# taz.de -- Kommunale Armutsprävention: Monheims langer Atem
       
       > Eine mittelgroße Stadt am Rhein setzt auf langfristige Konzepte, um die
       > Benachteiligung von Kindern aus armen Familien zu mildern. Mit Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Ein engmaschiges Betreuungsangebot kann Armut vorbeugen – von Anfang an.
       
       BERLIN taz | „Präventionsketten“ lautet das Zauberwort zur
       Armutsbekämpfung. Was das heißt, zeigt Monheim am Rhein. Die
       44.000-Einwohner-Stadt zwischen Köln und Düsseldorf, geprägt von
       mittelständischen Unternehmen, gilt als Vorreiter der Armutsbekämpfung auf
       kommunaler Ebene. „Alle ziehen an einem Strang und wir greifen aktiv ein,
       bevor es zu spät ist“, sagt Annette Berg, Leiterin des Jugendamts.
       
       In Monheim hob dafür 2002 der Stadtrat „Mo.Ki“ – Monheim für Kinder – aus
       der Taufe. Das Kürzel steht für nichts weniger als den kompletten Umbau der
       Kinder- und Jugendhilfe. Mo.Ki will armen Familien ein eng gefächertes
       Betreuungs- und Unterstützungsnetz von der Geburt bis zur Berufsausbildung
       bieten.
       
       So sollen die negativen Folgen der Armut der Eltern – soziale Isolation,
       geringere Bildungschancen, eine schlechtere Gesundheit – bei den Kindern
       präventiv so früh wie möglich gemindert werden. Rund 60 Träger arbeiten
       dafür zusammen, von der Arbeiterwohlfahrt und dem Jugendamt über die
       Kirchen, die Kitas, Grundschulen und Sportvereine.
       
       „Wir schauen vor allem auf das Berliner Viertel“, sagt Berg. Das ist ein
       sogenannter Problemstadtteil: In der Plattenbausiedlung leben etliche der
       11.000 Einwohner von Sozialtransfers. Vor allem belässt es Mo.Ki nicht beim
       Schauen: „Wir besuchen jede Familie mit einem Neugeborenen und stellen
       unser Angebot vor“, sagt Berg. 2011 waren es 400 Familien. Rund ein Viertel
       davon sei bei der Erziehung unsicher oder komplett überfordert.
       
       ## Rat und Hilfe bei Fachleuten
       
       Für Familien mit unter Dreijährigen bietet die Stadt
       Eltern-Kind-Spielgruppen, Lesewochen, Kurse über gesunde Ernährung und
       Babymassagen, Ferienprogramme, multikulturelle Treffpunkte. Dreh- und
       Angelpunkt sind die Familienhebammen und Familienbildnerinnen, die
       kostenlose Kurse anbieten, und das „Café und mehr“.
       
       In dem Treffpunkt können sich Eltern austauschen oder Rat und Hilfe bei
       Fachleuten suchen. „Das Café wird gut angenommen, auch weil es nicht als
       Jugendamtseinrichtung wahrgenommen wird“, sagt Berg. Mittlerweile schauen
       vier von zehn Monheimer Neueltern einmal oder regelmäßig vorbei.
       
       Werden die Kinder älter, greift Mo.Ki I in den Kitas: Die Erzieherinnen
       schauen genauer hin, wenn ein Kind hungrig oder verdreckt in die Kita
       kommt, Sozialtherapeuten, Sport- und Musikvereine begleiten die Kinder mit
       Angeboten und Sprachförderung direkt in der Kita. Eine Extrakraft begleitet
       die Familien zudem im Berliner Viertel.
       
       ## Engmaschiges Betreuungsangebot
       
       Für den dritten Schritt ist Mo.Ki II zuständig: Auch in der Grundschule
       bietet die Stadt ein engmaschiges Betreuungsangebot, Lehrer, Sozialarbeiter
       und Sprachtherapeuten kümmern sich um die Kinder aus sozial benachteiligten
       Familien, helfen aber auch den Eltern, besser Deutsch zu lernen.
       
       In der Zukunft soll das Programm auch auf die 10- bis 18-Jährigen in
       weiterführenden Schulen und die Etappe der Berufsausbildung ausgedehnt
       werden. „Wichtig ist eine lückenlose Betreuung, um Bruchstellen wie die
       Einschulung und den Schulwechsel zu begleiten“, sagt Berg.
       
       Die Stadt hat für ihr Rundumprogramm zehn Extrakräfte angestellt und lässt
       sich das Programm zusätzliche 350.000 Euro pro Jahr kosten. Der Rest speist
       sich aus vorhandenen Budgets und Fachkräften. Das ist auf den ersten Blick
       erstaunlich, denn als Monheim Mo.Ki beschloss, befand sich die
       überschuldete Kommune im Nothaushalt.
       
       „Aber letztlich zahlt sich die Prävention aus. Für die Kinder wie für den
       Haushalt“, sagt Berg. So habe die Stadt den NRW-weiten Trend zum Anstieg
       der Heimunterbringung von Kindern aus zerrütteten Familien zumindest
       gebremst. In ganz NRW stiegen die Heimunterbringungen zuletzt um 30
       Prozent, in Monheim sind es 20 Prozent. „Und ein Heimplatz kostet 4.500
       Euro im Monat“, sagt Berg.
       
       Sie kann weitere Erfolge vorweisen. Seit Programmstart schaffen 10 Prozent
       mehr Kinder aus dem Berliner Viertel den Sprung aufs Gymnasium. Trotzdem
       weiß auch Berg um die Grenzen des Projekts: „An der Einkommens- und
       Wohnsituation der Eltern können wir leider nichts ändern.“
       
       26 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Steuersenkung
 (DIR) Vereinte Nationen
       
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