# taz.de -- Stichwahl in Haiti: Der Kandidat, der gar nicht antritt
       
       > Am Sonntag geht es in Haiti in die Stichwahl um die Präsidentschaft. Doch
       > alles schaut auf den ehemaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide.
       
 (IMG) Bild: Anhänger Aristides warten auf seine Ankunft.
       
       SAN SALVADOR taz | Seit 20 Jahren gab es in Haiti keine Wahl ohne Chaos und
       Gewalt. Die Stichwahl um die Präsidentschaft am Sonntag dürfte kaum eine
       Ausnahme werden. Denn zu den beiden Kandidaten, die aus dem von Betrug
       geprägten ersten Wahlgang hervorgegangen sind, kommt eine dritte
       umstrittene Figur: Expräsident Jean-Bertrand Aristide, der 2004 in seiner
       zweiten Amtszeit zum zweiten Mal gestürzt worden war und seither in
       Südafrika lebte. Er hat am Donnerstag um 23.14 Uhr in Johannesburg seine
       Heimreise angetreten und wurde am späten Freitagnachmittag (Ortszeit) in
       Port-au-Prince erwartet.
       
       Die USA hatten bis zuletzt versucht, die Rückkehr Aristides zu verhindern.
       Präsident Barack Obama hatte höchstselbst seinen südafrikanischen Kollegen
       Jacob Zuma angerufen und ihn gebeten, die Abreise des ehemaligen
       Volkshelden und Armenpriesters doch wenigstens bis nach der Wahl zu
       verzögern. Doch Zuma wollte nicht.
       
       Aristides Anhänger erwarteten ihn fiebernd. Sein Haus wurde mit Blumen
       geschmückt, die Straße vom Flughafen dorthin mit Wandmalereien versehen:
       "Herzlich willkommen, Präsident Titide!" Vor allem in den Armenvierteln hat
       Aristide noch immer mehr Anhänger als die beiden Kandidaten gemeinsam.
       
       Die 70-jährige Mirlande Manigat, eine konservative Hochschullehrerin und
       ehemalige First Lady, hatte beim ersten Wahlgang 31 Prozent der Stimmen
       erreicht. Der politisch unerfahrene Popsänger Michel Martelly, 50, genannt
       "Sweet Micky", war auf 22 Prozent gekommen. Die Wahlbeteiligung lag bei
       mageren 20 Prozent. Manigat gehört zum politischen Establishment, das Haiti
       zum gescheiterten Staat heruntergewirtschaftet hat. Sweet Micky hat seine
       Anhänger schon darauf eingeschworen, im Falle seiner Niederlage das
       Präsidentenamt auf der Straße zu erkämpfen. Umfragen sehen ihn knapp vorn.
       
       Wer Haiti regieren wird, hat viel Geld zu verwalten. Nach dem Erdbeben vom
       12. Januar 2010 mit über 220.000 Toten hat die internationale Gemeinschaft
       11 Milliarden US-Dollar für den Aufbau versprochen. Ausbezahlt wurde
       bislang nur wenig. Über eine Million Haitianer leben weiterhin in
       Zeltstädten. Dazu kommt eine Cholera-Epidemie, der schon rund 5.000
       Menschen zum Opfer gefallen sind.
       
       Aristide kündigte bescheiden an, er wolle "als Privatmann" beim
       Wiederaufbau des Schulwesens helfen. Obwohl Manigat und Martelly früher zu
       den scharfen Kritikern des Expräsidenten gehört hatten, sagen nun beide,
       sie könnten ihn sich als Berater ihrer Regierung vorstellen. Besser, man
       hat den Feind im Boot, als seine Anhänger auf der Straße.
       
       18 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Toni Keppeler
       
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