# taz.de -- Duma-Wahl in Russland: Hacker-Angriffe auf liberale Medien
       
       > Mehrere Medien und eine Wahlbeobachtergruppe glauben, von Putin-Anhängern
       > gehackt worden zu sein. Online mehren sich Berichte über
       > Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.
       
 (IMG) Bild: Oppositionelle bei einer Demonstration gegen Putin in Moskau.
       
       Nach der umstrittenen Duma-Wahl in Russland erhebn liberale Medien schwere
       Kritik gegen Anhänger Wladimir Putins. Wie der Radiosender [1][Ekho Moskvy]
       und der Nachrichtendienst [2][Slon.ru] melden, soll es auf ihre Websites am
       Sonntag und am Montag mehrere Stunden lang sogenannte
       Denial-of-Service-Attacken (DoS) gegeben haben, bei denen die Server mit
       falschen Anfragen überflutet wurden. Beide Angebote waren mehrere Stunden
       lang nicht zu erreichen.
       
       Ebenfalls offenbar von Hackern attackiert wurde die Seite der
       Wahlbeobachtergruppe [3][Golos]. Sie war auch zum Redaktonsschluss dieses
       Beitrages nicht zu erreichen, es erschien eine Fehlermeldung. Slon.ru gab
       an, man sei vermutlich Ziel der Angriffe geworden, weil man die interaktive
       Golos-Wahlkarte in sein Angebot integriert habe. Hier hatte die
       Organisation verzeichnet, wo es zu Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gekommen
       sein soll.
       
       Hinter den Angriffen vermuten Ekho Moskvy, Slon.ru und Golos Anhänger des
       Ministerpräsidenten Wladimir Putin, dessen Partei Einiges Russland bei den
       Wahlen am Sonntag die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Alexei Venediktov,
       Chefredakteur von Ekho Moskvy, schrieb auf Twitter, bei den Angriffen
       handele es sich um Versuche, die Veröffentlichung von Vergehen bei der
       Parlamentswahl zu verhindern. „Das ist ganz offensichtlich.“
       
       Golos-Vertreter hatten bereits am Wahlwochenende unter Schikanen zu leiden.
       Die einzige unabhängige Wahlbeobachtergruppe des Landes, die mit westlichen
       Mitteln finanziert wird, soll laut eigenen Angaben von vielen Wahllokalen
       ausgeschlossen worden sein. Lilia Shibanova, Direktorin der Gruppe, wurde
       am Samstag laut einem Bericht von „Voice of America“ 12 Stunden lang am
       Flughafen Moskau-Scheremetjewo festgehalten. Grenzpolizisten hätten ihren
       Computer eingezogen.
       
       Bevor die Golos-Website am Sonntag erstmals angegriffen wurde, soll sie
       mehr als 5.500 Hinweise zu Verstößen gegen das Wahlgesetz gesammelt haben -
       und zwar noch vor der eigentlichen Wahl. Die Telefonhotline der
       Organisation war ebenfalls nicht zu erreichen - ob es sich hierbei
       ebenfalls um einen Angriff handelte oder es schlicht zu viele Meldungen
       gab, blieb zunächst unklar.
       
       ## Ein Mann, zwölf Stimmen
       
       Auch ohne Zugriff auf die Golos-Website sind seit Sonntag Hinweise im
       Internet auf Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zu finden. Auf YouTube, in
       Blogs, auf Twitter und auf Facebook wurden Bilder und Videos sowie
       Augenzeugenberichte eingestellt. In einem [4][Video] soll beispielsweise zu
       sehen sein, wie ein Mann ein rundes Dutzend Mal seine Stimme abgibt, ohne
       von den Wahlhelfern abgehalten zu werden. Angeblich soll er dafür die Summe
       von rund 130 Dollar von Vertretern der Partei Einiges Russland erhalten
       haben.
       
       Allein im Moskauer Distrikt Strogino sollen dafür rund 100 Personen
       rekrutiert worden sein, behauptet er weiter. „Karussellwählen“ heiße das.
       Andere Videos zeigen Gruppen von Wählern, die per Bus von Wahllokal zu
       Wahllokal kutschiert werden oder bereits mit Stimmen aufgefüllte Wahlurnen
       vor der Wahl. Ob das Material echt ist, lässt sich aus der Ferne nicht
       verifizieren.
       
       Auch über die Berichterstattung zu den Wahlen in den Kreml-nahen Medien
       machen sich russische User lustig. So wird etwa ein [5][Bild]
       herumgereicht, das zeigt, wie der der Kanal Russia 24 zwischenzeitlich die
       abgegebenen Stimmen in Prozent präsentierte. Die Summe liegt bei
       sagenhaften 146,47 Prozent, „Einiges Russland“ soll 62,32 Prozent erhalten
       haben.
       
       Auf Facebook finden sich unterdessen Berichte einzelner Wähler. So schrieb
       die Moskauerin Ksenia Kononowa laut einem Bericht der Moscow Times, ihre
       Stimme sei gestohlen worden, der Stimmzettel sei an eine Person mit einem
       anderen Ausweis gegangen. Wahlbeobachter meldeten auf Facebook, sie hätten
       Unterschiede zwischen den örtlichen Wahlprotokollen und den Angaben auf der
       Website der zentralen Wahlkommission entdeckt.
       
       6 Dec 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://echo.msk.ru/
 (DIR) [2] http://slon.ru/
 (DIR) [3] http://golos.org/
 (DIR) [4] http://www.youtube.com/watch?v=yG2OyzsaltQ
 (DIR) [5] http://avmalgin.livejournal.com/2767967.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
       ## TAGS
       
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