# taz.de -- Kommentar Sorgerecht in Europa: Nicht ohne meine Kinder
       
       > Wenn sich binationale Paare trennen, lassen Elternteile mitunter ihre
       > eigenen Kinder entführen. Es wird Zeit, dass die europäischen Behörden
       > kooperieren.
       
       Wer hat welches Recht an den Kindern, wenn die Eltern sich trennen? Das
       sehen Mütter und Väter mitunter recht unterschiedlich, so dass Gerichte
       entscheiden müssen. Was aber, wenn die getrennten Eltern ein sogenanntes
       binationales Paar sind, also aus verschiedenen Ländern kommen?
       
       Häufig wollen Mütter und Väter nach einer Trennung zurück in ihr Heimatland
       – zusammen mit ihren Kindern. Der zurückbleibende Elternteil will die
       Kinder aber auch in seiner Nähe haben. Das ist der Stoff, aus dem
       Entführungsdramen gestrickt sind. So wie im Fall des Ex-Ehepaars Marinella
       Colombo und Tobias Ritter.
       
       Nach der Scheidung in Deutschland, wo das Paar mit den gemeinsamen Kindern
       gelebt hat, bekamen beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht. So ist das
       üblich in Deutschland, so erleben das auch deutsch-deutsche Trennungspaare.
       Marinella Colombo aber akzeptierte das nicht und beantragte das alleinige
       Sorgerecht.
       
       Das zuständige Amtsgericht wies den Antrag mit dem Hinweis auf die
       „Aufrechterhaltung der Vater-Kind-Beziehung“ ab, worauf die Mutter die
       Kinder zweimal in ihre Heimat Italien entführen ließ. Der Fall beschäftigte
       mehrere deutsche und italienische Gerichte, der Petitionsausschuss des
       Europaparlaments war damit befasst, aktuell ist eine Klage der Mutter beim
       Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.
       
       Trennungsbedingte Kindesentführungen oder die Weigerung eines Elternteils,
       dem anderen Umgang mit den Kinder zu gewähren, gibt es auch hierzulande.
       Das ist keine Frage der nationalen Herkunft, sondern eine von
       Verantwortungsbewusstsein. In ganz Europa sind die Entführer aber natürlich
       noch schwerer aufzuspüren. Schätzungen zufolge werden jährlich mehrere
       Hundert Mädchen und Jungen von einem Elternteil ins Ausland verschleppt.
       Mitunter mit fatalen Folgen für die Kinder: Sie gehen nicht zur Schule,
       weil sie versteckt gehalten werden, sie haben kaum Kontakt zur Außenwelt,
       sie sind der Willkür des elterlichen Entführers ausgesetzt.
       
       Den Behörden – egal ob in Italien, Deutschland, Malta oder Schweden –
       sollte es in erster Linie ums Kindeswohl gehen. Was das konkret heißt, wird
       von Land zu Land mitunter unterschiedlich gesehen. So erfährt Marinella
       Colombo in Italien, wo der Fall genau verfolgt wird, große Unterstützung
       von Menschen, die in deutschen Jugendämtern Himmler-Behörden sehen und von
       einer „Germanisierung der Kinder“ reden.
       
       Ein Verband europäischer Eltern, der die deutsche Sorgerechts- und
       Umgangspraxis anprangert, wirft den deutschen Ämtern sogar vor, sie würden
       nichtdeutsche Elternteile benachteiligen. Beim Petitionsausschuss des
       Europaparlaments liegen 120 solcher Beschwerden vor.
       
       Manche Länder halten sich aus Familienstreitigkeiten, die zwar im eigenen
       Land stattfinden, aber bei denen die Betroffenen eine andere
       Staatsbürgerschaft haben, schlicht heraus, gern nach dem Motto: Geht uns
       nichts an, das sollen die mal schön nach ihren eigenen Regeln klären.
       Unabhängig davon haben europäische Behörden bereits mehrfach Umgangs- und
       Sorgerechtsregelungen in Deutschland kritisiert, deutsche Behörden müssen
       ihre Rechtspraxis ändern. Es ist an der Zeit, das auf europäischer Ebene
       auszudehnen.
       
       25 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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