# taz.de -- Ökologischer Hochwasserschutz: Begrenzte Wirkung
       
       > Höhere Deiche und starke Staudämme helfen nicht gegen die Fluten. Können
       > die Betroffenen von ökologischen Maßnahmen Hilfe erwarten?
       
 (IMG) Bild: Was hilft tatsächlich gegen Hochwasser?
       
       Im Jahre 1501 ereilte die niederbayrische Dreiflüssestadt Passau die große
       Katastrophe: Die Stadtmauern wurden überflutet und die auf den Dächern
       ausharrenden Überlebenden nur durch mutige Bootsfahrer versorgt – eine
       Jahrtausendflut.
       
       Damals waren die Flüsse weitgehend naturbelassen; über versiegelte Flächen,
       intensive Landwirtschaft und menschengemachten Klimawandel redete niemand.
       Trotzdem kam es zur Katastrophe. Was folgt daraus? So richtig es ist, statt
       mit immer mehr Technik den Flüssen zu Leibe zu rücken, endlich mit dem
       ökologischen Hochwasserschutz zu beginnen – so begrenzt kann im Ernstfall
       sintflutartiger Regenfälle auch seine Wirkung sein.
       
       Eines ist schon jetzt die Lehre aus den Hochwassern von 2002 und 2013: Der
       technische Hochwasserschutz ist weitgehend gescheitert; immer höhere und
       stärkere Deiche bringen insgesamt nicht genügend Sicherheit, zumal sie die
       Fluten flussabwärts verstärken.
       
       Auch das Talsperrenmanagement stößt an seine Grenzen, da die meisten
       Anwohner und Urlauber nicht an einem – zur Sicherheit nur halbvollen –
       Stausee wohnen wollen. Nach dem Stand der recht guten Wetterprognosen ist
       nämlich etwa erst eine Woche vor dem Eintreten von Dauerregen-Unwettern
       klar, dass es schlimm wird; erst dann können Talsperren vorsorglich
       teilentleert werden.
       
       ## Gesättigte Böden
       
       Klar ist aber ebenfalls: Auch die Wirkung des ökologischen
       Hochwasserschutzes ist begrenzt. Beispiel Landwirtschaft: Damit mehr
       Regenwasser im Boden gespeichert wird und nicht als Flut durch Flüsse
       rauscht, soll auf eine intensive Landwirtschaft verzichtet werden, weil
       diese den Boden verdichtet und seine Saugkraft verringert.
       
       Vor vielen Flutereignissen wäre das sinnvoll – aber in diesem Jahr hätte es
       nichts genützt. Denn nach dem verregneten Mai waren fast in ganz
       Deutschland die Böden gesättigt. Ebenso wenig würde diese Maßnahme helfen,
       wenn die Böden nach einem harten Winter tiefgefroren sind und heftiger
       Frühjahrsregen, gepaart mit der Schneeschmelze, eintritt.
       
       Auch vom ökologischen Umbau des Waldes in den Gebirgen, wo es besonders
       viel regnet, kann man keine schnellen Wunder erwarten. Zwar können Laub-
       und Mischwälder mehr Wasser speichern als die vorherrschenden Fichtenwälder
       – aber es dauert viele Jahrzehnte, bis all die nötigen Laubbäume gepflanzt
       und groß geworden sind.
       
       Schnellere Effekte kann man hingegen erzielen, wenn man in den
       Einzugsgebieten der großen Flüsse die Flächenversiegelung stoppen und die
       Begradigung von Nebenflüssen und Bächen rückgängig machen könnte. In diesem
       Fall würde weniger Wasser schnell in den Flutfluss fließen; denselben
       Effekt hätte eine Renaturierung von Feuchtgebieten. Dagegen sträuben sich
       die Landwirte, da sie Produktionsflächen verlieren.
       
       ## Flüssen mehr Raum geben
       
       Sie bremsen auch, wenn es um die wirkungsvollste Maßnahme geht – den
       Flüssen mehr Raum zu geben und Deiche zurückzuverlegen. Von 35.000 Hektar
       Fläche, die eine internationale Elbe-Schutzkommission für
       Auen-Renaturierungen und Deichrückverlegungen nach der Flut von 2002
       vorschlug, wurden weniger als 5 Prozent realisiert.
       
       Größtes erfolgreiches Projekt war eines im brandenburgischen Lenzen, wo die
       Elbe 420 Hektar Überflutungsauen zurückerhielt. Beim Hochwasser im Jahr
       2011 sorgte diese Auenfläche dort für einen um 35 Zentimeter tieferen
       Pegel. Das klingt wenig – aber je flacher die Hochwasserwelle ist, umso
       geringer ist der Druck auf die Deiche.
       
