# taz.de -- Kriegsverbrecherprozess gegen Bemba: Geteiltes Echo in Bangui
       
       > Der Kriegsverbrecherprozess gegen den Kongolesen Jean-Pierre Bemba in Den
       > Haag wird am Tatort mit Spannung verfolgt - und mit Kritik.
       
 (IMG) Bild: Sitzt in Den Haag vor Gericht und wird aus der Ferne beobachtet: Jean-Pierre Bemba.
       
       BANGUI taz | Als vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag der
       Prozess gegen den ehemaligen kongolesischen Warlord Jean-Pierre Bemba
       begann, war das in Bangui Stadtgespräch. Denn es war die Hauptstadt der
       Zentralafrikanischen Republik gewesen, wo 2002/03 Bembas Rebellenarmee MLC
       (Kongolesische Befreiungsarmee) den damaligen Präsidenten Ange-Felix
       Patassé gegen die meuternden Truppen des damaligen Armeechefs und heutigen
       Präsidenten François Bozizé schützte. Dabei sollen Bembas Kämpfer in
       Bangui, das direkt an der Grenze zum Kongo liegt, schwere Kriegsverbrechen
       begangen haben, so die Anklage in Den Haag.
       
       Dass darüber jetzt vor einem internationalen Gericht gesprochen wird, reißt
       in der Zentralafrikanischen Republik alte Wunden neu auf. Der Tag des
       Prozessauftakts sei der schönste Tag ihres Lebens, erklärte Marie-Hélène
       Ngoita, die damals von Bembas Kämpfern vergewaltigt wurde und heute
       HIV-positiv ist.
       
       Der Strafgerichtshof scheute keine Mühen, um die Öffentlichkeit von Bangui
       für sich zu gewinnen. Er lud Journalisten nach Den Haag ein und schaltete
       großflächige Anzeigen in zentralafrikanischen Zeitungen, um ein
       Gefälligkeitsinterview abzudrucken. Er mietete eigens einen
       Veranstaltungssaal in Bangui, um die ersten Anhörungen live aus Den Haag zu
       übertragen. 500 Menschen kamen. "Das ist wenig", meint Crispin Dembassa,
       Journalist beim unabhängigen Radio Ndeke Luka. "Vielleicht liegt es daran,
       dass die Ereignisse schon sieben Jahre her sind."
       
       Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Zentralafrikaner sich nicht
       in erster Linie für Bemba interessieren, sondern für ihren damaligen
       Präsidenten Patassé, der Bembas Kämpfer nach Bangui holte. Patassé wird
       nicht vom Strafgerichtshof verfolgt.
       
       Die Zeitung LAgora druckt unter der Überschrift "VIP-Zellen" Fotos vom
       Gefängnistrakt in Den Haag, der im Vergleich zu afrikanischen Haftanstalten
       sehr luxuriös aussieht. Die Zeitung Le Démocrate macht den heutigen
       zentralafrikanischen Machthaber Bozizé dafür verantwortlich, dass gegen
       Patassé nicht ermittelt wird: Bozizé selbst habe ja schließlich auch mit
       Bemba zusammengearbeitet, als er noch Armeechef unter Patassé war.
       
       2001 - zu einem Zeitpunkt, den das Den Haager Verfahren nicht abdeckt -
       schickte Bemba erstmals auf Wunsch Patassés Truppen nach Bangui. Die
       standen damals unter dem Befehl François Bozizés und des damaligen
       Verteidigungsministers Jean-Jacques Demafouth. Heute sind Bozizé, Patassé
       und Demafouth alle drei Kandidaten zur nächsten zentralafrikanischen
       Präsidentenwahl am 23. Januar 2011. Es scheint, als hätten sie miteinander
       ein Stillhalteabkommen geschlossen.
       
       "Es waren Bembas Elemente, die die Übergriffe begingen, die ihm heute
       Gefängnis in Den Haag bescheren", kommentiert Le Démocrate. "Aber er war
       nicht vor Ort. Und selbst wenn seine Kommandanten Operationen befehligten,
       waren sie nicht die Herren der Lage". Das Blatt erinnert an eine Rede
       Patassés vom 26. November 2002, als dieser Bemba für seinen
       "unverzichtbaren und rettenden Beistand" dankte. Damals hatten Bembas
       Kämpfer bereits zahlreiche Übergriffe begangen.
       
       Ein Zeuge des damaligen Krieges in Bangui meint, Bembas kongolesische
       Kämpfer seien Ende 2002 nur deshalb plündernd und mordend gegen die
       Zivilbevölkerung vorgegangen, weil Patassé sie nicht bezahlt hatte. Dabei
       hatte der damalige Präsident 10 Millionen Dollar aus Libyen als Kredit
       bekommen - sowohl für die eigenen Beamten als auch für die "Söldner" aus
       dem Kongo gedacht. Dass er dieses Geld nicht denen zukommen ließ, die es
       gebraucht hätten, wurde ihm zum Verhängnis, als im März 2003 Bozizé Patassé
       stürzte.
       
       28 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) François Misser
       
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 (DIR) Internationaler Strafgerichtshof
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