# taz.de -- Röcke an Männerbeinen: Sie rocken nicht
       
       > Männer dürfen alles tragen - außer Röcke. Als eine der wenigen modischen
       > Revolutionen lässt der selbstbewusste Mann mit Rock auf sich warten.
       > Warum?
       
 (IMG) Bild: Als Schottenrock ist das Kleidungsstück auch bei Männern erlaubt.
       
       Wann alles so richtig vorbei war, darauf können sie sich nicht einigen,
       aber fest steht: Es ist vorbei. Sandra Kuratle, die einzige Designerin im
       deutschsprachigen Raum, die ausschließlich Männerröcke entwarf, nahm 2001
       Hosen in ihre Kollektion auf. Robert Landinger und Doreen Anders schlossen
       ihren Männerrockladen in München 2004.
       
       Ben Neudeck, der seit zehn Jahren Männerrockforen im Internet verfolgt,
       sagt: "Es werden tendenziell eher weniger." Sie alle fühlten sich als
       Wegbereiter einer kleinen Revolution in der Mode. Sie dachten: Klar, es
       dauert, aber irgendwann werden Röcke für Männer normal.
       
       Die Einzige, die da heute noch Hoffnung hat, ist die Soziologin. Aida
       Bosch, 45, beschäftigt sich an der Universität Erlangen mit Modesoziologie.
       "Meine Prognose ist, dass die Zeit für den Männerrock bald reif ist. Es ist
       das letzte Tabu, das fallen kann, und die Mode ist immer auf der Suche nach
       dem Neuen, dem Ungesehenen", sagt Bosch.
       
       Sandra Kuratle war auf dieser Suche, als sie in ihrem Studium an der
       Züricher Kunsthochschule die Röcke des Designers Jean Paul Gaultier
       entdeckte. "Ich fand das einfach sehr attraktiv", sagt sie. "Die Figur kam
       besser raus, es wirkte majestätisch - und sehr männlich." Sie las über
       Kimonos und Kilts, Togas und Kaftane.
       
       Darüber, dass mit der Französischen Revolution das Äußere des Mannes immer
       mehr gleich gemacht und rationalisiert wurde - gipfelnd im Anzug. Die
       Modedesignstudentin begann zu experimentieren, und ihre Diplomarbeit
       entstand: "Röcke machen Männer". Bei den Prêt-à-porter-Modeschauen in Paris
       stellte sie ihre Kollektion vor. Nächste Woche, am 1. Oktober, wenn die
       Schauen wieder beginnen, ist das genau 15 Jahre her.
       
       Zwischendurch gab es durchaus Grund, an einen Wandel zu glauben. "Mit der
       Technoszene in den Neunzigern gab es eine Zeit lang einen richtigen Boom",
       sagt Kuratle. "Die Leute kamen in den Laden, haben Röcke angezogen und sind
       rauf auf die Straße."
       
       Etwa zur gleichen Zeit - 1999 - ging Robert Landinger in einem von seiner
       Frau geschneiderten Rock in eine Boutique im Münchener Glockenbachviertel.
       Der Besitzer suchte gerade händeringend nach einem Rocklieferanten. So
       wurden der Punkmusiker Landinger und die Schneiderin Doreen Anders zu
       Modedesignern.
       
       Gemeinsam mit Sandra Kuratle - aber auch mit Stars wie Vivienne Westwood -
       wurden ihre Arbeiten 2003 im Metropolitan Museum of Art in New York
       ausgestellt. Unter dem Titel: "Bravehearts - Men in Skirts".
       
       Das Problem sei, sagt Sandra Kuratle, dass der Männerrock für die Mehrheit
       ein Modegag blieb - nicht alltagstauglich. "Man hat ihn nicht ernst
       genommen."
       
       Es gibt in Deutschland heute drei Gruppen von Männern, die Röcke tragen.
       Einmal Designer und Modeinteressierte, die das Kleidungsangebot für Männer
       langweilig und beengend finden und endlich mal etwas anderes anziehen
       wollen. "Viele meiner Kunden heiraten im Rock, weil sie so gelangweilt sind
       von den Anzügen, die sie schon den ganzen Tag tragen müssen", sagt Kuratle.
       
       Dann Alternative und Menschen aus der Queerszene, die ihre Kritik an den
       klassischen Geschlechterrollen im Rocktragen leben. Schließlich eine Gruppe
       von Menschen, für die Männerröcke einfach ein Hobby sind, wie für andere
       Modelleisenbahnen - inklusive Websites und Gruppengefühl.
       
       Ben Neudeck ist irgendwo zwischen Gruppe eins und drei. Der 37-jährige
       Münchener arbeitet als Erzieher in einer Behinderteneinrichtung, er trägt
       im Durchschnitt vier Tage die Woche Rock. Vor zehn Jahren stieß er im
       Internet zufällig auf ein Männerrockforum. Zwei Jahre lang klickte er immer
       wieder rein, dann ging er mit seiner damaligen Freundin in die
       Karstadt-Frauenabteilung.
       
       Er suchte den männlichsten Rock aus - schwarz, schlicht, keine Rüschen. Die
       Mikrofaser fühlte sich gut an, aber als er das erste Mal damit auf die
       Straße ging, leicht gebeugt, unsicher, riefen Jugendliche: "Bist du schwul,
       Mann?" Ein paar Tage später kaufte sich Ben Neudeck dennoch drei weitere
       Röcke. Und wurde Mitglied von Deutschlands einzigem Männerrockstammtisch.
       "Das hatte etwas von Selbsthilfegruppe", sagt Neudeck.
       
       Rocktragen ist Selbstbewusstseinstraining. "Den Leuten, die zu mir kommen,
       ist es entweder egal, angeschaut zu werden, oder sie mögen es", sagt Sandra
       Kuratle. Und sie müssen männlich bleiben. Die Designerin arbeitet mit
       Doppelsteppnähten und Schnallen - traditionellen Details von
       Männerkleidung.
       
       Männer zum Rocktragen zu bringen, das funktioniere anders als Frauen zur
       Hose. "Die Emanzipationsschiene klappt nicht", sagt Kuratle. Frauen wollten
       das mit der Hose verbundene symbolische Kapital. Männer das mit dem Rock
       verbundene nicht. "Der Mann hat die Hosen an - das sitzt ganz tief", sagt
       die 43-Jährige.
       
       Stoff als Identitätspolitik: "Während sich die Geschlechterrollen in der
       Gesellschaft gelockert haben, haben sie sich in der Mode verschärft.
       Vielleicht ist das eine Gegenreaktion, um das Spiel mit der Erotik zu
       erhalten", sagt Soziologin Bosch. Ihre Hoffnung sind die Schulterpolster:
       Männlichkeit für Frauen, seit einem Jahr wieder in. In den Achtzigern
       tauchten sie etwa zeitgleich mit den ersten Männerröcken auf. In der Mode
       ist nie etwas wirklich vorbei.
       
       26 Sep 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Strothmann
       
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