# taz.de -- Queer-Forscher über Olympia und Sex: „Sport plus Porno gleich Sporno“
       
       > Viel Körper, viele Slips, viel Schweiß. Bei Olympia faszinieren uns die
       > Körper. Queer-Forscher Peter Rehberg erklärt, wie Olympia, Sport und
       > Porno zusammenhängen.
       
 (IMG) Bild: Sport plus Porno gleich Sporno
       
       taz: Herr Rehberg, als Zuschauer der Spiele in London sieht man sehr viele
       anmutig sich mühende menschliche Körper – aber was hat das mit Pornografie
       zu tun? 
       
       Peter Rehberg: Sport plus Porno gleich Sporno.
       
       Diesen Begriff hat der britische Journalist Mark Simpson geprägt. Aber ist
       das Phänomen, dass Sport immer sexueller wird, in einer Vokabel zu fassen? 
       
       Ja. Seit den neunziger Jahren haben sich die Bereiche von Sport und
       Pornografie stark vermischt: Fußballspieler wie David Beckham haben
       offensiv als Unterwäschemodels posiert, die italienische Nationalmannschaft
       hat sich komplett in Dolce & Gabbana-Slips präsentiert.
       
       So weit zum Fußball … 
       
       Die PR-Kampagnen von Sportartikelherstellern leben von SportlerInnen, die
       allenfalls noch mit wenig Textilien posieren. Sport und ein visuelles
       Angebot, das pornografisch gelesen werden kann, laufen zusammen.
       
       Und was ist der Unterschied zu früher? 
       
       Der sexuelle Subtext, den sportliche Veranstaltungen mit ihren
       Körperschauen immer schon mitlieferten, kommt nun krass zum Vorschein.
       
       Sie meinen: Sport war schon immer auch sexuell aufgeladen, nun aber spricht
       man auch darüber – doch wie ist es umgekehrt? Wurde Sex sportlicher? 
       
       Wenn mit Sporno Sex in den Blick rückt, geht das nur unter der Bedingung,
       dass Sexualität selbst als körperliche Leistungsschau und Fitnessbeweis
       verstanden wird, ja. Auf diese Weise illustrieren übrigens beide, Sport und
       Sex, kapitalistische Marktprinzipien der Leistungsorientierung, die messbar
       sind und in Konkurrenz zueinander dargestellt werden können.
       
       Inwiefern? 
       
       Die Listenlogik von Tabellen oder des Medaillenspiegels hat ja immer auch
       was von einer Geschäftsbilanz oder einem Kontoauszug. Die Sexualisierung
       des Sportlers erfüllt auch konkret kommerzielle Ziele.
       
       Sie meinen die Werbeindustrie? 
       
       Als sexueller wird der Einzelkörper des Sportlers oder der Sportlerin ein
       potentieller Bedeutungsträger der Werbeindustrie. Sportveranstaltungen sind
       also Bewerbungsrunden: Sportler stellen vor den Augen der Fernsehzuschauer
       ihre Tauglichkeit als zugkräftiges Werbemodell unter Beweis. In dieser
       Funktion kann dann anschließend Geld verdient werden.
       
       Ist es denn nicht unangemessen, bei Sport an Sex zu denken? 
       
       Die Art von Sex, die das Sporno-Phänomen meint, die auch unter den
       Schlagwörtern „Pornografisierung von Gesellschaft“ oder „Porno-Pop“
       kursiert, ist eher eine Ausweitung des sportlichen Prinzips als ihr
       Gegenmodell. Insofern hat die sexuelle Wahrnehmung von Sportlern an
       Obszönität verloren. Überall ist Sex, aber irgendwie ist es eben auch kein
       Sex mehr. Somit ist das Reden über Sexyness auch Bestandteil des
       Kommentierens von sportlichen Großereignissen in privaten Runden vor dem
       Fernseher geworden.
       
       Meinen Sie wirklich? 
       
