# taz.de -- Kieler Woche: Generalprobe für London
       
       > Die Weltklasse ist bei der 130. Kieler Woche nur spärlich vertreten. Sie
       > bereitet sich in stürmischeren Revieren auf die Olympischen Spiele in
       > England vor.
       
 (IMG) Bild: Dramatische Kulisse: Segler der 49er auf der Ostsee vor Kiel-Schilksee.
       
       In Kiel ist die fünfte Jahreszeit angebrochen. Doch der erste Wettkampftag
       lief nicht optimal für die Lokalmatadoren Tobias Schadewaldt und Hannes
       Baumann in ihrer 49er Jolle.
       
       Am Sonntag gingen die Titelverteidiger bloß von Platz 13 ins Rennen. „Im
       letzten Jahr hat uns die Revierkenntnis auf der Kieler Förde enorm
       geholfen, den Titel zu erringen“, sagte Steuermann Schadewaldt im Vorfeld
       der 130. Kieler Woche. „Wir hoffen, an diese Leistung anknüpfen zu können
       und peilen einen Platz auf dem Podium an.“
       
       Das ist bis Dienstag, wenn die 49er Klasse ihre Regatten abgeschlossen hat,
       allemal noch drin. Wichtiger ist den beiden Kielern ohnehin, sich für die
       Olympischen Segelwettbewerbe, für die sie erstmals qualifiziert sind, den
       letzten Schliff zu holen.
       
       Alle vier Jahre steht das größte Segelsportfest der Welt, zu dem auch in
       diesem Jahr wieder 3 Millionen Zuschauer erwartet werden, im Schatten eines
       noch größeren Ereignisses. Auf das bereiten sich viele Spitzensegler in
       Revieren vor, die den olympischen Strecken ähnlicher sind als die Ostsee.
       Auch wenn am Wochenende ein frischer Wind in der Kieler Bucht blies – das
       Nordseeklima vor England ist doch wesentlich rauer. Und so sind die
       Teilnehmerfelder in den Olympischen Klassen auch in diesem Jahr mit nur 300
       gemeldeten Booten schwach besetzt.
       
       Die deutschen Teilnehmer in den acht nominierten Olympischen Klassen sind
       allerdings vollständig am Start, um vor heimischer Kulisse noch ein
       Erfolgserlebnis einzufahren. Das haben auch Schadewaldt/ Baumann nötig,
       denn vom Weltcup im olympischen Segelrevier in Weymouth kehrten sie als 17.
       zurück.
       
       „Da testeten wir allerdings auch eine neue Mast-Segel-Kombination“, sagt
       Schadewaldt. „In der Regatta kamen wir mit dem Set-up allerdings nicht so
       gut zurecht. Top-Speed war möglich, erforderte aber zu viel Aufmerksamkeit.
       So fehlte uns wertvolle Energie in den Bereichen Strategie und Taktik,
       Ungenauigkeiten in der Positionierung waren die Folge und verhinderten ein
       besseres Ergebnis.“
       
       Kaum jemand analysiert die eigenen Leistungen so selbstkritisch wie der
       frisch gebackene Master of Business Administration und der
       Schiffsbaustudent. Seit vier Jahren segeln sie zusammen und haben sich in
       der Zeit von Platz 134 auf Platz drei der Weltrangliste verbessert.
       Besonders zusammengeschweißt hat sie ein Ereignis, das Tobias Schadewaldt
       fast das Leben gekostet hätte.
       
       Nach einem Trainingsunfall vor Mallorca 2010 kentert das Boot, Schadewaldt
       geriet unter den Rumpf und verhakte sich in den Schoten. Sein Vorschoter
       musste ihm per Mund zu Mund Beatmung Sauerstoff zuführen, mit letzter und
       vereinter Kraft gelang die Befreiung aus der Takelage.
       
       „Das verbindet uns weit über den Segelsport hinaus und hat das Vertrauen
       ineinander in extremen Situationen gestärkt“, sagt Schadewaldt heute über
       dieses schreckliche Erlebnis. In Weymouth hoffen die beiden, das Medalrace
       der besten Boote zu erreichen.
       
       „Das Revier liegt uns sehr gut“, sagt Schadewaldt. „Ich komme ja aus
       Wilhelmshaven und habe auf der Nordsee das Segeln gelernt.“ Aber auch das
       Gefühl für die Ostsee kommt langsam wieder – nach der fünften Wettfahrt am
       Sonntagnachmittag lagen die beiden schon wieder auf Platz 3.
       
       Auch die anderen Olympiateilnehmer, die am Mittwoch feierlich Richtung
       London verabschiedet werden, lagen am Sonntag überwiegend aussichtsreich im
       Rennen. Bei den 470ern führte das Gespann Gertz/ Follmann. Bei den
       männlichen Lasern lag Simon Grotelüschen genauso in Front wie Franziska
       Golz bei den weiblichen.
       
       In diesem Jahr feiert eine junge Sportart Kieler-Wochen-Premiere, die 2016
       in Rio de Janeiro in die Olympischen Spiele integriert wird: das
       Kite-Surfen. „Wir wollen Kiten schon in diesem Jahr anbieten und das auch
       zuschauer- und medien-nah, aber wir werden noch ein wenig experimentieren
       und improvisieren“, sagt der Organisationsleiter Jobst Richter.
       
       17 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Lorenzen
       
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