       Der Kampf um neue Überflutungsflächen treibt aber auch sonderbare Blüten:
       Manch Umweltschützer möchte das Oderbruch, ein im 18. Jahrhundert
       trockengelegtes mehr als 900 Quadratkilometer großes Sumpfgebiet in
       Brandenburg, der Oder zurückgeben. Der Fluss hätte dann mehr Platz – aber
       Tausende Menschen verlören ihre Heimat, die jahrzehntelang Berlin mit
       regionalem Gemüse versorgte. Mit einer Flutung fiele fruchtbarer Ackerboden
       weg, auf dem Nahrungs- und Energiepflanzen angebaut werden können.
       
       Wie so oft im Leben gilt auch beim Hochwasserschutz: Man kann nicht alles
       haben, schon gar nicht auf einmal. Und vor bösen Überraschungen ist man
       trotz bestem Bemühen nicht gefeit.
       
       6 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Richard Rother
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Hochwasserschutz
 (DIR) Flut
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Biber
 (DIR) Allgäu
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Hochwasserschutz
 (DIR) Flut
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Deutschland
 (DIR) Überflutung
 (DIR) Hochwasser
 (DIR) Hochwasser
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nationaler Plan für Hochwasserschutz: Flüsse sollen mehr Raum kriegen
       
       Nach dem verheerenden Hochwasser vom Frühsommer wollen Bund und Länder
       endlich für besseren Schutz der Bevölkerung sorgen. Wird jetzt alles gut?
       
 (DIR) Vom Schützling zum Schädling: Feindbild Biber
       
       Er untergräbt Deiche und fällt Bäume. Der Biber richtet enorme Schäden an,
       sagen die Landwirte. Naturschützer halten das für Propaganda. Ein Besuch im
       Oderbruch.
       
 (DIR) Hochwasser in Deutschland: Aus der Vergangenheit gelernt
       
       200 Millionen Euro sind im Oberallgäu in Rückhaltebecken und Deiche
       investiert worden. Anderswo in Bayern funktionert der Hochwasserschutz
       nicht so gut.
       
 (DIR) Hochwasser der Elbe: Die Helfer kommen an ihre Grenzen
       
       Magdeburg kämpft gegen die Fluten an. Andernorts gaben Deiche dem Wasser
       längst nach. Die Altstadt Wittenberges wird evakuiert. Schäuble sichert
       weitere Gelder zu.
       
 (DIR) Hochwasser in Deutschland: Gaffern droht Zwang zur Mithilfe
       
       Der Deutsche Feuerwehrverband will Katastrophentouristen zum Kampf gegen
       die Flut verpflichten. In Sachsen-Anhalt und Brandenburg drückt die Elbe
       gegen die Deiche.
       
 (DIR) Hochwasser in Deutschland: Rekordpegelstand in Magdeburg
       
       In Sachsen-Anhalts Hauptstadt drängt die Elbe gegen die Deiche. In
       Bitterfeld sind 10.000 aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen, während sich
       in Tschechien die Lage entspannt.
       
 (DIR) Hochwasser in Deutschland: Die Flut bleibt länger
       
       Finanzminister Schäuble kündigt Hilfen für Flutopfer an. Unterdessen hat
       die Scheitelwelle der Elbe Dresden erreicht. Die Lage an Saale und Donau
       bleibt kritisch.
       
 (DIR) Hochwasser in Sachsen: „Lieber Wasser im Wohnzimmer“
       
       In Roßwein haben Bürgerproteste eine Flutschutzwand verhindert – sie hätte
       den Blick versperrt. Nun steht die mittelsächsische Kleinstadt unter
       Wasser.
       
 (DIR) Hochwasser in Deutschland: Rekordflut an der Saale
       
       In Halle steht die Saale so hoch wie seit 400 Jahren nicht mehr. Rund
       30.000 Menschen sollen ihre Häuser verlassen. Gefahr droht auch in Dresden.
       
 (DIR) Umweltschützer über Deichgegner: „Am Ende zahlt die Allgemeinheit“
       
       Bürger gehen oft gegen neue Deiche auf die Barrikaden. Wer sie von besserem
       Hochwasserschutz überzeugen will, braucht geschultes Personal.
       
 (DIR) Hochwasser im Norden: Die Welle kommt
       
       Die Katastrophenstäbe bereiten sich auf eine Rekordflut an der Elbe vor.
       Der Naturschutzbund fordert indes mehr Überflutungsflächen.
       
 (DIR) Kommentar Hochwasserkatastrophe: Trocken bleibt es nur auf dem Berg
       
       Die Forderung nach Retentionsräumen greift zu kurz. Klimawandel ist nicht
       umkehrbar. Vor dem Hochwasser ist man im Zweifel kaum gefeit.
       
 (DIR) Hochwasser in Deutschland: Evakuierungen in Bitterfeld
       
       Das Hochwasser hat den Osten und Süden Deutschlands weiter im Griff. Im
       Norden werden Rekordpegel erwartet. Sachsen bereitet finanzielle
       Soforthilfe vor.