# taz.de -- Waffenstillstand zwischen Türkei und PKK: „Es wird keine Gewehre mehr geben“
       
       > Die Kurden sind begeistert von Öcalans Plänen für eine politische Lösung.
       > Die türkische Regierung bescheinigt dem PKK-Chef eine „Sprache des
       > Friedens“.
       
 (IMG) Bild: In Diyarbakir feiern KurdInnen das Neujahrsfest „Newroz“.
       
       DIYARBAKIR taz | Abdullah Öcalan, der inhaftierte Führer der Arbeiterpartei
       Kurdistans (PKK), hat zu einem Waffenstillstand mit der türkischen
       Regierung und zu einem Rückzug der Kämpfer in den Nordirak aufgerufen. Ein
       entsprechender Brief wurde am Donnerstag in der Stadt Diyarbakir im
       Südosten des Landes verlesen, wo Hunderttausende das kurdische Neujahrsfest
       „Newroz“ feierten.
       
       „Vor Millionen Menschen erkläre ich, dass es keine Gewehre mehr geben
       wird“, heißt es in dem Brief, der auf Türkisch und Kurdisch von Mitgliedern
       der kurdischen Partei BDP, die auch im Parlament vertreten ist, verlesen
       wurden. „Eine neue Ära hat begonnen. Eine Ära, in der die Politik
       vorherrscht und nicht die Waffen“, hieß es darin weiter.
       
       Es war bereits der zweite Schritt der PKK innerhalb von acht Tagen, um die
       29-jährige Rebellion gegen den türkischen Staat zu beenden. Vergangene
       Woche ließ die PKK acht Türken frei, die sie in den letzten beiden Jahren
       entführt hatte.
       
       „Jetzt ist es an der Zeit, dass die bewaffneten Kräfte das Land verlassen“,
       sagte Öcalan in seinem Brief, den er im Gefängnis auf der Insel Imrali im
       Marmarameer verfasste, wo er eine lebenslange Haftstrafe für mehrfachen
       Mord verbüßt.
       
       Der türkische Premier Tayyip Erdogan hat das kurdische
       Waffenstillstandsangebot begrüßt. Er betrachte die Erklärung Öcalans als
       eine „positive Entwicklung“, so Erdogan am Donnerstag während eines Besuchs
       in den Niederlanden vor Journalisten. Wichtig sei nun aber, dass der Aufruf
       auch umgesetzt werde, betonte er zugleich. Zuvor hatte bereits
       Außenminister Muammar Gül den Aufruf begrüßt und betont, Öcalan habe
       deutlich die „Sprache des Friedens“ gewählt.
       
       ## Wenig Konkretes
       
       Ein westlicher Diplomat unter den geladenen Gästen in Diyarbakir äußerte
       sich enttäuscht darüber, dass Öcalan keinen Zeitplan für den Rückzug der
       schätzungsweise 3.000 bis 4.000 PKK-Kämpfer nannte. Ein kurdischer
       Lehrbeauftragter kritisierte, Öcalans Rede sei „voller Floskeln gewesen,
       die zu Frieden und Einheit aufrufen“, habe aber wenig Konkretes enthalten.
       
       Der Lehrbeauftragte, der seinen Namen nicht nennen wollte, weil er für den
       Staat arbeitet, fügte hinzu, Öcalan habe es vielleicht deshalb vermieden,
       einen Termin für den Rückzug zu nennen, weil es Meinungsverschiedenheiten
       zwischen den irakischen und europäischen Fraktionen der PKK, der
       politischen Partei und ihm selbst gegeben habe.
       
       Aber ein anderer Kurde, der Englischstudent Naside Yakisitir, der die
       Verlesung des Briefes mit anhörte, sagte, die Regierung müsse mehr tun, um
       „ihre Ernsthaftigkeit“ im Friedensprozess zu beweisen. Dieser hatte im
       Oktober vergangenen Jahres begonnen, als die türkische Regierung Gespräche
       mit dem inhaftierten Öcalan aufnahm.
       
       ## Verfassungsänderung gefordert
       
       Die Kurden erwarten von der Regierung Erdogan, dass sie ihre
       parlamentarische Mehrheit nutzt, um die Verfassung zu ändern. Dabei soll
       ihnen das Recht eingeräumt werden, die kurdische Sprache in staatlichen
       Einrichtungen zu nutzen und kurdischsprachige Schulen einzurichten. Zudem
       sollen den Provinzen mehr Mitspracherechte eingeräumt werden, damit die
       gewählten Repräsentanten im Stadtrat von Diyarbakir darüber entscheiden
       können, wie die Gelder in ihrer Stadt oder Provinz verteilt werden, und
       nicht mehr der von Ankara eingesetzte Gouverneur. 
       
       Am wichtigsten ist den Kurden aber die Bewahrung ihrer Identität, die an
       ihre kurdische Sprache gebunden ist und an die Möglichkeit der Erziehung in
       der eigenen Sprache. „Alles, was ich möchte, ist Frieden und das Recht, zu
       zeigen, dass ich eine Kurdin bin“, sagt Tulay Uchdag (21).
       
       Noch bevor Öcalans Brief verlesen wurde, erwähnte sie, dass sie zwei enge
       Freunde hätte, „die in die Berge gegangen“ seien – die Umschreibung für den
       Weg zur PKK. „Nach Öcalans Botschaft werden die Leute, die ich kenne, aus
       den Bergen zurückkehren. Ich werde erleichtert sein, weil niemand mehr
       sterben muss,“ betont Tulay Uchdag.
       
       21 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasper Mortimer
       
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