       Heterosexuelle Frauen gucken sich die Beine von Fußballern an und warten
       zusammen mit den Schwulen auf den Moment, wenn nach dem Spiel die Trikots
       getauscht werden.
       
       Welche olympische Disziplin ist denn besonders sexy? 
       
       Ich glaube „sexy“ im Sinne von Verführungspotenzial und nicht nur sexueller
       Aggressivität sind für viele Zuschauer Sportarten, die Geschlechtsidentität
       produzieren, ohne dabei zu offensichtlich zu werden, sondern eher Kraft,
       Konzentration und Eleganz mischen wie zum Beispiel bei den Turmspringern
       oder Ruderern. Letzten Endes funktioniert Sexualität aber immer
       fetischistisch, es bleibt eine Typfrage: Steht man auf die dicken Arme des
       [1][Kugelstoßers David Storl] oder auf die kräftigen Schenkel des Turners
       Fabian Hambüchen, oder doch eher auf die Sprinter? Ich persönlich bevorzuge
       eher Schwimmer.
       
       Man hört, dass heterosexuelle Männer Frauen-Beach-Volleyball nicht wegen
       der Ballwechsels gerne anschauen? 
       
       Da kenne ich mich nicht so gut aus. Aber Beach-Volleyball assoziiert
       natürlich auch die Kultur der US-amerikanischen und australischen Spring
       Breaks, also der Frühjahrsferien von College-Studentinnen inklusive
       Komasaufen und „Girls Gone Wild“-Videos. In dieser Perspektive ist Frauen
       Beach Volleyball so was wie das Vorspiel zur Teenager-Orgie am Strand. Alle
       Bälle hüpfen.
       
       Sport als Fetisch in Pornos ist aber eher eine schwule Angelegenheit, oder? 
       
       Es gibt das Sportleroutfit selbst als Fetisch. Sneakers, Socks, und Shorts
       stehen bei Schwulen hoch im Kurs. Sie können auf Datingportalen im Netz als
       Vorliebe angegeben werden, und in Fetischbars gibt es dazu Mottopartys.
       Psychoanalytisch verstanden ist Fetischismus eine Art Magie: Über den
       Fetisch wird Angst in Lust verwandelt, potenzielle Schwulenfeinde wie der
       Skinhead wurden so zu Lustobjekten gemacht. Sport, insbesondere
       Mannschaftssport, ist bekannterweise immer noch ein Ort von Homophobie. Der
       Sneaker-Schwule verwandelt die Angst vor diesem Hass zum erotischen
       Interesse.
       
       Sexy Körper bei Olympia, die sexuelle Identität bleibt aber, trotz aller
       Fortschritte, weiter verhüllt – warum? 
       
       Zwei Gründe. Erstens darf bei aller offensichtlichen Sexualisierung des
       Sportlers diese nicht offen zugegeben werden, auch wenn mit ihr visuell
       bewusst gearbeitet wird. Sie ist ein für alle offenbares Tabu.
       Homosexualität befindet sich aus historischen Gründen nun aber in einer
       strukturell dramatischen Position: Wer homosexuell hört, kann nicht
       nichtsexuell hören. Die Thematisierung von Homosexualität funktioniert also
       immer noch als eine unausweichliche Art der Thematisierung von Sexualität –
       was dann dem Schwulen als übertriebene Belästigung mit seinem Privatleben
       selbst zum Vorwurf gemacht wird.
       
       Und zweitens, Herr Rehberg? 
       
       Ein Mann ist nicht nur, wer keine Frau ist, sondern auch mit dieser Sex
       hat. Lesben und Schwule und Transgender stören dieses Modell, in dem
       Heterosexualität Gendervorstellungen naturalisiert. Das Frau-Sein der Lesbe
       oder Das Mann-Sein des Schwulen ist deshalb strukturell instabil.
       Sportgroßveranstaltungen hatten traditionell den Sinn, naturalisierte
       Formen von „Mann“ und „Frau“ zu produzieren. Ob das so bleiben muss, ist
       natürlich offen.
       
       8 Aug 2012
       
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