# taz.de -- Jugendstrafe für Terrorhelfer: "Sehnsucht nach dem Abenteuer"
       
       > Ein junger Berliner stellte Dschihad-Videos ins Netz. Terroristen wollten
       > ihn zu einem Selbstmordattentat drängen. Nun wurde Alican T. zu
       > zweieinhalb Jahren verurteilt.
       
 (IMG) Bild: Als Terrorhelfer verurteilt: Eine Terrorgruppe wollte Alican T. zu einem Selbstmordanschlag überreden.
       
       BERLIN taz | Das Kammergericht Berlin hat nach einem fast achtmonatigen
       Prozess einen 21-jährigen Terrorhelfer zu zweieinhalb Jahren Jugendstrafe
       verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Alican T.
       Propagandavideos der "Islamischen Dschihad Union" auf YouTube hochgeladen
       hat, darunter eine Sammlung von Selbstmordattentaten mit dem Titel
       "Verliebte des Paradieses".
       
       Außerdem hat der junge Berliner nach Überzeugung des Gerichts die im
       pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet agierende Terrortruppe "Deutsche
       Taliban Mudschahidin" (DTM) mit Geld unterstützt. Gemeinsam mit der bereits
       im März verurteilten [1][Ulmerin Filiz G.] habe er dem "Emir" der DTM 3.200
       Euro zukommen lassen, die zumindest zu einem Teil für den Kauf von Waffen
       und Munition gedacht gewesen sein sollen. Von Alican T. selbst stammten
       aber nur einige Hundert Euro.
       
       Mit dem "Emir" der "Deutschen Taliban Mudschahidin" – der in Niedersachsen
       geborene und inzwischen in Pakistan bei einem Gefecht getötete Ahmet M. –
       stand Alican T. per Internetchat in Kontakt. Nach Überzeugung des Gerichts
       soll M. gleich mehrfach versucht haben, den jungen Berliner zu einem
       Selbstmordanschlag in Deutschland zu überreden. Das wollte Alican T. nicht.
       
       Im Februar 2010 versuchte er dann aber per Zug von München über Istanbul in
       das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet zu reisen, wurde jedoch von der
       Polizei aufgehalten. Alican T. habe in den Dschihad ziehen wollen, sagte
       der Vorsitzende Richter Josef Hoch. Auch die "Sehnsucht nach dem Abenteuer"
       habe dabei wohl eine Rolle gespielt.
       
       Der Angeklagte selbst hatte während des Prozesses lange geschwiegen, wirkte
       in sich gekehrt, fast regungslos. Erst nach Monaten legte der 21-Jährige
       ein Geständnis ab und gab die Vorwürfe weitgehend zu.
       
       ## "Leicht verführbar"
       
       Ein Gutachter habe Alican T. eine labile Persönlichkeit mit depressiven
       Zügen attestiert, so das Gericht, er sei leicht verführbar gewesen. Seine
       Kindheit und Jugend waren offenbar verkorkst: Der älteste Bruder herrschte
       zu Hause mit Gewalt, früh musste der junge Berliner die Klasse wiederholen,
       galt eine zeitlang als "nicht beschulbar", litt unter einer
       Aufmerksamkeitsdefizitstörung.
       
       Auf der Suche nach Anerkennung und der eigenen Identität landete der Sohn
       türkischer Gastarbeiter über einen Mitschüler in islamistischen Kreisen. In
       der berüchtigten Al-Nur-Moschee in Berlin-Neukölln lernte er dann auch
       spätere Mitglieder der "Deutschen Taliban Mudschahidin" kennen – darunter
       auch Yusuf O., der vor kurzem in Wien festgenommen und am Montag nach
       Deutschland überstellt wurde.
       
       Weil nach Ansicht des Berliner Gerichts keine Fluchtgefahr besteht, hob es
       den Haftbefehl gegen Alican T. am Mittwoch auf. Nach 16 Monaten in U-Haft
       kommt er vorerst auf freien Fuß, bis zur Verbüßung der Reststrafe. "Sie
       haben nun die Chance Ihr Leben zu ändern", sagte Bundesanwalt Volker
       Brinkmann in seinem Plädoyer.
       
       22 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.buchmesse.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/die-witwen-von-waziristan/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) W. Schmidt
 (DIR) J. Findeisen
       
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