# taz.de -- Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Die Suche nach Identität
       
       > Dürfen die Städte im Großlandkreis Mecklenburgische Seenplatte ihre
       > Nummernschilder selbermachen? Gar nicht so einfach.
       
       Zur Stunde ist unklar, wer sich im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte
       beliebter machen wird: Peter Ramsauer oder Heiko Kärger. Beide haben
       einiges gemeinsam – sie stehen an der Spitze, Peter Ramsauer im
       Bundesverkehrsministerium und Heiko Kärger in der Kreisverwaltung; beide
       gehören Parteien mit einem C im Namen an und beide interessieren sich
       neuerdings für Kfz-Kennzeichen. Dabei ließe Peter Ramsauer am liebsten jede
       Stadt ihr eigenes Nummerschild machen, während Heiko Kärger sich
       bescheidener gibt. Ihm würden schon fünf verschiedene genügen.
       
       Das war nicht immer so. Früher war Kärger in dieser Hinsicht ein Purist.
       Ein Kreis, ein Kennzeichen, lautete die Maxime, die allerdings schon durch
       das Landkreisneuordnungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern aufgeweicht wurde.
       Denn die bis 2011 kreisfreien Städte durften nach der Kreisgebietsreform
       ihre Nummerschilder behalten - weil sonst die Hansestädte Wismar (HWI),
       Stralsund (HST) und Greifswald (HGW) ihr Hansestadt-H hätten abgeben
       müssen, wird im Volk gemurmelt.
       
       Auch Neubrandenburg, die heutige Kreisstadt der Seenplatte, hatte damit ihr
       altes NB sicher. Darüber hinaus hätte sich für die Mecklenburgische
       Seenplatte natürlich ein MSP angeboten, doch das war schon für den
       Main-Spessart-Kreis vergeben. Ein kurzzeitig ins Auge gefasstes SEE kam
       auch nicht in Frage, weil es das schon einmal für den früheren Kreis Seelow
       in Brandenburg gab und Seelow es gerne wieder haben wollte.
       
       Mit dem MSE, zu dem man sich schließlich entschieden hat, will sich aber
       kaum jemand anfreunden. Bei einer Online-Umfrage der Tageszeitung
       "Nordkurier" stimmten rund drei Viertel der etwa 4000 Teilnehmer dafür, die
       alten Kennzeichen beizubehalten. Rund um die Müritz hingen die Leute an
       ihrem MÜR, in Mecklenburg-Strelitz wollten sie das MST nicht abschrauben
       und in Demmin wollten das DM behalten. Mit diesem Kürzel, fühlt mancher,
       ist man wer in Deutschland. Schon allein, weil es an die D-Mark erinnert.
       
       Allerdings, das muss man einräumen, waren auch nicht alle mit diesen
       Kennzeichen glücklich. Im mecklenburgischen Malchin beispielsweise drängten
       1994 kurz vor der ersten Kreisgebietsreform Autokäufer in die
       Zulassungsstelle, um noch schnell ein MC zu bekommen, das abgeschafft
       werden sollte, und Lokalpatrioten, die ihren Wagen nicht mehr rechtzeitig
       wechselten, versuchten wenigstens ein MC für die zweite Buchstabengruppe zu
       ergattern. Daran erinnerte sich Malchins Bürgermeister Jörg Lange (FDP),
       als es um die Kennzeichen für den neuen Großkreis ging. Das MC könnte
       eigentlich auch gleich wieder eingeführt werden, sinnierte er im Kreistag.
       
       Peter Ramsauer meldete sich in dem Streit erst später zu Wort, aber Heiko
       Kärger war das Ganze angesichts eines drohenden "Kennzeichensalats" doch
       etwas suspekt. Erst nach einem Besuch im Partnerkreis Warendorf, wo die
       amtlichen Blechschilder Volkes Stimmung zeitweilig ähnlich teilten, änderte
       er seine Meinung. Und als er das Ergebnis der Nordkurier-Umfrage kannte,
       war er endgültig für MSE samt MÜR, MST, DM und natürlich NB.
       
       Jetzt liegt die Sache beim Bundesrat in Berlin. Und vielleicht auch ein
       wenig bei Peter Ramsauer. Zur Stunde ist deshalb noch unklar, wer sich
       beliebter machen wird in der Seenplatte: Minister oder Landrat. Oder aber
       es macht sich einer völlig unbeliebt: der Bundesrat, indem er die
       Kennzeichen-Freiheit einfach ablehnt.
       
       13 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Wagner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Nationalpark
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Der Sammelplatz an der Müritz: Wir wollten Kraniche gucken …
       
       Die Sache mit dem Glück oder wie man zur falschen Zeit am richtigen Ort
       sein kann: Eigentlich rasten an der Müritz im August riesige Scharen von
       Kranichen.
       
 (DIR) Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Auf dem Trockenen
       
       Der Landkreis steckt in den Miesen. Die Verwaltung ist so knauserig, dass
       die Kreistagsmitglieder hungern und dürsten müssten. Doch es gibt Retter.
       
 (DIR) Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Schelte von oben und von unten
       
       Wenn obere staatliche Behörden an unteren staatlichen Behörden
       herumkritisieren, gibt es schnell beleidigtes zurückschimpfen.
       
 (DIR) Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Vorpommersche „Diaspora“
       
       Seit dem Mittelalter war der Landstrich nördlich und südlich der Peene
       Pommern. In der DDR war damit Schluss, dann kam neuer Stolz und jetzt die
       Gebietsreform.
       
 (DIR) Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Die Last des weiten Landes
       
       Wenn aus vielen kleinen Landkreisen der größte Deutschlands wird, sitzen
       Lokalpolitiker auf einmal viel im Auto. Einigen ist das zu viel Aufwand.
       
 (DIR) Serie Landkreis XXL: Die Sammler aus der Seenplatte
       
       Der neue Landkreis Mecklenburgische Seenplatte startet mit einem riesigen
       Defizit. Vermutlich werden die Gelder für Museen gekürzt – und alle haben
       Angst, dass es sie trifft.
       
 (DIR) Kolumne Heimatkunde Seenplatte: 40 km südlich von Nossendorf
       
       Lokalpolitiker können Demmin von Tellow nicht unterscheiden. Und in Randow
       weiß auch keiner so genau, wo Papiermühle liegt.
       
 (DIR) Serie Landkreis XXL: Geschichten aus der Murkelei
       
       Der Kreis Mecklenburgische Seenplatte ist seit einer Reform doppelt so groß
       ist wie das Saarland. Wie verändert dies die Politik?