# taz.de -- Mozilla für Mobiltelefone: „Software ist mächtiger als Gesetze“
       
       > Wer Kontrolle über seine Daten hat, kann den Kühlschrank die Milch
       > bestellen lassen, sagt Mozilla-Chefin Mitchell Baker. Sie will eine
       > Ergänzung zum Konsum bieten.
       
 (IMG) Bild: Software. Verdammt mächtig
       
       taz: Frau Baker, Mozilla ist mit seinem Internetbrowser Firefox populär.
       Jetzt planen Sie ein Betriebssystem für Mobiltelefone – in Konkurrenz zu
       den kommerziellen Programmen von Android und Apple. Was hat der Nutzer
       davon? 
       
       Mitchell Baker: Wenn man heute ein Handy kauft, entscheidet man sich nicht
       nur für das Gerät, sondern noch für einen Haufen anderer Dinge, für das
       Betriebssystem und das System, mit dem man zahlt oder sich identifiziert.
       
       Warum ist das ein Problem? 
       
       Weil der Nutzer nicht die Wahl hat. Ein Beispiel: Wenn wir einkaufen gehen,
       dann gehen wir manchmal in einen riesigen Supermarkt, weil es bequem ist.
       Aber manchmal gehen wir auch in einen Spezialitätenladen, weil wir genau
       eine Sache suchen. Und diese Möglichkeit gibt es bei Mobiltelefonen gerade
       nicht. Vielleicht will jemand mit einem Android-Telefon nicht, dass Google
       all seine Zahlungen kennt. Oder alle heruntergeladenen Apps. Das wollen wir
       anders machen.
       
       Aber nur wer Kundendaten hat, kann damit Geld verdienen. 
       
       Es geht heutzutage meist um Profit. Das schafft natürlich auch Innovationen
       und Fortschritt, aber es ist nicht alles. Denn es gibt mehr im Leben. Es
       gibt gesellschaftliche Güter, Bürgerbeteiligung, ehrenamtliches Arbeiten,
       Familienleben, und das ganz ohne Profit. Jeder Einzelne ist dafür
       verantwortlich, ein Leben zu leben, das Sinn für ihn macht. Da geht es
       beispielsweise um Teilhabe.
       
       Wie soll Software denn dazu beitragen, Menschen mehr Teilhabe zu
       ermöglichen? 
       
       Die Idee ist, eine Ergänzung zum Konsum zu bieten. Konsum funktioniert so:
       Du bekommst, was jemand dir gibt. Aber das muss nicht immer das Richtige
       sein. Bei Mozilla beispielsweise ist erst einmal alles auf Englisch. Das
       ist für einen großen Teil der Welt überhaupt nicht zu gebrauchen. Aber wir
       haben eine sehr aktive Community, aus der die Leute das Programm in ihre
       Sprache übersetzen.
       
       Das hilft jetzt Mozilla, aber was ändert das für den Nutzer? 
       
       Je mehr Offenheit wir haben und je mehr Wahlmöglichkeiten es gibt, desto
       besser für Nutzer. Software hat sehr viel Macht. Sie ist teilweise
       mächtiger als ein Gesetz.
       
       Inwiefern? 
       
       Vor etwa zehn Jahren hatten 97 Prozent der Nutzer den Internet Explorer von
       Microsoft auf dem Computer. Fast alle Nutzer hatten also nur Zugang zu
       Inhalten, die der Internet Explorer angezeigt hat. Natürlich soll ein
       Browser keine schädlichen Programme durchlassen. Aber es ist sehr einfach,
       ihn so zu programmieren, dass er etwa Angebote der Konkurrenz draußen
       lässt. Programme haben also einen unheimlich großen Einfluss auf unser
       Leben. Deshalb machen wir freie Software. Bei uns kann sich jeder den Code
       holen und ändern, so wie es ihm gefällt.
       
       Das soll es jetzt also auch für Handys geben. Aber werden wir in 10 oder 15
       Jahren überhaupt noch Smartphones nutzen oder nicht eher Smart Watches oder
       Smart Glasses? 
       
       Es wird sich sicher sehr viel verändern bis dahin. Und ich schätze, dass
       wir ein Mobiltelefon, wie wir es heute kennen, kaum noch nutzen werden. Der
       Trend geht dahin, dass Computer eine noch viel größere Rolle in unserem
       Leben spielen werden, als das jetzt schon der Fall ist.
       
       Und zwar? 
       
       Es wird viele Geräte geben, die von selbst Informationen sammeln und
       übertragen, ohne dass der Nutzer sich da aktiv einbringt.
       
       Das klingt wie die Zukunftsvision von Kühlschränken, die automatisch die
       fehlende Milch nachbestellen. 
       
       Ja, genau.
       
       Ist das für Sie ein angenehmer Gedanke? 
       
       Absolut. Ich mag die Bequemlichkeit. Es gibt unheimlich viele Situationen
       im Leben, die Zeit kosten und aufwendig sind und denen wir uns eigentlich
       nicht mit voller Aufmerksamkeit widmen müssen. Wenn wir die automatisieren
       können – warum nicht?
       
       Zum Beispiel? 
       
       Manchmal macht es Spaß, einkaufen zu gehen und zu kochen. Man wacht morgens
       auf, denkt über jedes Detail nach und will alles selbst machen. Aber die
       meisten Tage beginnen doch eher anders. Man steht auf und muss zur Arbeit
       und die Kinder müssen in die Schule – da ist man nur dabei, das Ganze
       irgendwie auf die Reihe zu kriegen. Wenn man dann den Kühlschrank öffnet
       und feststellt, dass kein Frühstück für die Kinder da ist, ist das nicht so
       lustig.
       
       Aber möglicherweise weiß dann ihr Kühlschrank-Hersteller, wie viel Milch
       Sie trinken. Stört Sie das nicht? 
       
       Die Voraussetzung ist natürlich, dass wir all die Daten, die da
       ausgetauscht werden, selbst kontrollieren können und entscheiden können,
       was damit passiert.
       
       Mit der Meinung scheinen Sie in der Minderheit zu sein – gerade im
       Mobilfunkbereich legen Nutzer bislang nicht sehr viel Wert auf Datenschutz:
       Sie bezahlen häufig indirekt mit ihren Daten, etwa für eine App. 
       
       Ich denke, wir werden ein oder zwei Generationen haben, deren komplettes
       Leben im Internet abrufbar ist. Aber es wird auch die Zahl der Katastrophen
       zunehmen, also Fälle, bei denen Existenzen von Menschen Schaden nehmen.
       
       Wodurch? 
       
       Beispielsweise durch Gesundheitsdaten.
       
       Also der Arbeitgeber, der jemanden nicht einstellt, weil er weiß, dass der
       Bewerber in psychiatrischer Behandlung war. 
       
       Deshalb denke ich, dass Datenschutz für mehr Menschen wichtig werden wird.
       Auch wenn privat und geheim nicht unbedingt das Gleiche sein müssen. Es
       geht vor allem darum, wer die Hoheit über die Daten hat. Und die muss beim
       Nutzer liegen.
       
       22 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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