige gute
       Nachrichten.