# taz.de -- Kinderschutzgesetz gegen Verwahrlosung: Feilschen um "frühe Hilfe"
       
       > Um Verwahrlosung zu verhindern, will der Bund bis 2016 für
       > Familienhebammen 120 Millionen Euro ausgeben. Weil danach die Länder
       > zahlen sollen, stellen die sich quer.
       
 (IMG) Bild: Ort der Wahrheit: Eine Spezialambulanz in Hannover, in der Misshandlungen von Kindern erkannt werden.
       
       BERLIN taz | Kevin in Bremen, Lea-Sophie in Schwerin, Jessica in Hamburg:
       verhungert, verdurstet, zu Tode geprügelt. Um solche Fälle künftig zu
       vermeiden, soll es bald ein Kinderschutzgesetz geben. An diesem Donnerstag
       will es der Bundestag verabschieden.
       
       Ob das Gesetz, das "frühe Hilfen" und "Mindeststandards des Kinderschutzes"
       gewährleisten soll, aber tatsächlich zum 1. Januar 2012 wie geplant in
       Kraft treten kann, ist unklar. Denn es könnte am Bundesrat, wo es
       hinverwiesen werden soll, scheitern.
       
       Grund: ungeklärte Finanzierung des wichtigsten Projektes, das der
       Familienhebammen. Familienhebammen sollen Eltern in prekären Situationen
       sozial und gesundheitlich betreuen - bereits während der Schwangerschaft
       der Mutter und in den ersten Lebensjahren des Kindes.
       
       Schon vor einem Jahr, nach Verkünden dieses Plans durch Familienministerin
       Kristina Schröder (CDU), regte sich Kritik an dem Vorhaben: Als "gut
       gemeint, aber schlecht gedacht" bezeichnete es zum Beispiel Erwin Lotter,
       FDP-Gesundheitsexperte im Bundestag. Jugendämter beklagten, dass sie das
       finanziell allein nicht leisten könnten, und forderten zudem mehr Personal.
       Schon tätige Familienhebammen warnten vor Burnout und Überforderung.
       
       Für die Familienhebammen will der Bund in den kommenden vier Jahren
       insgesamt 120 Millionen Euro zur Verfügung stellen, also 30 Millionen Euro
       jedes Jahr. Nach diesem Modellprojekt sollen aber die Länder zahlen. Die
       fürchten, dass sie das nicht können. So verlangt Manuela Schwesig, SPD-Vize
       und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, eine "dauerhafte
       Mitfinanzierung". Es gehe nicht ohne zusätzliche Mittel, meint auch der
       Gesundheitssenat in Bremen.
       
       ## "Denkbar schlechtestes Vehikel"
       
       Dort muss man es wissen: Seit 2006, nachdem der "Fall Kevin" bekannt
       geworden war, gibt es in Bremen Familienhebammen als "Regelangebot". Auch
       in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen sind die
       Familienhelferinnen seit einigen Jahren unterwegs. Irene Alt,
       Familienministerin von Rheinland-Pfalz, kündigte an, den Gesetzentwurf
       abzulehnen. Die Grüne fordert "Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen
       zur Primärprävention".
       
       "Ein besserer Kinderschutz in Deutschland ist das denkbar schlechteste
       Vehikel für eine parteipolitische Vorteilssuche", sagte Familienministerin
       Schröder zur taz: "Die Länder sollten ihr Herz rasch über die Hürde
       werfen." Sie wisse um die "Sorge manches Landes", sagte Schröder weiter:
       "Aber wenn wir über gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie den Kinderschutz
       sprechen, können die Länder nicht jedes Mal sagen, finanziell bestehe die
       Gesamtgesellschaft nur aus der Bundeskasse."
       
       In der Gesetzesbegründung, die zusammen mit einem Entschließungsantrag der
       Koalitionsfraktionen am Mittwoch im Bundestagsfamilienausschuss angenommen
       wurde, ist vereinbart, dass das Modellprojekt nach zwei Jahren evaluiert
       wird. Im dritten Jahr sollen Gespräche zwischen Bund, Ländern und Kommunen
       geführt werden.
       
       26 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Vaterschaft
       
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