# taz.de -- Die EU-Wohngemeinschaft in Brüssel: Eine demokratische WG
       
       > Was Europas Politiker sagen, wissen wir. Wie aber geht es in einer
       > normalen WG in Brüssel beim Plenum zu? Diesmal geht's um die
       > Haushaltskasse. 
       
 (IMG) Bild: Eine ganz normale WG.
       
       Herman sitzt am Kopfende des großen Küchentisches, auf dem Wasabi-Nüsse,
       Tequila und Ritter-Sport-Vollnuss liegen und versucht, mit lauter Stimme,
       alle zum Zuhören zu bringen:
       
       „Also, Leute, wir haben echt ein Problem – es ist zu wenig Geld da, so
       können wir die Renovierung des Wohnzimmers, die ja alle wollen, nicht
       machen. Ich hab da mal eine Rechnung aufgestellt, wie wir es vielleicht
       doch hinkriegen.“
       
       Er reicht einen Stapel Zettel rum, keiner liest, was draufsteht. Andonis
       schenkt allen Tequila ein.
       
       Francois: „Ich weiß ja schon, was du willst – die Hunde rausschmeißen und
       das Geld fürs Futter und den Tierarzt sparen. Aber da mache ich nicht mit.
       Ohne meine Tiere will ich hier nicht mehr wohnen.“
       
       David kichert, reißt sich aber schnell zusammen: „Wir wollten eh nicht,
       dass die Hunde für immer bleiben, da müssen wir schon nochmal drüber reden.
       Und außerdem finde ich, können wir an dem ganzen Bio-Fraß sparen, das Zeug
       schmeckt nicht, wird nie die Welt retten und kostet nur ein Schweinegeld.
       Oder? Damit bin ich doch nicht alleine hier!“
       
       „Nein, da bin ich ganz bei dir“, sagt Mark. „Das ist eine kulinarische
       Diktatur hier geworden, neulich habe ich meine Frikandeln im Müll gefunden!
       Möchte echt mal wissen, wer das war.“ Mariano kratzt sich verlegen am Kopf
       und schenkt sich schnell noch einen Tequila nach, sagt aber nichts.
       
       „Mich würde viel mehr interessieren, wann Jean-Claude es endlich mal
       hinkriegt, den Müll runterzubringen – BEVOR er überquillt. Die Aufgaben
       sind doch hier klar verteilt“, sagt Donald und schnaubt wütend. „Und
       Andonis geht nie einkaufen, wenn er dran ist“, meckert Mario. Andonis tut
       so, als hätte er nichts gehört.
       
       Angela schweigt.
       
       Herman: „Liebe Leute, wir verzetteln uns. Wir wollen das Wohnzimmer
       renovieren, darauf haben wir uns doch beim letzten Plenum geeinigt. Der
       Korkfußboden ist schon bestellt, wir haben aber kein Geld, um ihn zu
       bezahlen.“
       
       David: „Ich glaube, ich ziehe eh wieder aus, was interessiert mich das
       Wohnzimmer.“
       
       Francois: „Echt super, deine konstruktiven Beiträge.“
       
       Plötzlich geht die Tür auf und Tomislav steht in der Küche. „Ich will jetzt
       echt langsam mal wissen, was Sache ist. Ich hab mich vor Monaten hier
       beworben, das Dachzimmer steht leer und ihr könnt euch nicht entscheiden,
       ob ich einziehen darf. Das ist echt nicht fair.“
       
       Herman: „Sorry, aber so einfach ist das nicht, wir sind ja keine reine
       Zweck-WG.“ David lacht auf. „David, wirklich, das ist jetzt nicht okay. Nur
       weil du mal wieder in einer zynischen Phase bist“, reagiert Herman
       ungehalten. „Mimimi“, antwortet David, hält sich aber dann zurück. Alle
       schauen verlegen zur Seite.
       
       Tomislav setzt sich einfach dazu. „Ich will wenigstens zuhören, wenn ihr
       die Zukunft plant, vielleicht ist es ja auch meine Zukunft.“ Einige murren,
       aber keiner traut sich, ihn rauszuschmeißen.
       
       Angela schweigt.
       
       Herman versucht es noch einmal, ist aber langsam genervt: „Also wir
       schaffen das Jahresticket für die öffentlichen Verkehrsmittel ab, laden die
       Nachbarn nicht mehr jede Woche zum Essen ein, alle drehen nachts die
       Heizungen runter, machen das Licht und die Rechner aus und wir gehen wieder
       beim Discounter einkaufen. Dann müssten wir in einem Jahr genug gespart
       haben für den Korkboden. Wir müssen das Geld nur vorstrecken. Und Francois,
       nein, ich will die Hunde nicht rausschmeißen.“
       
       David: „Wie, die Scheißköter dürfen einfach bleiben? Ich dachte wir sind
       eine demokratische WG?! Und überhaupt, das ist doch alles nur
       Herumflickerei – in der Kasse ist einfach zu wenig Geld, wir müssen
       radikaler ran.“
       
       „Herumficken?“, fragt Mariano, von dem alle dachten, er sei eingeschlafen.
       
       Angela schweigt.
       
       „Und wovon bitteschön soll ich das Geld vorstrecken?“, fragt Andonis und
       verschränkt die Arme. Alle verdrehen die Augen, Stühle rücken, Gläser
       werden auf den Tisch geknallt. „Jetzt kommt wieder die Opfer-Nummer“,
       stöhnt Jean-Claude. Da reckt sich Angela, holt Luft, alle werden still und
       sie sagt: „Schluss für heute, alle ins Bett jetzt.“
       
       23 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frauke Böger
       
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